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Nach Verwandtenaffäre: Barbara Stamm will um Platz kämpfen

Nach Verwandtenaffäre

Barbara Stamm will um Platz kämpfen

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    Kämpft um ihren Platz: Die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm.
    Kämpft um ihren Platz: Die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Foto: Peter Kneffel dpa

    In unmittelbarer Nähe des Landtags in München gibt es ein Restaurant mit Bar, das spät nachts auf eine besondere Art von Stammkundschaft spezialisiert ist: CSU-Landtagsabgeordnete. An Sitzungstagen treffen sie sich dort, wenn es im politischen Tagesgeschäft mal wieder spät geworden ist, nach Abendterminen oder langen Sitzungen zu ein paar Gläsern Bier oder Wein. Sie kommen, um sich ihren Ärger von der Seele zu reden, oder einfach nur, um vor dem Zubettgehen noch ein bisschen zu quatschen – ohne Druck und ohne jedes Wort auf die Goldwaage legen zu müssen. Es ist dort, wie es halt so ist in einer Kneipe, wenn Arbeitskollegen, Bekannte oder Freunde sich treffen.

    Eine Besonderheit aber gibt es: Unumstrittener Mittelpunkt dieser nächtlichen Runde ist Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Sie kommt regelmäßig und schart – wenn dieser Ausdruck erlaubt ist – ihre Schäfchen um sich. Sie ist so etwas wie die Mutter der Kompanie. Sie hört zu, sie tröstet, sie gibt Ratschläge, sie kümmert sich. Ein großer Teil ihres Einflusses in der Landtags-CSU beruht darauf, dass sie sich kümmert.

    Eine CSU-Bezirksfürstin klassischer Prägung

    Unmittelbare Quelle ihrer Stellung in der Hierarchie der CSU freilich ist ihre Verwurzelung in Unterfranken. Unglaubliche 180000 Stimmen hat sie im Jahr 2008 in diesem Wahlbezirk geholt – trotz CSU-Krise und, wohlgemerkt, ohne eigenen Stimmkreis. Sie ist eine CSU-Bezirksfürstin klassischer Prägung.

    Und noch ein Drittes macht die Stärke der 68-jährigen Politikerin aus: Sie hat es in vielen Jahrzehnten geschafft, sich in ganz Bayern ein Image als das soziale Gewissen der CSU aufzubauen. Mögen sich andere als knallharte Machtpolitiker gerieren, sie will als die Frau für menschliches Miteinander wahrgenommen werden.

    Bis vor wenigen Monaten schien ihr eine weitere Amtszeit als Landtagspräsidentin nicht zu nehmen. Sie konnte sogar damit kokettieren, ob sie noch einmal antritt – in der Gewissheit, dass sie darum gebeten werden wird. Mit der Verwandtenaffäre hat sich das geändert. Stamm wird vor dem Ende ihrer außergewöhnlichen politischen Karriere heftig angefeindet. Sie wird noch einmal kämpfen müssen. Sie weiß es selbst und sagt: „Ich will kämpfen.“

    Es ist ein Kampf an drei Fronten. An der ersten Front sieht sie sich als oberste Chefin des Landtagsamts dem Rechnungshof gegenüber, der das Finanzgebaren der Abgeordneten nach den mittlerweile bekannt gewordenen Verfehlungen einzelner Parlamentarier ungleich schärfer unter die Lupe nahm als in der Vergangenheit. Eine zweite Front hat sich zwischen ihr und einer Reihe von Journalisten aufgebaut, die mit guten Gründen auf absolute Transparenz bei der Vergütung der Abgeordneten drängen. Die dritte und schwierigste Front aber hat Stamm in den eigenen Reihen. Viele CSU-Abgeordnete kreiden ihr an, dass sie ihre Rolle als Schutzpatronin aufgegeben und unter dem Druck einer empörten Öffentlichkeit mehrfach Namen genannt hat.

