Eine Kölnerin will den mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt kurz vor dem Kölner Nagelbombenanschlag im Juni 2004 erkannt haben. Die 63 Jahre alte Frau sei ihm auf einem Trampelpfad auf einem Brachgelände in der Nähe der Keupstraße begegnet, sagte sie am Dienstag als Zeugin im NSU-Prozess.
Auffällige Kofferbox auf dem Fahrrad-Gepäckträger?
Der Mann sei ihr sehr aufgefallen, weil er das Fahrrad so behutsam geschoben hat. Außerdem habe sie auf dem Gepäckträger eine auffallend große Kofferbox gesehen, die eher zu einem Motorrad gepasst habe. Die Beschreibung passt zu dem Fahrrad, auf dem der Sprengsatz montiert war und das vor der Explosion vor dem Geschäft eines Friseurs an der Keupstraße abgestellt wurde.
NSU-Prozess: Zeugin erinnert sich an Uwe Bönhardt durch Fotos im Fernsehen
Was nach dem NSU-Desaster geschah
Nach dem Auffliegen der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) im November 2011 begann in Deutschland eine mühsame politische Aufarbeitung der Geschehnisse. Nach und nach kamen Detail s zu den Verbrechen ans Licht - und die haarsträubenden Pannen bei der Aufklärung.
13. November 2011: Der Bundesgerichtshof erlässt Haftbefehl gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe.
16. Dezember 2011: Als Folge der Ermittlungspannen im Fall NSU wird das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus eröffnet. Dort sollen sich die Sicherheitsbehörden ständig über Gefahren aus der rechten Szene austauschen.
27. Januar 2012: Im Bundestag nimmt ein Untersuchungsausschuss zum Fall NSU seine Arbeit auf.
16. Februar 2012: Auch im Landtag von Erfurt startet ein Untersuchungsausschuss, weil das NSU-Trio aus Thüringen stammte.
17. April 2012: Ein Untersuchungsausschuss im Dresdner Landtag macht sich an die Aufarbeitung - in Sachsen war das Trio jahrelang untergetaucht.
2. Juli 2012: Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, bittet nach den Pannen bei der Aufklärung der NSU-Morde um seine Entlassung.
3. Juli 2012: Auch Thüringens Verfassungsschutz-Präsident Thomas Sippel muss sein Amt aufgeben.
5. Juli 2012: Ein weiterer Untersuchungsausschuss geht im Landtag in München an die Arbeit - in Bayern hatten die NSU-Terroristen die meisten Morde begangen.
11. Juli 2012: Sachsens Verfassungsschutz-Präsident Reinhard Boos tritt zurück.
13. September 2012: Die Pannen rund um die NSU-Morde zwingen auch Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz-Chef Volker Limburg aus dem Amt.
19. September 2012: Eine neue Neonazi-Datei geht in Betrieb. Die Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern sammeln darin Informationen über gewaltbereite Rechtsextremisten und deren Hintermänner.
8. November 2012: Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Zschäpe.
14. November 2012: Berlins Verfassungsschutz-Chefin Claudia Schmid tritt von ihrem Posten zurück.
7. Dezember 2012: Die Innenminister von Bund und Ländern einigen sich auf Reformen beim Verfassungsschutz: Dazu gehören eine zentrale Datei für Informanten des Inlands-Geheimdienstes und einheitliche Kriterien zur Führung dieser V-Leute. Der Informationsaustausch der Ämter in Bund und Ländern soll besser werden.
14. Dezember 2012: Der Schock über die NSU-Verbrechen hat die Debatte über ein NPD-Verbot neu entfacht. Die Länder preschen vor und beschließen im Bundesrat, vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei einzuleiten.
20. März 2013: Das Bundeskabinett entscheidet sich dagegen, einen eigenen Verbotsantrag gegen die NPD zu stellen.
März 2013: Das Oberlandesgericht München steht wenige Wochen vor Prozessbeginn in der Kritik: Das Gericht hatte die Presseplätze nach dem Windhund-Prinzip vergeben. Alle türkischen und griechischen Medien gingen leer aus.
4. April 2013: Eklat um den NSU-Prozess: Die türkische Zeitung "Sabah" reicht eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.
13. April 2013: Die Verfassungsschützer ordnen an, mindestens drei weitere Plätze für ausländische Medien zu schaffen. Das OLG verschiebt den Prozess daraufhin auf den 6. Mai - die Plätze werden im Losverfahren neu vergeben.
Im NSU-Prozess sagt die Kölnerin, dass der Mann schlank und sportlich gewesen sei und eine Radlerhose und ein T-Shirt getragen habe. Sie habe ihm für einen Moment auch ins Gesicht gesehen, sagte die Frau. Als nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 Bilder von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Fernsehen gezeigt wurden, habe das Foto von Böhnhardt bei ihr eine "wirklich heftige emotionale Reaktion" hervorgerufen.
Das Gericht wollte am Dienstag weitere Zeugen und Opfer des Nagelbombenanschlags befragen. Die Bundesanwaltschaft wirft der Hauptangeklagten Beate Zschäpe neben dem Nagelbombenanschlag zehn überwiegend rassistisch motivierte Morde vor. dpa/lby