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Nachruf: Christine Kaufmann ist tot: Wofür wir die Schauspielerin geliebt haben

Nachruf

Christine Kaufmann ist tot: Wofür wir die Schauspielerin geliebt haben

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    Christine Kaufmann 1955 als Zehnjährige im Heimatfilm „Wenn die Alpenrosen blüh’n“ an der Seite von Marianne Hold und Claus Holm.
    Christine Kaufmann 1955 als Zehnjährige im Heimatfilm „Wenn die Alpenrosen blüh’n“ an der Seite von Marianne Hold und Claus Holm. Foto: United Archives, imago

    Es war einmal ein Mädchen mit einem süßen Gesicht. Mit einer ehrgeizigen Mutter, die erkannte, welches Potenzial in solch einem netten Kind steckte. Denn das nach dem Zweiten Weltkrieg wirtschaftlich wie seelisch kaputte Publikum rappelte sich auf, um das Land wieder aufzubauen, wollte aber im Kino weder auf die Heimatfilme noch auf goldige Bubis und Mädelchen verzichten.

    Kino-Erinnerungen sind gnadenlos. Es gibt Diven, die sich ihre alten Filme nicht mehr anschauen mögen und sich zurückziehen wie einst Greta Garbo. Christine Kaufmann hat sich nicht verkrochen. Das Altern hat der Schauspielerin auch nie wehgetan. Weil sie es nie zum Star großer melodramatischer Frauenrollen gebracht hat, die international das weibliche Publikum zu Tränen gerührt hätten. Da versteckt man sich nicht. Und doch spiegelten ihre Arbeit und ihr Leben viel vom Geist der Bundesrepublik.

    Der Kino-Erfolg „Rosen-Resli“ erfüllte dank Christine Kaufmann den Traum der Mutter, die offenbar wie die legendären Eiskunstlauf-Mamis agierte. Die Tochter, der Star. Ob als Kind im Ballett an der Bayerischen Staatsoper oder als Heranwachsende im Kintopp der Adenauer-Ära – egal.

    Christine Kaufmann ist tot: Management wählt rührende Worte zum Abschied

    Es folgte ein privates wie berufliches Auf und Ab, ein wahrlich bewegtes Leben, das in der Nacht zum Dienstag ziemlich überraschend nach 72 Jahren ein trauriges Ende fand. Christine Kaufmann hatte seit mehreren Tagen in einem Münchner Krankenhaus im künstlichen Koma gelegen. Zuvor hatten die Ärzte nach Medienberichten Blutkrebs diagnostiziert.

    Selten gibt es vom Management verstorbener Schauspieler so schöne und treffende Worte wie im Fall von Christine Kaufmann: „Ihre unzähligen Lebensweisheiten, ihre poetische Art und ihre grenzenlose Toleranz und Liebe für Menschen machen sie unvergessen. Sie liebte ihre Familie, war eine zuverlässige Freundin und verzauberte alle mit ihrem einzigartigen Charme, Humor und Lebensfreude.“

    Die Lebensfreude jedoch bestimmte nicht das Leben des Kindes. In den Wirtschaftswunderjahren hatte sie nur niedlich auszusehen, etwa als Zweitjüngste von Heinz Erhardt im Kinofilm „Witwer mit fünf Töchtern“. Mit dem onkelhaften Erhardt wanderte sie als Teenager 1960 in „Der letzte Fußgänger“ durch den Schwarzwald.

    Und dann ging es rasant voran. Die am 11. Januar 1945 in der Steiermark geborene Christine schaffte schnell den Absprung vom Kindchen-Schema. Vielleicht zu schnell für ihr Alter. Schon mit 16 räumte die in München aufgewachsene Jung-Schauspielerin in der Rolle eines Vergewaltigungsopfers einen Golden Globe für ihre Rolle im amerikanischen Film „Stadt ohne Mitleid“ ab. Was für ein Rollenwechsel: Christine Kaufmann, die nach den bereits bekannten „German Fräuleins“ nunmehr als „German Mädchen“ fungierte. Selbst Hollywood-Helden wie Kirk Douglas, ihr Partner in „Stadt ohne Mitleid“, waren von ihrer Professionalität fasziniert.

    Ehe von Christine Kaufmann und Tony Curtis endete unwürdig

    Es war aber ein anderer Traumfabrik-Star, der die junge Frau aus München begeisterte: Tony Curtis, ein Schauspieler, der seit seinen Kino-Erfolgen „Unternehmen Petticoat“ und „Manche mögen’s heiß“ vor Kraft kaum mehr gehen konnte. Bei den Dreharbeiten zu dem Monumentalschinken „Taras Bulba“ lernten sich die zwei kennen. Das muss man sich vorstellen: Einer der größten Hollywood-Stars jener Zeit schwänzelte um das Mädchen aus Deutschland herum.

