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Naturschutz: Warum Bayerns wertvolle Moore immer weiter schrumpfen

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Warum Bayerns wertvolle Moore immer weiter schrumpfen

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    Das Donaumoos ist das größte zusammenhängende Niedermoorgebiet Bayerns.
    Das Donaumoos ist das größte zusammenhängende Niedermoorgebiet Bayerns. Foto: Stefan Puchner, dpa

    Bayern ist reich an Moorböden. Das hat zwei Vorteile: Moore sind ausgezeichnete CO2-Speicher und somit extrem nützlich für den Klimaschutz. Und Moore sind herausragend fruchtbare Ackerböden, die der Landwirtschaft hohe Erträge bringen. Der Nachteil dabei: Beides zusammen ist nicht zu haben. Moore lassen sich nur in einer Weise nutzen – entweder als

    Die Versuche, Kompromisslösungen zu finden, die für den Klimaschutz etwas bringen, ohne den betroffenen Landwirten die Existenzgrundlage zu entziehen, sind bisher weitgehend gescheitert – im Großen wie im Kleinen: Die Bundesministerinnen für Landwirtschaft, Julia Klöckner (CDU), und Umwelt, Svenja Schulze (SPD), mussten gerade erst einräumen, dass sie es in den vergangenen vier Jahren nicht geschafft haben, sich auf eine Moorschutzstrategie zu verständigen. Zu groß waren die Gegensätze. Das Projekt Moorschutz wurde im Bund vertagt.

    "Zweckverband Donaumoos" ohne nennenswerte Erfolge

    Vor Ort sieht es meist nicht besser aus. Das zeigt ein Beispiel aus der Region. Der Zweckverband Donaumoos, der 1991 von Bezirk, Landkreis und einigen Kommunen gegründet wurde, um in dem 25.000 Hektar großen „Altbayerischen

    Nur rund 460 Hektar Fläche konnten über all die Jahre hinweg erworben werden, um sie aus der intensiven Nutzung zu nehmen. Doch um sie wieder zu bewässern und damit effektiv zu schützen, sind sie zu weit verstreut. Ergebnis: Nach wie vor schrumpft der wertvolle Torfkörper im Donaumoos. Nach wie vor werden schädliche Klimagase freigesetzt, statt sie im Boden zu halten und – was noch besser fürs Klima wäre – neu im Boden zu binden.

    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU bei der Vorstellung zur weiteren Entwicklung des Donaumooses in Langenmosen im Mai dieses Jahres.
    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU bei der Vorstellung zur weiteren Entwicklung des Donaumooses in Langenmosen im Mai dieses Jahres. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Der ehemalige Landrat in Neuburg-Schrobenhausen, Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert (Freie Wähler), räumt ein, dass der Zweckverband, den er als Landrat zehn Jahre lang leitete, seine Ziele längst nicht erreicht hat. Doch das sei nur die halbe Wahrheit. „Der Zweckverband war bei seiner Gründung der Zeit weit voraus, ein absolut visionäres Projekt“, sagt Weigert. Damals, in den 90er Jahren, sei vom Klimaschutz noch keine Rede gewesen. Dennoch habe sein Vorgänger, Landrat Richard Keßler (CSU), die Initiative ergriffen, um in dem weitgehend trockengelegten Donaumoos zu retten, was vom Moor noch zu retten ist. Nur der Staat habe nicht konsequent mitgemacht. Sogar das Moorversuchsgut in Karlshuld sei aufgegeben worden.

    Söder kündigt Millionen-Programm zum Schutz der Moore an

    Zwei Umstände hätten seit Mitte der 2000er Jahre den Ankauf von Grundstücken gebremst. Zum einen seien mit der Finanzkrise von 2008 die Bodenpreise explodiert. Zum anderen hatte die Staatsregierung schon Jahre zuvor die Mittel aus dem Naturschutzfonds für den Ankauf von Flächen um die Hälfte gekürzt. „Das sind die Gründe, warum sich der Zweckverband nicht so entwickelt hat, wie er es hätte können“, sagt Weigert. Ohne den Verband aber, so fügt er hinzu, wäre vermutlich gar nichts passiert.

    Nun soll ein neuer Anlauf unternommen werden. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat angekündigt, „eines der größten Renaturierungsprogramme in Deutschland zur Sanierung und Wiedervernässung aller Moorflächen“ zu starten. „Das sind“, so sagte er in seiner Regierungserklärung zum Klimaschutz, „bis 2040 rund 55000 Hektar.“ Den Beginn markiert ein Pilotprojekt im Donaumoos: 200 Millionen Euro sollen dort in den kommenden zehn Jahren in den Moor- und Klimaschutz investiert werden. Mit dem Geld sollen 2000 Hektar wieder vernässt werden. Der Bund Naturschutz zeigte sich erfreut.

