Schon der Auftakt am Dienstagmorgen ist nicht nach dem Geschmack von Beate Zschäpe. Das Oberlandesgericht (OLG) München hat vor Beginn des NSU-Prozesstages wieder Fotografen zugelassen. Die nehmen auf, wie sich Zschäpe den Weg zwischen den Reihen der Anklagebank zu ihrem neuen Verteidiger Mathias Grasel bahnt und dabei wie üblich ihre drei anderen Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm ignoriert. Die hatten sie bisher immer vor den Objektiven der Kameras abgeschirmt. Grasel steht einfach nur neben ihr, als sie den Bildjournalisten den Rücken zuwendet.
Von der Redseligkeit und Euphorie, die sie noch vor einer Woche versprühte, ist auch anschließend nur wenig zu sehen. Es folgt ein langer und streckenweise anstrengender Prozesstag. Er betrifft auch Zschäpes Rolle als mutmaßliche Mittäterin des NSU, als die die Bundesanwaltschaft sie angeklagt hat. Zschäpe muss sich für die zehn Morde der rechtsextremen Terroristen verantworten.
Die Mitarbeiterin einer Zwickauer Autovermietung sagt als Zeugin, nur wenige Tage vor dem Auffliegen des NSU-Trios im November 2011 habe ein "Pärchen" bei ihr ein Wohnmobil gemietet. Auf Fotos will sie Zschäpe und Uwe Böhnhardt erkennen. Verteidiger Grasel fragt, wer von den beiden die Miete für das Fahrzeug bezahlt habe. Es sei der Mann gewesen, erinnert sich die Zeugin.
Meist nicht Grasel, der eingreift
Es ist dann aber Rechtsanwalt Stahl, einer der drei bisherigen Zschäpe-Verteidiger, der die Schlussfolgerung daraus formuliert. Wenn der Mann gezahlt habe und nicht die Frau, dann widerspreche das Zschäpes Rolle als "Kassenwart" des NSU. Außerdem habe die Zeugin die Frau in einem Auto wegfahren sehen. Bei Zschäpe sei aber fraglich, "ob sie überhaupt in der Lage ist, ein Auto zu lenken". Einen Führerschein besitzt sie nicht.
Es ist auch nicht Grasel, der eingreift, als die Verteidigung sich an vermeintlich ausufernden Fragen der Bundesanwaltschaft stört, sondern ausgerechnet Anja Sturm - also die Anwältin, deren Abberufung Zschäpe vor wenigen Wochen verlangt hatte.
Dazu passt, was an Gerangel zur Berufung des vierten Zschäpe-Verteidigers hinter den Kulissen bekanntwird. Wenige Tage vorher hatte Anwalt Heer den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl angerufen und "im Namen seiner Mandantin" gebeten, Grasels Bestellung noch einige Tage aufzuschieben. Götzl notierte in einem Vermerk, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt: "Frau Zschäpe wolle zur Frage der Beiordnung eines weiteren Pflichtverteidigers noch einmal rechtliches Gehör."
Grasel und Zschäpe nach seinem ersten NSU-Prozesstag erschöpft
Grasel selber hatte Götzl freilich ebenfalls angerufen und etwas anderes mitgeteilt. Er habe Zschäpe in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim besucht, und sie habe ihm mitgeteilt, "sie wäre mit seiner Beiordnung als Pflichtverteidiger einverstanden". Auch das notierte Götzl in einem Vermerk. Einen Antrag auf einen neuen Anwalt hatte Zschäpe tatsächlich selber nie gestellt. Das Gericht hatte Grasel am Ende auf eigene Initiative engagiert.
Als Grasels erster NSU-Prozesstag am Dienstagnachmittag zu Ende geht, da wirken er und Zschäpe erschöpft. Zschäpe sitzt reglos und mit verschränkten Armen auf ihrem Stuhl. Ihr Blick ist ernst, vielleicht sogar mürrisch. Der Zauber des Neuen scheint schnell verflogen zu sein. Von Christoph Lemmer, dpa/lby