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Natur: Wie sich einst ausgestorbene Tiere wieder in Bayern verbreiten

Natur

Wie sich einst ausgestorbene Tiere wieder in Bayern verbreiten

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    Die Wildkatze streunt wieder durch Bayerns Wälder. Sie ist vor allem im Norden verbreitet.
    Die Wildkatze streunt wieder durch Bayerns Wälder. Sie ist vor allem im Norden verbreitet. Foto: Fredrik von Erichsen, dpa

    Der Erfolg hat ein Gesicht. Ein Gesicht mit langen, weißen Schnurrhaaren. Die Wildkatze, dereinst erbittert gejagt, lebt wieder in Bayerns Wäldern, schleicht auf samtigen Pfoten über weiche Mooskissen, streunt über taunasse Wiesen. Mitte des vergangenen Jahrhunderts war das noch anders. Das scheue Tier galt als ausgestorben.

    Lange Zeit hatte die Wildkatze ein Imageproblem. Sie würde dem Menschen Konkurrenz machen, ihm Hasen und Rehkitze wegschnappen, erzählte man sich damals. Der Mensch fing also an, ihr nachzustellen. „Die Wildkatze galt als unheilvoller Gast im Revier eines Jägers und als Schädling“, erklärt Sabine Jantschke, Wildkatzenexpertin beim Bund Naturschutz. „Dabei frisst sie zu 80 Prozent Mäuse, ganz selten mal einen Hasen.“

    Die ersten Auswilderungsversuche klappten nicht

    In den 80er-Jahren wurde auf Schloss Wiesenfelden in der Nähe von Straubing ein Zucht- und Wiederansiedlungsprojekt zur Rettung der Wildkatze gestartet. „Doch man hat schnell gesehen, dass es so nicht klappt“, sagt Jantschke. Mit „so“ meint sie: Die Jungtiere wurden in eine Kiste gesetzt, in den Wald gefahren und freigelassen. „Sie waren dabei aber so panisch, dass sie einfach aus den Transportboxen gerannt sind – möglicherweise gleich vor das nächste Auto.“ Deswegen wurde dann im Spessart gezüchtet, in einer Anlage mitten im Wald. Die Jungtiere kamen in ein Auswilderungsgehege – und irgendwann wurde einfach die Tür geöffnet.

    Das Projekt des Bund Naturschutz sei ein Erfolg gewesen, sagt Jantschke. „Wir wissen, dass noch heute viele Tiere von diesem Auswilderungsprojekt abstammen.“ Wildkatzen sind nun vor allem im Norden Bayerns zu Hause, etwa in der Rhön oder im Spessart. „In diesen Regionen gibt es mittlerweile eine hohe Dichte“, sagt Jantschke. Auch in den westlichen Wäldern bei Augsburg wurden die scheuen Katzen nachgewiesen.

    Zwei junge Bartgeier wurden in den Alpen ausgewildert

    Wie der Wildkatze erging es vielen Tieren. Sie wurden so lange gejagt, bis sie aus den Wäldern des Freistaats verschwunden waren. Dass es heute viele Arten wieder gibt, ist dem Engagement der Naturschützerinnen und Naturschützer zu verdanken. Durch aufwendige Hilfsprogramme und Wiederansiedlungen wurden die Tiere zurück gebracht. In ihre alte Heimat. Nach Bayern.

    Die Bartgeierweibchen "Wally" (l) und "Bavaria" (r).
    Die Bartgeierweibchen "Wally" (l) und "Bavaria" (r). Foto: Peter Kneffel,dpa

    Für den jungen Bartgeier, der seit einigen Wochen im Nationalpark Berchtesgaden lebt, gibt es deshalb wohl kaum einen besseren Namen als Bavaria. Gemeinsam mit Wally, dem anderen Jungvogel, hat er in den bayerischen Bergen ein neues Zuhause gefunden. Möglich wurde das im Rahmen eines Auswilderungsprojektes des Landesbundes für Vogelschutz (LBV). Einer, der von Anfang an dabei war, ist Projektleiter und Biologe Toni Wegscheider. „Den beiden geht es prächtig“, erzählt er. „Sie machen erste Flugübungen und werden immer fitter.“ Die Bartgeier sind jetzt etwa viereinhalb Monate alt. Seit Mitte Juni leben sie in ihrem neuen Heim, einer Felsnische im Gebirge. Die Tiere wurden von Nationalpark-Rangern hinaufgetragen und werden jetzt noch regelmäßig mit Futter versorgt. „Ansonsten lassen wir sie da oben sehr selbstständig sein“, sagt Wegscheider. Bevor die Vögel ausgewildert wurden, waren sie drei Monate lang bei ihren Eltern in einer spanischen Zuchtstation. Mittlerweile seien sie auf die Alpen geprägt, sie seien „waschechte Bayern“, sagt Wegscheider.