    Ein Mädchen, 16 Jahre jung, warum sollte es sich nicht in einen 20 Jahre älteren Womanizer verlieben? Hochzeit 1963. Deutschland jubelte. Scheidung 1968. Deutschland trauerte. Zurück in Deutschland, hakte es mit der Karriere. Weil die Klatschzeitschriften hinter der Heimkehrerin her waren. Was damals bei den Filmgewaltigen nicht gut ankam.

    Nach allem, was die Promi-Literatur hergibt, wissen wir, dass die Ehe nicht gerade auf Rosen gebettet war. Es folgte ein unwürdiges Gezerre um die beiden gemeinsamen Töchter Alexandra und Allegra (heute 52 beziehungsweise 50 Jahre alt). Der 2010 verstorbene Tony Curtis ließ 1972 die Töchter von London nach Los Angeles entführen. Nach langen Kämpfen um das Sorgerecht kamen Alexandra und Allegra 1980 zur Mutter zurück. Und wurden später zusammen mit Mama in den angesagten Promi-Lokalen gesichtet.

    Christine Kaufmann 2016 in München. Sie ist im Alter von 72 Jahren an Leukämie gestorben. Das Leben der deutsch-österreichischen Schauspielerin in Bildern.
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    Christine Kaufmann ist in der Nacht zu Dienstag im Alter von 72 Jahren an Leukämie gestorben. Das Leben der Schauspielerin in Bildern.

    Zeitungen, die Christine Kaufmann in erster Linie als „schönste Großmutter Deutschlands“ betitelt hatten, wollten nicht wahrhaben, wozu die zierliche Frau fähig war. Trotz vieler Disco-Nächte in Münchens Szene strahlten ihre hellblauen Augen, ihre Gesichtshaut war zart, und wenn sie sprach, kam das immer in einem leicht melancholischen Klang rüber.

    Dass sie immer so wirkte, als müsse sie eine Last mit sich herumschleppen, hat auch mit ihrer Kindheit zu tun. Obwohl sie nicht ein Leben lang einen „Sissi-Rucksack“ mit sich herumtrug. Es reichte auch so: „Einerseits wurde ich gefeiert, andererseits kritisiert: Warum hast du heute Augenringe? Ich war sehr isoliert. Und die Verantwortung, als Neunjährige eine Familie erhalten zu müssen, war fast zu viel für ein Kind.“ Sagte Kaufmann einmal der Zeitschrift Woman.

    Schauspielerin Christine Kaufmann suchte den Anspruch

    Lange hat die Frau mit einer durchaus komplizierten Persönlichkeit den Anspruch gesucht, hat in Filmen des Exzentrikers Werner Schroeter („Der Tod der Maria Melabran“) und bei Rainer Werner Fassbinder mitgespielt („Lili Marleen“, „Lola“). Zur großen Kino-Nummer hat sie es dennoch nicht mehr gebracht.

    Aber da das Leben bekanntlich so vielfältig ist wie ein Bankkonto, tauchte Christine Kaufmann, die drei weitere Ehen überstanden hat, in den Jahren 1974 und 1999 nackt im Playboy auf. Von 1999 bis 2012 präsentierte sie eine eigene Kosmetik- und Wellness-Produktserie bei einem Teleshopping-Sender. Und schrieb Bücher über Schönheitspflege und Wellness.

    Der US-amerikanische Schauspieler Kirk Douglas posiert während seines Deutschland-Besuchs 1960 in München mit den Schauspielerinnen Christine Kaufmann (links) und Barbara Rütting.
    Der US-amerikanische Schauspieler Kirk Douglas posiert während seines Deutschland-Besuchs 1960 in München mit den Schauspielerinnen Christine Kaufmann (links) und Barbara Rütting. Foto: Georg Göbel, dpa

    Ein künstlerischer Abstieg oder so? Nicht ganz: Neben Auftritten in TV-Serien galt der Bühne ihre Liebe. 2005 gestaltete sie acht Wochen lang die Sprechrolle eines zynischen Engels im zweiten Ludwig-Musical in Füssen. Bis zuletzt war die Schauspielerin auf der Bühne zu sehen, auch wenn die Frankfurter Allgemeine ihr „eine leise, wenig tragfähige Stimme“ bescheinigt hatte. Was offenbar kein Problem war, als sie am Landestheater Linz vor zwei Jahren als kuriose Geisterbeschwörerin in „Funkelnde Geister“ auftrat.

    Wir behalten den Blick, der einen nicht loslässt. Und denken an ihre großartige, stille Olga in Helmut Dietls Fernsehserie „Monaco Franze“. An die Zahnspange, die hochgesteckten Haare, die an einer Kette hängende Brille. Und warten nur, genauso wie die Opern-Schickeria nach einer Aufführung von Richard Wagners „Walküre“, darauf, dass sie irgendwas Schlichtes sagt. Zurückhaltend, leise. Dafür haben wir sie geliebt.

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