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NSU-Prozess: Erschreckende Bilder - und Beate Zschäpe sieht weg

NSU-Prozess

Erschreckende Bilder - und Beate Zschäpe sieht weg

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    Erschreckende Bilder - und Beate Zschäpe sieht weg
    Erschreckende Bilder - und Beate Zschäpe sieht weg

    Am 9. September 2000 erschossen Uwe Mundlos und

    Die Bilder vom Tatort, die ein Beamter zeigte, sehen auf den ersten Blick fast idyllisch aus: Ein sonniger Herbsttag, der Blumenstand am Straßenrand, Blumenkübel unter einem bunten Sonnenschirm, dahinter der weiße Mercedes-Transporter mit der roten Aufschrift "Simsek Blumen".

    NSU-Prozess: Fotos lassen Horror erahnen

    Die Angeklagten im NSU-Prozess

    Das sind die Beschuldigten im Münchner NSU-Prozess:

    Beate Zschäpe: Sie tauchte 1998 gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt unter, um einer drohenden Festnahme zu entgehen. Die drei Neonazis aus dem thüringischen Jena gründeten eine Terrorgruppe und nannten sich spätestens ab 2001 Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).

    Ralf Wohlleben: Der ehemalige Thüringer NPD-Funktionär mit Kontakten zur militanten Kameradschaftsszene soll Waffen für das Trio organisiert haben. Der 40-Jährige wurde am 29. November 2011 verhaftet. Nach Ansicht der Ermittler wusste er von den Verbrechen - er ist wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.

    Carsten S.: Der 35-Jährige hat gestanden, den Untergetauchten eine Pistole mit Schalldämpfer geliefert zu haben. Er ist wie Wohlleben wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.

    Andre E.: Der gelernte Maurer (35) war seit dem Untertauchen 1998 einer der wichtigsten Vertrauten des Trios und soll die mutmaßlichen Rechtsterroristen zusammen mit seiner Frau regelmäßig besucht haben. E. ist als mutmaßlicher Unterstützer der Gruppe angeklagt.

    Holger G.: Der 40-Jährige gehörte wie Wohlleben und die drei Untergetauchten zur Jenaer Kameradschaft. Er zog 1997 nach Niedersachsen um. G. spendete Geld, transportierte einmal eine Waffe nach Zwickau und traf sich mehrfach mit dem Trio. Auch G. ist als mutmaßlicher Unterstützer der Gruppe angeklagt.

    Die Fotos aus dem Fahrzeuginneren lassen hingegen den Horror ahnen, der sich dort abgespielt haben muss: Eine große Blutlache auf dem Metallboden, verstreute Patronenhülsen. Simsek rang zu dieser Zeit noch im Krankenhaus mit dem Tode, bevor er zwei Tage später seinen Verletzungen erlag. Es war der erste Mord der sogenannten Ceska-Serie - mit der Pistole des tschechischen Fabrikats erschossen die Terroristen insgesamt neun Geschäftsleute ausländischer Herkunft.

    Beate Zschäpe sah weg

    Das ist Beate Zschäpe

    Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Dem Hauptschulabschluss folgte eine Ausbildung als Gärtnerin.

    Von Mitte 1992 bis Herbst 1997 ging Beate Zschäpe einer Arbeit nach, zweimal unterbrochen von Arbeitslosigkeit. So steht es in einem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für die Thüringer Landesregierung. «Ihre Hauptbezugsperson in der Familie war die Großmutter», heißt es weiter.

    Mit dem Gesetz kam Zschäpe erstmals als 17-Jährige in Konflikt. Der Schäfer-Bericht vermerkt 1992 mehrere Ladendiebstähle. 1995 wurde sie vom Amtsgericht Jena wegen «Diebstahls geringwertiger Sachen» zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Zu der Zeit war sie aber häufiger Gast im Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla, bald an der Seite des Rechtsextremen Mundlos. Über das ungewöhnliche Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt ist viel spekuliert worden.

    Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beteiligten sich zu der Zeit an Neonazi-Aufmärschen im ganzen Land.

    Im Alter von 23 Jahren verschwand die junge Frau mit den beiden Männern aus Jena von der Bildfläche. Zuvor hatte die Polizei ihre Bombenbauerwerkstatt in der Thüringer Universitätsstadt entdeckt.