    1879 wurde der letzt Bartgeier in den Alpen geschossen

    Dass die Tiere nun wieder im Freistaat leben, sei etwas ganz Besonderes. „1879 wurde in Bayern der letzte Bartgeier geschossen. Und zwar in Ramsau, nur wenige Kilometer vom heutigen Aussiedlungsort entfernt“, sagt der Experte und fügt hinzu: „Hier schließt sich der Kreis. Wir Menschen machen unsere Schuld jetzt wieder ein Stück weit gut.“ Das Bartgeier-Projekt ist zunächst auf zehn Jahre angelegt. Jedes Jahr sollen zwei bis drei Vögel ausgewildert werden.

    Ein solches Projekt kann allerdings nicht einfach auf andere Tierarten umgemünzt werden. Der große Vorteil bei den Geiern sei, dass ihr Lebensraum – die wilde Alpenlandschaft – nach wie vor intakt sei, erklärt Norbert Schäffer, der Vorsitzende des LBV. Bei anderen Arten, vor allem bei den Wiesenbrütern, würde es allerdings nur wenig bringen, wenn man sie züchtet und dann einfach freilässt. „Ihr Lebensraum ist in den vergangenen Jahren zu sehr zerstört worden“, macht Schäffer deutlich.

    Die Uferschnepfe ist ein Sorgenkind

    Die Uferschnepfe ist eines der größten Sorgenkinder der Umweltschützerinnen und Umweltschützer. In Bayern gibt es derzeit gerade noch etwa ein Dutzend Brutpaare. „Ich rechne damit, dass die Uferschnepfe in fünf Jahren ausstirbt“, sagt der LBV-Vorsitzende. „Wir arbeiten zwar an der Lebensraumgestaltung, aber die Zeit wird knapp.“ Denkbar wäre, Gelege einzusammeln, die Tiere aufzuziehen und dann in einigen Jahren auszuwildern. „So reduzieren wir Verluste bei der Bebrütung und gewinnen ein bisschen Zeit, um etwas für den Lebensraum dieser Vögel zu tun.“

    Im Landkreis Augsburg wird derzeit ein Hilfsprojekt für eine andere Tierart, deren Bestand merklich zurückgegangen ist, auf die Beine gestellt. 4000 Bachforellen werden Mitte August bei Meitingen in die Freiheit entlassen. Rund 100 Gramm schwer und bereits zwischen 15 und 20 Zentimeter groß. Doch es ist kein normaler Besatz, den das Institut für Fischerei aus Starnberg in dem Mädelelech, einem künstlich angelegten Nebenfluss des Lechs, durchführt. „Diese Fische kommen quasi direkt aus der Schule“, sagt Gregor Schmidt, der das bundesweite Pilotprojekt mit seinem Team entwickelt hat.

    Eine Schule für Bachforellen

    Gerade einmal zwei Gramm haben die Bachforellen auf die Waage gebracht, als sie Teil des Experiments wurden, das den Bestand wieder stärken soll. „In eigens dafür angelegten Erdteichen mit einem Wasservolumen von 45 Kubikmetern haben wir die Fische trainiert, überlebenswichtige Verhaltensmuster zu erlernen“, erklärt Schmidt. Um die Forellen erst gar nicht an Menschen zu gewöhnen, wurde die Fütterung beispielsweise von einem Automaten übernommen. Weitere Strukturen wie ein Kiesboden oder Wurzelwerk sollen Versteckmöglichkeiten vor Fressfeinden bieten und so das Fluchtverhalten trainieren.

    Ob diese Bachforellen bessere Überlebenschancen haben, wird sich erst in einem Jahr zeigen. Schmidt hat jede einzelne Forelle mit einer kleinen Farbmarkierung in der Augenfalte versehen. Beide Gruppen, trainierte und untrainierte, finden im Mädelelech identische Bedingungen. Nach einem Jahr wird das Institut den kompletten Bestand kontrollieren. Überprüft werden dann Länge und Gewicht der Fische aus beiden unterschiedlich vorbereiteten Gruppen. „Hat sich das Training bewährt, wollen wir dieses Training auch den einzelnen Fischzuchtbetrieben näherbringen“, sagt Schmidt.

    Auch dieses Projekt zeigt: Die Ideen, wie man Tieren helfen kann, gehen wohl so schnell nicht aus.

    Mutige Macher, Menschen, die viel Zeit, Energie und Herzblut in aufwendige Projekte stecken, können die Welt verändern. Im Kleinen und im Großen. In unserer neuen Sommerserie „Ideen für ein besseres Bayern“ wollen wir solche Menschen und Projekte vorstellen.

    Wenn Sie sich für Meldungen aus Augsburg interessieren, hören Sie doch auch mal in unseren neuen News-Podcast rein: Der "Nachrichtenwecker" begleitet Sie von Montag bis Freitag ab 5 Uhr morgens in den Tag.

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