    Barbara Stamm wollte es allen recht machen

    In den verschiedenen Phasen der Affäre – von der Ehegattenbeschäftigung auf Staatskosten über die Altfall-Tricksereien bis hin zur 6000-Euro-Digitalkamera – hat die Präsidentin immer wieder versucht, es allen recht zu machen. Sie hat geschwiegen, um keinen ihrer Kollegen zu Unrecht in den Skandal hineinzuziehen. Damit setzte sie sich der Kritik aus, Verfehlungen vertuschen und Parteifreunde schützen zu wollen. Als das Schweigen angesichts neuer Enthüllungen nicht mehr durchzuhalten war, schwenkte sie um und outete alle Abgeordneten, die nahe Verwandte beschäftigten: erst die noch aktuellen Altfälle, dann alle Altfälle. Damit zog sie sich den Zorn derer zu, die sich keiner Schuld bewusst waren und deren rechtlich nicht angreifbares Verhalten erst durch die offenkundige Raffgier einzelner Kollegen moralisch in Zweifel gezogen wurde. Stamm verteidigt sich. „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass der Weg, den ich eingeschlagen habe, in der Gesamtverantwortung der richtige ist“, sagt sie.

    Mit der Prüfung des Landtagsamtes durch den Bayerischen Obersten Rechnungshof hat sich die Affäre noch einmal ausgeweitet. Seit der Kauf der sündteuren Digitalkamera durch CSU-Fraktionsvize Alexander König bekannt wurde, stehen nicht mehr nur die Abgeordneten im Feuer, die sich in der Vergangenheit Regeln gegeben hatten, die einem Missbrauch Tür und Tor öffneten. Jetzt muss sich auch das Landtagsamt rechtfertigen, das diese Regeln zu vollziehen hatte.

    Wieder steht Stamm unter Druck. Wieder wird sie bedrängt, die Namen aller Abgeordneten zu nennen, die dem Rechnungshof Anlass gaben, die gängige Praxis in Frage zu stellen. Dieses Mal aber widersetzt sich die Präsidentin, obwohl ihr die Liste längst vorliegt. Es gebe, so beteuert sie, „keinen einzigen weiteren Fall“, der mit dem Kauf der Digitalkamera vergleichbar sei. „Es ist völlig falsch zu meinen, dass ich hier jemanden decke“, sagt sie und fügt hinzu: „Ein solcher Fall ist zweifellos ein Fall zu viel. Aber deswegen kann ich doch nicht ein ganzes Parlament in Misskredit bringen.“ Außerdem müsse man dem Landtagsamt jetzt die Zeit geben, zu der Prüfung im Detail Stellung zu nehmen. „Das habe ich so entschieden und dazu stehe ich.“

    Nach der Wahl wird es auch um sie persönlich gehen

    Nebenbei geht es dabei auch um die Frage, was am Ende billiger kommt: den Abgeordneten für Sach- und Technikkosten Pauschalen zu geben oder alles einer Behörde zu übertragen. Der Bundestag habe allein dafür 130 Planstellen. „Noch im Jahr 2002 hat uns der ORH dafür gelobt, dass wir es nicht so machen, weil das zu bürokratisch und zu teuer ist“, sagt Stamm.

    Am Ende aber wird es, wenn der neue Landtag gewählt ist, auch um sie persönlich gehen. Längst kursieren in der CSU Namen, wer sie ablösen könnte: Reinhold Bocklet, ihr Vize, oder Ex-CSU-Chef Erwin Huber oder Ex-Minister Thomas Goppel? Stamm will nicht einfach aufgeben. Und einen Vorschlag, wie das Parlament Vertrauen zurückgewinnen könnte, hat sie auch: „Ich kann dem neuen Landtag nur raten, die Weichen gleich am Anfang so klar und eindeutig zu stellen, dass er bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr mit solchen Dingen konfrontiert wird.“

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