    Danach agierte Zschäpe mit einer Handvoll Aliasnamen: Sie nannte sich unter anderem Silvia, Lisa Pohl, Mandy S. oder Susann D. Zeugen beschrieben sie als freundlich, kontaktfreudig und kinderlieb. Bei Diskussionen in der Szene soll sie jedoch die radikaleren Positionen ihrer beiden Kumpane unterstützt haben.

    Nach der Explosion in Zwickau am 4. November 2011 war Zschäpe mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland unterwegs. Sie verschickte auch die NSU-Videos mit dem menschenverachtenden Paulchen-Panther-Bildern. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena.

    Im Prozess schwieg Zschäpe lange Zeit. An Verhandlungstag 211, im Juni 2015, antwortete sie dem Richter ein erstes Mal, und zwar auf die Frage, ob sie überhaupt bei der Sache sei.

    Zu den Vorwürfen äußerte sich Zschäpe erstmal im September 2015. Ihr Verteidiger las das 53-seitige Dokument vor, in dem Zschäpe ihre Beteiligung an den Morden und ihre Mitgliedschaft im NSU bestritt. Lediglich die Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios gestand sie.

    Ein psychologisches Gutachten aus dem Januar 2017 beschreibt Zschäpe als "voll schuldfähig".

    Beate Zschäpe schaute weg, als die Bilder aus dem Transporter gezeigt wurden, scheinbar konzentriert starrte sie auf den Bildschirm ihres Laptops, teilweise verdeckten die offenen Haare ihr Gesicht. Die einzige Überlebende der Neonazi-Gruppe ist als Mittäterin an allen Anschlägen angeklagt. Sie soll für die legale Fassade des Terror-Trios gesorgt haben - damit, so die Bundesanwaltschaft, habe sie die Taten erst möglich gemacht. Der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) werden unter anderem zehn Morde und zwei Bombenanschläge zur Last gelegt.

    Mittlerweile hat das Oberlandesgericht München Verhandlungstermine bis Ende nächsten Jahres angesetzt. In einer Verfügung für die Verfahrensbeteiligten wurden mehr als hundert zusätzliche Verhandlungstage vorgemerkt, der vorerst letzte für den 18. Dezember 2014. Es wird allgemein damit gerechnet, dass der Prozess bis zu zweieinhalb Jahre dauern könnte. Am Dienstag war der 20. Verhandlungstag.

    Angeklagter will nicht mehr vor Gericht erscheinen

    Der Angeklagte André E. beantragte am Dienstag, bei der Verhandlung der "Ceska"-Morde nicht mehr vor Gericht erscheinen zu müssen. Diese Fälle würden ihn nicht betreffen, argumentierten seine Anwälte. Dem 33-Jährigen wird Beihilfe zu anderen Taten der Neonazi-Terroristen vorgeworfen. Unter anderem soll er Wohnmobile gemietet haben, welche die Terroristen bei Raubüberfällen und einem Sprengstoffanschlag nutzten. Die Bundesanwaltschaft trat dem Antrag der Verteidiger entgegen. Der Vorwurf gegen André E. laute auch auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Die einzelnen Taten seien von diesem Vorwurf nicht zu trennen.

    Am Dienstag war zunächst ein Staatsanwalt als Zeuge gehört worden. Er hatte den Angeklagten Holger G. vernommen, der die NSU-Terroristen unterstützt haben soll. G. hat im Prozess lediglich eine Erklärung vorgelesen. Er gab zu, einmal im Auftrag des ebenfalls angeklagten Ralf Wohlleben eine Pistole transportiert zu haben, außerdem hatte er dem Trio Papiere besorgt. "Er fühlte sich betrogen, war erschüttert darüber, was sie damit gemacht hatten", schilderte der Staatsanwalt die Vernehmung.

    Die Befragung sei mühsam gewesen. "Es war 'ne Zangengeburt, die Angaben kamen scheibchenweise raus", meinte der Staatsanwalt. Holger G. habe mehrmals gesagt, dass er sich an zeitliche Abläufe nicht genau erinnern könne. G. gilt als einer der Hauptbelastungszeugen, was die Beteiligung von Beate Zschäpe an den Taten der Gruppe angeht.

    Zwei Polizeibeamte schilderten die Ermittlungen am Tatort. Unterdessen wird immer deutlicher, dass es ein langwieriges Strafverfahren wird: Der Vorsitzende Richter hat Termine bis Dezember kommenden Jahres vorgemerkt. dpa/AZ

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