Eine Aussage der Hauptangeklagten Beate Zschäpe erhofft sich die Ombudsfrau der Bundesregierung, Barbara John, für die NSU-Opfer und ihre Angehörigen. "Wenn Frau Zschäpe sagt, was sie weiß, dann wäre das auch für die Opfer eine Klärung der Frage, die sie sich immer wieder stellen: Warum unsere Angehörigen?", sagt John der "Mitteldeutschen Zeitung" angesichts von Zschäpes Versuch, sich von ihren Verteidigern zu trennen. "Ich hoffe, dass das der Grund ihres Verhaltens ist."
Die Verzögerung des Prozesses wird als nicht akzeptabel erachtet, denn dadurch werde die Sache nur komplizierter. "Eine Verschiebung wäre eine Katastrophe", sagt John.
Heute muss Zschäpe das Vertrauensverhältnis vorm OLG erklären
Das sind die Verteidiger von Beate Zschäpe
Als «Sturm, Stahl und Heer» gehören die Anwälte von Beate Zschäpe neben den Angeklagten zu den prominentesten Beteiligten im NSU-Prozess. Vor allem ihre martialisch klingenden Namen ließen zu Beginn der Verhandlung aufhorchen.
Wolfgang Heer: Im NSU-Prozess ist er der Wortführer der Zschäpe-Verteidigung. Zunächst hatte er das Mandat allein übernommen, seine Kollegen kamen später hinzu.
Mit zahllosen Anträgen brachte er vor allem zu Beginn der Verhandlung die Nebenkläger gegen sich auf. Heer ist kein Mitglied einer Partei und betonte zu Prozessbeginn:_«Das ist kein politisches Verfahren. Es geht darum, dass die Vorwürfe strafrechtlich untersucht werden.»
Geboren wurde er 1973 in Köln. Dort studierte er auch Rechtswissenschaften. Sein Schwerpunkt lag nach Angaben auf der Homepage seiner Kölner Kanzlei, die er gemeinsam mit seiner Kollegin Sturm führt, von Anfang an auf dem Strafrecht. Seit 2004 ist er als Rechtsanwalt zugelassen.
Wolfgang Stahl: Im Zschäpe-Mandat sieht er auch eine Karrierechance, wie er zu Beginn des Prozesses selbst sagte. «Dies ist aus Verteidigersicht ein ähnlich bedeutendes Verfahren wie die RAF-Verfahren in den 70er Jahren», erklärte er.
In den Scharmützeln mit dem Vorsitzenden Richter hat er auch schon mal wutentbrannt den Verhandlungssaal verlassen.
Stahl ist Fachanwalt für Strafrecht und nach Angaben seiner Koblenzer Kanzlei ausschließlich als Strafverteidiger tätig. Seine Schwerpunkte liegen demnach eigentlich im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Er ist FDP-Mitglied und Oberstleutnant der Reserve und bearbeitete viele Jahre Wehrstraf- und Wehrdisziplinarsachen der Bundeswehr.
Anja Sturm: Anja Sturm wurde nach Angaben auf der Homepage ihrer Kanzlei 1970 in Ithaca in den USA geboren, studierte Rechtswissenschaften in Bayreuth und Kiel und machte sich 1999 als Anwältin in Berlin selbstständig, seit 2003 ist sie Fachanwältin für Strafrecht.
Nach der Geburt ihrer Kinder ging sie 2004 nach München. Seit 2012 arbeitete sie in einer renommierten Berliner Kanzlei - bis sie das Zschäpe-Mandat übernahm.
Ein Jahr später wechselte Anja Sturm in eine gemeinsame Kanzlei mit ihrem Kollegen Heer in Köln. Ihre Berliner Kanzlei soll sie zuvor für ihre Mandatsübernahme im Fall Zschäpe kritisiert haben. Mitglied einer Partei ist sie nicht.
«Als Verteidigerin reizt mich das Gefühl, einer der Übermacht des Staates ausgelieferten Person mit rechtlichen Mitteln beizustehen», sagte Sturm. «Auch Frau Zschäpe befindet sich in einer solchen Position.» dpa
Am vergangene Mittwoch hatte Zschäpe in einer Verhandlungspause einem Polizisten gesagt, dass sie kein Vertrauen mehr zu ihren Anwälten mehr habe. Der Beamte gab diese Information an das Gericht weiter. Vom Vorsitzenden Richter Manfred Götzl wurde Zschäpe in der Verhandlung gefragt, ob die Information stimme. Mit einem Kopfnicken wurde die Aussage von ihr bestätigt.