    Dass einem Teil der betroffenen Landwirte das gar nicht gefällt, bekam Söder zu spüren, als er das Projekt im Mai in der Gemeinde Langenmosen vorstellte. Rund 70 Demonstranten begrüßten ihn mit einem Hupkonzert. Sie meinen, allen Grund zu haben, um ihre Existenz fürchten zu müssen.

    Im Donaumoos macht die Sonne den Kartoffeln Konkurrenz

    Das Donaumoos ist nicht nur das größte zusammenhängende Niedermoorgebiet in Bayern, es ist auch eines der größten Kartoffelanbaugebiete Deutschlands. Die Landwirte, die im Moos weiterhin mit Kartoffeln ihr Geld verdienen wollen, kommen nicht nur durch den Klimaschutz, sondern auch von Seiten des Marktes unter Druck. Viele von ihnen wirtschaften zu einem mehr oder weniger großen Teil auf gepachteten Flächen. Lange Zeit war der Kartoffelanbau die ertragreichste Nutzung des Bodens. Davon profitierten Pächter und Verpächter. Mittlerweile, so schätzen Experten, lässt sich mit Photovoltaik auf derselben Fläche drei bis vier mal so viel Geld verdienen. Das kann, wenn der Pachtvertrag ausläuft und die Kommune ihr Okay für einen Solarpark gibt, für einen Kartoffelbauern das Ende bedeuten.

    Politisch steht die intensive landwirtschaftliche Nutzung von Niedermooren in Konkurrenz zu einer bestechend attraktiven Idee. Wer Moore wieder vernässt, Photovoltaik drüber baut und die Flächen von Schafen beweiden lässt, der schlägt, wie der Landtagsabgeordnete Martin Stümpfig (Grüne) sagt, mehrere Fliegen mit einer Klappe. „Er erzeugt grünen Strom, verdient Geld, schützt das Moor und damit das Klima und tut obendrein etwas für den Natur- und Artenschutz.“

    Diese Idee kennt auch sein Kollege Matthias Enghuber von der CSU. Als Stimmkreisabgeordneter für Neuburg-Schrobenhausen weiß er allerdings auch um die praktischen Probleme im Donaumoos. Widerstand beobachtet er nicht nur aus den Reihen der Landwirtschaft. Es gehe in dem Gebiet auch um Gewerbebetriebe, die Kartoffeln verarbeiten und etwa ein Drittel ihrer Rohstoffe direkt aus der Umgebung beziehen. Und es gehe um die gar nicht triviale Frage, wie die Gemeinden in der Region ihre künftige Entwicklung sehen. Auf wiedervernässten Mooren könne man nicht bauen.

    In zwei Punkten unterscheiden sich die Ansichten von CSU und Grünen

    Um Lösungen zu finden, brauche es mehr als den Zweckverband in seiner jetzigen Form, sagt Enghuber: Ein verbessertes Entwicklungskonzept, mehr fachliches Personal, mehr Beratung, mehr Ansprechpartner vor Ort, Verfahren für den Flächentausch und eine Organisation, in der Naturschützer, Landwirte und Kommunen eng zusammenarbeiten. „Die Landwirte brauchen Planbarkeit, sonst macht da keiner mit“, sagt Enghuber. Dazu müsse festgelegt werden, wo künftig noch Kartoffelanbau „möglich und sinnvoll“ sein kann und wo eine Wiedervernässung der Moore möglich ist.

    Der Klimaexperte der Grünen sieht das ähnlich. In zwei Punkten aber unterscheiden sich die beiden Parteien. Die CSU will, wie Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber betonte, an dem Grundsatz „Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht“ festhalten. Jeder Landwirt, der wolle, solle weiterhin entweder traditionell wirtschaften oder „Klimawirt“ werden können. Stümpfig sagt: „Ohne die Landwirte geht nichts, aber nur mit Freiwilligkeit wird es auch nicht gehen.“ Gewisse Regeln und Vorgaben, ähnlich wie bei einer Flurbereinigung, werde der Staat festlegen müssen. „Wir können nicht alle rauskaufen. So viel Geld hat Bayern nicht“, sagt Stümpfig.

    Wirklich schnell, so viel scheint nach Söders Ankündigung klar zu sein, wird es auch jetzt nicht gehen. Das Agrarministerium will bis 2023 ein Konzept erarbeiten.

    In seiner jüngsten Regierungserklärung hat Ministerpräsident Markus Söder sich eindeutig zum „vorsorgenden Klimaschutz“ bekannt. Bayern soll schon 2040, also fünf Jahre früher als Deutschland, klimaneutral werden. In einer Serie von Artikeln beleuchtet unsere Redaktion die wichtigsten Aspekte des Themas einzeln.

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