Wer in Bayern von Schnappschildkröten hört, denkt unweigerlich an Lotti im schwäbischen Irsee. Nach der angeblichen Alligator-Schildkröte wurde im vergangenen Jahr im Allgäu wochenlang gefahndet - bis heute vergebens. In diesem Sommer scheint sich die Geschichte zu wiederholen, nur diesmal im fränkischen Erlangen. Anfang Juli will ein junges Pärchen - Reptilienliebhaber - ein großes Exemplar der bissigen Tiere gesehen haben.
Stadt und Landratsamt warnen an dem Karpfenteich mit Schildern vor dem gepanzerten Beißer, nun werden gar Fallen aufgestellt. Das Tier trägt mittlerweile den Spitznamen Suarez - nach dem uruguayischen Fußballspieler, der mit einer Beißattacke im WM-Spiel gegen Italien für Aufregung sorgte. Selten sind Schnappschildkröten in Deutschland nicht gerade - obwohl ihre Haltung verboten ist. Ein Problem sind sie nicht nur für Badegäste und einheimische Tiere.
Gibt es die Schnappschildkröte in Erlangen wirklich?
"Wir wissen nicht, ob es die Schnappschildkröte tatsächlich gibt", sagt die Sprecherin des Landratsamtes Erlangen-Höchstadt, Hannah Reuter. "Es gibt keine Beweisfotos." Das Pärchen, das das Tier am Abend des 6. Juli beim Sonnen beobachtet haben will, hatte kein Foto-Handy dabei. Als Polizeibeamte kamen, war kein Tier mehr da - im Wasser verschwunden. Seitdem wurde es nicht mehr gesehen.
Die Wahrscheinlichkeit sei zwar gering, dass hier tatsächlich eine Schnappschildkröte ihr Unwesen treibe, sagt Reuter. "Wir wollen aber lieber sicher gehen, bevor etwas passiert wie in Irsee." Ein achtjähriger Junge wurde damals am Fuß verletzt, seine Achillessehne durchtrennt. Experten sagten, dass es sich um den Biss einer Alligator-Schildkröte handeln könnte.
Schnappschildkröten sind seit etwa zehn Jahren in Deutschland ein Problem. Seitdem braucht man als Privatmann eine spezielle Erlaubnis, um die Tiere zu halten. Der Handel ist schon länger verboten. "Nachdem man die Tiere nicht mehr halten durfte, wollten viele sie abgeben", erzählt Uwe Ringelhan, Geschäftsführer der Reptilienauffangstation für Nordrhein-Westfalen, Hessen und Thüringen in Rheinberg. "Manche hätten etwa ihren Gartenteich speziell sichern müssen. Da haben viele Leute sie in die Natur entlassen."
In Seen in NRW wurden schon 20 Schildkröten herausgeholt
In seiner Station leben etwa 80 Tiere. Jedes Jahr würden in den drei Ländern rund 20 Exemplare eingefangen - "diese Zahl ist in den vergangenen Jahren etwa gleichgeblieben". Allein aus einem Seengebiet in NRW seien schon 20 Schildkröten herausgeholt worden. Auch aus der Spree in Brandenburg wurde kürzlich ein Exemplar gefischt. Seit vergangenem Jahr würden vermehrt auch Jungtiere eingesammelt. "Das ist ein Riesenproblem, denn das weist darauf hin, dass die sich fortpflanzen." Die warmen Sommer böten optimale Bedingungen.
Die aus Nordamerika stammenden Schnappschildkröten findet man inzwischen an allen möglichen deutschen Seen, in Feucht- und Naturschutzgebieten. Vor allem während der Brutzeit im Sommer wanderten die Tiere herum und würden häufig gesehen. Feuerwehr und Tierheime bringen sie oft in die Auffangstation, wenn sie in städtischen Gewässern gefunden werden, etwa beim Ablassen von Löschteichen.
Eine Schnappschildkröte kann bis zu 30 Kilogramm wiegen
Der Panzer der Schildkröten kann bis zu einem halben Meter lang werden, der Schwanz noch einmal so lang. Die Tiere wiegen bis zu 30 Kilogramm. Ihr Kiefer ist extrem stark. "Die beißen einen Besenstil durch", sagt Ringelhan. Sandra Altherr vom Tierschutzverein Pro Wildlife ergänzt: "Die können problemlos einen Finger von einem Erwachsenen abtrennen." Sie werden daher als "Gefahr-Tier" eingestuft. "Die fressen alles, was sich bewegt", sagt Ringelhan, etwa Molche, Fische oder kleine Echsen. "Daher sind sie auch ein Problem für einheimische Tiere."
Trotz des Verbots komme man recht leicht an eine Schnappschildkröte. Wenige Zentimeter große Jungtiere der "Chelydra serpentina" werden im Internet angeboten. Auch auf größeren Tierbörsen verkaufen internationale Händler die Schildkröten. "Wenn die Behörden da nicht genau ein Auge darauf haben, gehen die ihnen durch die Lappen", sagt Altherr. Oder die Reptilien würden gleich unter der Hand verkauft.
"Das große Problem ist, dass die sehr, sehr aggressiv im Verhalten sind", sagt Altherr. "Außerdem brauche ich ein riesiges Aqua-Terrarium für sie. Die Unterhaltskosten sind sehr hoch." Viele unterschätzten das und wollten die Tiere später wieder loswerden. "Exotische Tiere werden regelmäßig ausgesetzt, wenn sie groß, gefährlich und unangenehm werden. Und dann landen die am Badesee."
Mit einer extra gebauten Konstruktion soll die Schildkröte Suarez in Erlangen nun in die Falle gehen. Ob das klappt, ist jedoch fraglich. Das Nahrungsangebot an dem Teich ist schließlich vorzüglich. "Ich würde an ihrer Stelle auch lieber einen lebenden Karpfen essen als ein totes Hühnchen", scherzt Uwe Ringelhan. Er rät der Stadt daher, erst einmal einen Experten auf die Lauer zu schicken, der beweist, dass die Schnappschildkröte tatsächlich da ist. dpa/lby/AZ