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Nachruf: Bruno Merk: Der Geradlinige

Nachruf

Bruno Merk: Der Geradlinige

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    Bruno Merk und „sein“ Leipheimer Moos: Hier ist er oft spazieren gegangen. Das Foto entstand im August 2012.
    Bruno Merk und „sein“ Leipheimer Moos: Hier ist er oft spazieren gegangen. Das Foto entstand im August 2012. Foto: Bernhard Weizenegger

    Noch am Dienstag hat Bruno Merk eine E-Mail an seinen Freund Hans Berkmüller geschickt. Der 90-Jährige wollte sich mit seinem Helfer in Computerfragen verabreden. Den früheren bayerischen Innenminister plagte ein Problem: „Er konnte die Vorlage für seinen Briefkopf am

    Der 90-Jährige war bis zuletzt topfit. Täglich konnte man den Naturfreund bei Wanderungen in den Auwäldern und im Donaumoos bei Günzburg treffen. Mit dem früheren Bundesfinanzminister Theo Waigel stieg Merk noch im Frühjahr 2012 aufs Wertacher Hörnle.

    Viel Licht, aber auch ein langer Schatten bündeln sich im Leben des Politikers, der mit der Gebietsreform die Grundlage für ein modernes Bayern geschaffen hat. Es sind die 21 Stunden Terror bei den Olympischen Spielen 1972 in München, die Merk bis zuletzt geplagt haben. Acht

    Er ärgerte sich über Vorhaltungen des Versagens

    Merk wird als Leiter des Krisenstabs mitverantwortlich für das Scheitern gemacht. Im vergangenen Jahr, als sich das Attentat zum 40. Mal jährte, sagte Merk, er habe inzwischen seinen Frieden gefunden. Deutschland sei damals auf einen Terroranschlag nicht vorbereitet gewesen. „Es war kein absichtliches Versagen, sondern Unvermögen.“ Die Spezialeinheit GSG 9 sei erst nach dem Massaker gegründet worden, wiederholte Merk gebetsmühlenartig. Er hatte sich den Terroristen selbst als Geisel angeboten.

    Das Attentat ließ den Ex-Innenminister entgegen eigener Versicherungen dennoch nicht los. Bei der Gedenkfeier im vergangenen September in Fürstenfeldbruck stand Merk auf und ging, weil er sich über Vorhaltungen des Versagens geärgert hatte. Später sah er sich die Aufzeichnungen im Fernsehen an, um die Sache aufzuarbeiten, berichtet ein Freund.

    Von diesem Schatten abgesehen, ist die Lebensleistung des Günzburgers beachtlich. Wegbegleiter, bayerische Kabinettsmitglieder und sogar politische Gegner würdigten den Verstorbenen gestern als großen Politiker der Nachkriegsgeschichte in Bayern. Als Innenminister (1966 bis 1977) hat Merk die bayerischen Landkreise und Kommunen neu geordnet. 1972 wurden aus 143 Landkreisen schließlich 71, die Zahl der kreisfreien Städte schrumpfte von 48 auf 23. So etwas schafft nicht nur Freunde. „Berauben Sie mal die Hälfte der Landräte ihres Amtes“, sagte Merk im Rückblick.

    Und auch Bürgermeister verloren ihre Ämter. Denn nach der Gemeindereform, die 1978 vollendet wurde, blieben von ehemals 7025 selbstständigen Kommunen nur 2027 übrig. Die Verstaatlichung der Polizei und die Neuordnung des Rettungsdienstes fallen ebenfalls in die Amtszeit des Innenministers.

    Bruno Merk: Traumberuf Pfarrer vom Krieg verhindert

    Leicht war Merks Leben nie. Sein Vater starb früh, die Mutter brachte ihre Kinder irgendwie durch. Er wollte Pfarrer werden, der Krieg kam dazwischen. An der Front wurde der in Großkötz geborene Merk vier Mal verletzt, der linke Arm musste amputiert werden. Weil er sich die Arbeit als einarmiger Priester nicht vorstellen konnte, gab Merk den Traum auf und wurde Steuerbuchhalter bei der Stadt Günzburg. 1958 wählten ihn die Bürger in den Landtag. 1960 wurde Merk Günzburger Landrat, 1966 Innenminister. Sein großer Widersacher war Franz Josef Strauß. Als sich 1977 abzeichnete, dass Strauß Ministerpräsident werden würde, trat Merk als Innenminister zurück. „Mit Strauß wurde ich ein Nemo (Niemand) in der CSU“, sagte der promovierte Jurist einmal.

    „Geradlinig, unbestechlich, absolut verlässlich und vorbildlich“, so lobt Theo Waigel seinen einstigen Mentor. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sagt: „Bayern verneigt sich vor einem herausragenden Architekten des heutigen Freistaats und einem Mann mit Standpunkt, Herz und Standvermögen.“ Und auch Merks aktueller Nachfolger als Innenminister, Joachim Herrmann, würdigt Gründlichkeit, Ausdauer und Hartnäckigkeit Merks.

    2011: Kritik an Horst Seehofer und Austritt aus der CSU

    Für CSU-Politiker waren diese Charaktereigenschaften nicht immer leicht zu ertragen. Merk kritisierte offen den Führungsstil Seehofers, der dem Parteivorstand der Christsozialen seinen Willen diktiere. Im Herbst 2011 trat der Günzburger aus der CSU aus, unterstützte aber weiterhin den Ortsverband und die Seniorenunion der Partei.

    Merk war ein großer Mäzen. Er führte ein eher spartanisches Leben und unterstützte mit dem übrigen Geld die Bürgerstiftung des Landkreises und die Natur- und Kulturstiftung Schwäbisches Donaumoos mit Riesensummen. Er wolle sich nicht mehr in die Politik einmischen, sagte Merk immer wieder. Dies war natürlich ein Widerspruch. Das Wort des 90-Jährigen hatte bis zuletzt Gewicht. Wenn Friedberger, Krumbacher und Nördlinger bald wieder FDB-, KRU- und NÖ-Kennzeichen an die Autos schrauben, dann sei das „ein Schmarrn“. Merk dachte weiter, in die Zukunft. Angesichts steigender Anforderungen an die Verwaltung „werden wir zu größeren Landkreisen kommen müssen“. Aus dem Mund des Vaters der Gebietsreform klingt das wie ein Vermächtnis.

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