Es ist ein beschauliches Örtchen, dieses Fuchstal. Manch einer würde gar sagen, es ist ein stilles Örtchen. Normalerweise. Doch vor einigen Tagen war es mit der Ruhe vorbei. Da rumorte es plötzlich in der Magengegend der 3500-Einwohner-Gemeinde, also im Rathaus. Nach einem Bericht unserer Redaktion standen Fernsehteams Schlange, Journalisten verstopften die Telefonleitung von Bürgermeister Erwin Karg und der musste ein ums andere Mal ein und dieselbe Geschichte erzählen, als leide er unter Logorrhoe.
Weltweit berichteten Medien über Fuchstal und „diese sch*** Geschichte“, wie Bürgermeister Karg sie nennt. „Das war der Wahnsinn, was das für eine Welle gemacht hat“, sagt Karg und erzählt von Zeitungsberichten aus Argentinien, China und Kalifornien, die ihm zugetragen wurden. Er schüttelt den Kopf: „Dabei ist doch eigentlich gar nichts passiert.“
Genau genommen hat er damit recht. Tatsächlich ist in Fuchstal zuletzt nicht viel Aufregendes passiert. Mit einer Ausnahme: Die Gemeindeverwaltung hat Klopapier bestellt. Klingt lapidar, ist aber in der Tat bemerkenswert, denn das hatte sie zuvor sage und schreibe zwölf Jahre lang nicht mehr getan. Damals, im Jahr 2006, hatte ein Rathausmitarbeiter versehentlich „ein bisschen mehr als sonst üblich“ bestellt, wie Bürgermeister Karg mit einem süffisanten Unterton erzählt.
Fuchstaler waren nicht erfreut über das Klopapier
Was genau passiert ist, weiß der 54-Jährige nicht so genau. Nur, dass eines Tages ein Sattelschlepper randvoll mit Toilettenpapier im Wert von 6500 Euro auf den Bauhof rangierte und mit dem Gabelstapler Palette für Palette, Packung für Packung, Rolle für Rolle abgeladen wurden. Die Bauhofmitarbeiter merkten schnell, dass irgendetwas an der Sache stinkt – und schritten ein. Ein zweiter Sattelschlepper wurde gerade noch rechtzeitig abbestellt und das bereits gelieferte Toilettenpapier eifrig in allen freien Ecken verstaut. „Die haben das erst mal vor mir vertuscht und erst später gebeichtet“, erinnert sich Karg. Irgendwann sei es dann aber offensichtlich gewesen: „Egal, welche Tür du aufgemacht hast, die Rollen standen überall.“
Zwar gingen in den kommunalen Toiletten seither nie wieder die Klorollen aus, doch so richtig glücklich waren die Bürger darüber nicht. „Es wollte kaum mehr einer bei uns aufs Klo gehen, weil ihnen das graue, einlagige Papier zu rau war. An der Schule haben Lehrer zum Teil ihr eigenes Papier mitgebracht“, sagt Karg. Einige hundert Euro dürfte sich die Gemeinde dadurch gespart haben, rechnet er lachend vor. Zudem sei kurz nach der Fehlbestellung der Holzpreis explodiert und Klopapier teurer geworden: „Im Nachhinein war das eine gute Geldanlage.“
Witze rund um kleine und große, kurze und endlos lange Geschäfte hätten seither in Fuchstal auf der Tagesordnung gestanden. „Für uns war das ein Running Gag“, erklärt der Bürgermeister. Einmal habe er Teilnehmern an einem Vereinsquiz ein paar Klorollen als Trostpreis versprochen. „Kam nicht so gut an“, erinnert er sich schmunzelnd. Er selbst habe mit dem wenig komfortablen WC-Papier keinerlei Probleme gehabt: „Ich bin auf einer Landwirtschaft aufgewachsen, bis zu meinem sechsten Lebensjahr hatten wir auf dem Hof ein Plumpsklo. Neben dem lagen alte Zeitungen – und die waren nicht zum lesen.“
Bürgermeister wundert sich über den Trubel
Es sind vermutlich Sprüche wie diese, die dem Fuchstaler Bürgermeister und seiner „sch*** Geschichte“ noch etwas mehr mediale Aufmerksamkeit bescherten als ihm selbst lieb gewesen wäre. Doch Karg nimmt es mit Humor, gibt geduldig und mit allerlei Anekdoten verziert Auskunft und wundert sich dennoch über all den Trubel.
Fuchstal sei mit seinen vier Windrädern, einer PV-Anlage und einer Beteiligung an einem Wasserwerk energetisch autark. Künftig werde die Gemeinde überschüssige Energie in Warmwasser und einer Batterie speichern – als eine von bundesweit nur 38 Kommunen bekomme die oberbayerische Gemeinde dafür 3,8 Millionen Euro aus einem Förderprogramm des Bundes. „Das alles interessiert niemanden. Aber wenn man einmal zu viel Klopapier bestellt, reden die Leute sogar in Argentinien darüber“, sagt Karg – halb ernst, halb amüsiert. Er freue sich daher schon, wenn es in seinem Örtchen bald wieder etwas stiller werde. Und die Bürger freuen sich über die Lieferung des neuen Toilettenpapiers. Statt grau und rau ist dieses nämlich jetzt weiß und weich.