Normalerweise sollte Beate Zschäpe am gestrigen Donnerstag erklären, warum sie sich von ihren Anwälten trennen möchte. Die Frist wurde vom Oberlandesgericht (OLG) München bis zum heutigen Freitag verlängert. Wann der Senat darüber entscheidet, sei noch nicht absehbar, so das OLG.
Der Grund: Meinungsverschiedenheiten über die Verteidigungstrategie
Zwischen Zschäpe und ihren Verteidigern soll es grundlegende Meinungsverschiedenheiten über Verteidigungsstrategie geben. Dazu gehört, dass sie konsequent schweigen und die Aussage verweigern soll. Allerdings möchte Zschäpe wohl aussagen. Der Umfang ihrer Aussage ist jedoch unklar.
Das ist Beate Zschäpe
Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Dem Hauptschulabschluss folgte eine Ausbildung als Gärtnerin.
Von Mitte 1992 bis Herbst 1997 ging Beate Zschäpe einer Arbeit nach, zweimal unterbrochen von Arbeitslosigkeit. So steht es in einem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für die Thüringer Landesregierung. «Ihre Hauptbezugsperson in der Familie war die Großmutter», heißt es weiter.
Mit dem Gesetz kam Zschäpe erstmals als 17-Jährige in Konflikt. Der Schäfer-Bericht vermerkt 1992 mehrere Ladendiebstähle. 1995 wurde sie vom Amtsgericht Jena wegen «Diebstahls geringwertiger Sachen» zu einer Geldstrafe verurteilt.
Zu der Zeit war sie aber häufiger Gast im Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla, bald an der Seite des Rechtsextremen Mundlos. Über das ungewöhnliche Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt ist viel spekuliert worden.
Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beteiligten sich zu der Zeit an Neonazi-Aufmärschen im ganzen Land.
Im Alter von 23 Jahren verschwand die junge Frau mit den beiden Männern aus Jena von der Bildfläche. Zuvor hatte die Polizei ihre Bombenbauerwerkstatt in der Thüringer Universitätsstadt entdeckt.
Danach agierte Zschäpe mit einer Handvoll Aliasnamen: Sie nannte sich unter anderem Silvia, Lisa Pohl, Mandy S. oder Susann D. Zeugen beschrieben sie als freundlich, kontaktfreudig und kinderlieb. Bei Diskussionen in der Szene soll sie jedoch die radikaleren Positionen ihrer beiden Kumpane unterstützt haben.
Nach der Explosion in Zwickau am 4. November 2011 war Zschäpe mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland unterwegs. Sie verschickte auch die NSU-Videos mit dem menschenverachtenden Paulchen-Panther-Bildern. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena.
Im Prozess schwieg Zschäpe lange Zeit. An Verhandlungstag 211, im Juni 2015, antwortete sie dem Richter ein erstes Mal, und zwar auf die Frage, ob sie überhaupt bei der Sache sei.
Zu den Vorwürfen äußerte sich Zschäpe erstmal im September 2015. Ihr Verteidiger las das 53-seitige Dokument vor, in dem Zschäpe ihre Beteiligung an den Morden und ihre Mitgliedschaft im NSU bestritt. Lediglich die Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios gestand sie.
Ein psychologisches Gutachten aus dem Januar 2017 beschreibt Zschäpe als "voll schuldfähig".
Das Gericht muss prüfen, ob die Gründe Zschäpes zutreffen. Ihre Anwälte müssen dazu eine schriftliche Erklärung abgeben, da sie vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger sind. Daher kann sie sie nicht entlassen. Das Gericht muss überzeugt werden, dass es kein Vertrauensverhältnis mehr gibt.
Drei Rechtsanwälte verteidigen Zschäpe
Zschäpe wird bisher von drei Rechtsanwälten verteidigt, den beiden Kölnern Wolfgang Heer und Anja Sturm und dem Koblenzer Strafverteidiger Wolfgang Stahl. Sie ist wegen der Mittäterschaft an sämtlichen Verbrechen des NSU vor Gericht. Die Neonazi-Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" hatte neun Menschen ausländischer Herkunft und eine Polizistin ermordet. Zudem werden ihr zwei Sprengstoffanschläge und mehrere Banküberfälle zur Last gelegt. AZ/dpa