Im NSU-Prozess hat am Dienstag der Geschäftspartner des ermordeten Griechen Theodoros Boulgarides ausgesagt. Der 46-Jährige habe sich von der Polizei "schikaniert" gefühlt, gab er vor dem Oberlandesgericht an. "Immer dasselbe, das drehte sich im Kreis. Ob mein Kollege sexsüchtig oder spielsüchtig ist", sagte der 46-Jährige.
Ermittler suchten vor allem nach kriminellen Verstrickungen der Opfer
Boulgarides war zwei Wochen nachdem er und sein Geschäftspartner in München zusammen einen Schlüsseldienst eröffnet hatten von den Neonazi-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen worden.
Opfervertreter hatten wiederholt kritisiert, dass die Ermittlungsbehörden zwar intensiv nach kriminellen Verstrickungen der NSU-Opfer suchten, die Möglichkeit eines fremdenfeindlichen Motivs hingegen kaum in Betracht zogen.
"Nicht nur der Zeuge ist schikaniert worden, sondern auch die Familie selbst", sagte Opferanwältin Angelika Lex. Sie vertritt die Witwe des Ermordeten. "Natürlich muss das Umfeld ermittelt werden, aber hier ist das in einem Maß geschehen, das nicht zu rechtfertigen ist."
Verdeckte Ermittler befragten als Journalisten getarnt die Familie
So hätten verdeckte Ermittler, die als Journalisten getarnt waren, die Familie befragt. "Man muss sehen, welche Folgen das für eine Familie hat, die kriminalisiert wird. Was das für eine soziale Ausgrenzung zur Folge hat."
Boulgarides' Witwe und seine beiden Töchter waren am Dienstag als Nebenkläger im Gericht. Sie verließen jedoch den Saal, als Fotos des Ermordeten gezeigt worden. Boulgarides war als einziges NSU-Opfer griechischer Staatsbürger. Er sei aber oft für einen Türken gehalten worden, berichtete sein Kollege.
Die anderen Opfer der "Ceska-Morde" waren Türken oder türkischer Abstammung. Insgesamt erschossen die Neonazi-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Menschen mit der Pistole des tschechischen Fabrikats "Ceska". Beate Zschäpe ist als Mittäterin an sämtlichen Attentaten des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) angeklagt.
Terror-Trio sammelte Zeitungsartikel über Anschläge
Am Vormittag hatte ein Brandsachverständiger weitere Fotos von Beweismitteln aus der letzten Wohnung des Neonazi-Trios gezeigt. Laut Anklage zündete Beate Zschäpe die Wohnung an, nachdem sich ihre beiden Komplizen getötet hatten. Im Schutt fanden die Ermittler unter anderem das Zeitungsarchiv der Terroristen: In Plastikhüllen hatten sie Artikel über ihre Anschläge gesammelt, unter anderem von den Morden und von dem Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße.
Da einige der Ausschnitte aus Regionalzeitungen stammen, vermuten Nebenklagevertreter, dass Unterstützer vor Ort die Artikel sammelten. Auf zwei Artikeln fanden die Ermittler Fingerabdrücke Zschäpes - aus Sicht der Bundesanwaltschaft spricht dies dafür, dass sie sich an der Dokumentation der Anschläge beteiligte, was ein Beleg für ihre Mittäterschaft sein könnte. (dpa/AZ)