Eine Aussteigerin hat als Zeugin beim NSU-Prozess in München Einblicke in die Neonaziszene Ende der 1990er Jahre in Jena gewährt. Vor Gericht sagte die Aussteigerin am Donnerstag, dass die drei späteren mutmaßlichen Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach ihrem Abtauchen in den Untergrund im Jahr 1998 "wie Helden verehrt worden" seien.
Zeugin im NSU-Prozess: Für Trio sollte Ausreise organisiert werden
Dass sie die Urheber zweier Bombenattrappen gewesen seien, sei in der Szene bekannt gewesen. Drei Jahre später begann die überwiegend rassistisch motivierte Mordserie, für die sich Beate Zschäpe in dem Münchner Prozess verantworten muss. Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt sind tot.
Das ist Beate Zschäpe
Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Dem Hauptschulabschluss folgte eine Ausbildung als Gärtnerin.
Von Mitte 1992 bis Herbst 1997 ging Beate Zschäpe einer Arbeit nach, zweimal unterbrochen von Arbeitslosigkeit. So steht es in einem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für die Thüringer Landesregierung. «Ihre Hauptbezugsperson in der Familie war die Großmutter», heißt es weiter.
Mit dem Gesetz kam Zschäpe erstmals als 17-Jährige in Konflikt. Der Schäfer-Bericht vermerkt 1992 mehrere Ladendiebstähle. 1995 wurde sie vom Amtsgericht Jena wegen «Diebstahls geringwertiger Sachen» zu einer Geldstrafe verurteilt.
Zu der Zeit war sie aber häufiger Gast im Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla, bald an der Seite des Rechtsextremen Mundlos. Über das ungewöhnliche Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt ist viel spekuliert worden.
Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beteiligten sich zu der Zeit an Neonazi-Aufmärschen im ganzen Land.
Im Alter von 23 Jahren verschwand die junge Frau mit den beiden Männern aus Jena von der Bildfläche. Zuvor hatte die Polizei ihre Bombenbauerwerkstatt in der Thüringer Universitätsstadt entdeckt.
Danach agierte Zschäpe mit einer Handvoll Aliasnamen: Sie nannte sich unter anderem Silvia, Lisa Pohl, Mandy S. oder Susann D. Zeugen beschrieben sie als freundlich, kontaktfreudig und kinderlieb. Bei Diskussionen in der Szene soll sie jedoch die radikaleren Positionen ihrer beiden Kumpane unterstützt haben.
Nach der Explosion in Zwickau am 4. November 2011 war Zschäpe mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland unterwegs. Sie verschickte auch die NSU-Videos mit dem menschenverachtenden Paulchen-Panther-Bildern. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena.
Im Prozess schwieg Zschäpe lange Zeit. An Verhandlungstag 211, im Juni 2015, antwortete sie dem Richter ein erstes Mal, und zwar auf die Frage, ob sie überhaupt bei der Sache sei.
Zu den Vorwürfen äußerte sich Zschäpe erstmal im September 2015. Ihr Verteidiger las das 53-seitige Dokument vor, in dem Zschäpe ihre Beteiligung an den Morden und ihre Mitgliedschaft im NSU bestritt. Lediglich die Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios gestand sie.
Ein psychologisches Gutachten aus dem Januar 2017 beschreibt Zschäpe als "voll schuldfähig".
Im NSU-Prozess nannte die Zeugin als prägende Figuren den wegen Beihilfe angeklagten Ralf Wohlleben und den damaligen Anführer der Kameradschaft Jena, André K.. Vor allem bei K. habe sie "gespürt, dass er sich für das Trio verantwortlich fühlte". Sie habe auch mitbekommen, dass K. darüber sprach, für die drei eine Ausreise nach Südafrika zu organisieren.
Beate Zschäpe und Co. tauchten ab
Das Münchner Oberlandesgericht wollte im NSU-Prozess am Nachmittag einen weiteren Zeugen aus der damaligen Szene in Chemnitz befragen, wo das Trio nach dem Abtauchen Zuflucht fand. Außerdem erwartet der Münchner Senat mehrere Beweisanträge der Familie des Kasseler Mordopfers Halit Yozgat, die an dem Prozess auf der Nebenklägerseite teilnimmt. dpa/AZ