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NSU-Prozess: Beate Zschäpe zeigte sich bereits "nachhaltig erbost"

NSU-Prozess

Beate Zschäpe zeigte sich bereits "nachhaltig erbost"

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    Zschäpes Begründung zum Vertrauensentzug der Anwälte soll am Wochenende bei Gericht und bei der Bundesanwaltschaft eingegangen sein.
    Zschäpes Begründung zum Vertrauensentzug der Anwälte soll am Wochenende bei Gericht und bei der Bundesanwaltschaft eingegangen sein. Foto: Peter Kneffel dpa

    Es ist eine heikle Situation im Prozess um den "Nationalsozialistischen Untergrund": Das Oberlandesgericht (OLG) München will das Verfahren kommenden Dienstag fortsetzen, obwohl die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ihren drei Verteidigern Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm das Vertrauen entzogen hat. Zschäpes Begründung soll am Wochenende bei Gericht und bei der Bundesanwaltschaft eingegangen sein.

    Inhalt von Zschäpes Schreiben noch unbekannt

    Über den Inhalt bewahren die Beteiligten noch Stillschweigen. Zschäpes Vorstoß weckt aber Erinnerungen an die Aussagen zweier Polizisten vor einem Jahr im Zeugenstand. Auch da ging es um Unmutsäußerungen gegen ihre Verteidiger.

    Das sind die Verteidiger von Beate Zschäpe

    Als «Sturm, Stahl und Heer» gehören die Anwälte von Beate Zschäpe neben den Angeklagten zu den prominentesten Beteiligten im NSU-Prozess. Vor allem ihre martialisch klingenden Namen ließen zu Beginn der Verhandlung aufhorchen.

    Wolfgang Heer: Im NSU-Prozess ist er der Wortführer der Zschäpe-Verteidigung. Zunächst hatte er das Mandat allein übernommen, seine Kollegen kamen später hinzu.

    Mit zahllosen Anträgen brachte er vor allem zu Beginn der Verhandlung die Nebenkläger gegen sich auf. Heer ist kein Mitglied einer Partei und betonte zu Prozessbeginn:_«Das ist kein politisches Verfahren. Es geht darum, dass die Vorwürfe strafrechtlich untersucht werden.»

    Geboren wurde er 1973 in Köln. Dort studierte er auch Rechtswissenschaften. Sein Schwerpunkt lag nach Angaben auf der Homepage seiner Kölner Kanzlei, die er gemeinsam mit seiner Kollegin Sturm führt, von Anfang an auf dem Strafrecht. Seit 2004 ist er als Rechtsanwalt zugelassen.

    Wolfgang Stahl: Im Zschäpe-Mandat sieht er auch eine Karrierechance, wie er zu Beginn des Prozesses selbst sagte. «Dies ist aus Verteidigersicht ein ähnlich bedeutendes Verfahren wie die RAF-Verfahren in den 70er Jahren», erklärte er.

    In den Scharmützeln mit dem Vorsitzenden Richter hat er auch schon mal wutentbrannt den Verhandlungssaal verlassen.

    Stahl ist Fachanwalt für Strafrecht und nach Angaben seiner Koblenzer Kanzlei ausschließlich als Strafverteidiger tätig. Seine Schwerpunkte liegen demnach eigentlich im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Er ist FDP-Mitglied und Oberstleutnant der Reserve und bearbeitete viele Jahre Wehrstraf- und Wehrdisziplinarsachen der Bundeswehr.

    Anja Sturm: Anja Sturm wurde nach Angaben auf der Homepage ihrer Kanzlei 1970 in Ithaca in den USA geboren, studierte Rechtswissenschaften in Bayreuth und Kiel und machte sich 1999 als Anwältin in Berlin selbstständig, seit 2003 ist sie Fachanwältin für Strafrecht.

    Nach der Geburt ihrer Kinder ging sie 2004 nach München. Seit 2012 arbeitete sie in einer renommierten Berliner Kanzlei - bis sie das Zschäpe-Mandat übernahm.

    Ein Jahr später wechselte Anja Sturm in eine gemeinsame Kanzlei mit ihrem Kollegen Heer in Köln. Ihre Berliner Kanzlei soll sie zuvor für ihre Mandatsübernahme im Fall Zschäpe kritisiert haben. Mitglied einer Partei ist sie nicht.

    «Als Verteidigerin reizt mich das Gefühl, einer der Übermacht des Staates ausgelieferten Person mit rechtlichen Mitteln beizustehen», sagte Sturm. «Auch Frau Zschäpe befindet sich in einer solchen Position.» dpa

    Am deutlichsten hatte sich ein BKA-Ermittler geäußert, der Zschäpe Ende Juni 2012 auf der Fahrt von der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf nach Gera begleitete. Der Bundesgerichtshof hatte ihr einen Besuch bei ihrer Oma und ihrer Mutter genehmigt. Die Fahrzeit sei "ausgefüllt" gewesen mit einer "Unterhaltung in freundlicher Atmosphäre, und die Zeit verging wie im Flug", berichtete der Beamte dem Gericht.

    Da machte Beate Zschäpe große Augen

    "Sie war nachhaltig erbost", schilderte der Polizist, "dass ständig ihr Verteidiger in der Presse gewesen ist mit ihrem Fall". Er würde außerdem "nicht viel machen", habe sie gesagt. "Das könne man auch nachvollziehen, der kriegt ja nur 500 Euro." Gemeint war wohl das Tageshonorar. Der Beamte habe erwidert, "der fängt ja erst an zu verdienen, wenn die Hauptverhandlung beginnt, pro Sitzungstag 1000 Euro." Zschäpes Reaktion schilderte er so: "Da machte sie ganz große Augen." Die Unterhaltung muss zeitweise in eine arge Lästerei ausgeartet sein. Am Ende sei er davon überzeugt gewesen, dass "das Vertrauensverhältnis zu dem Zeitpunkt nicht bestanden" habe, sagte der Beamte.

    Eine andere Aussage legt nahe, dass Zschäpe schon vor zwei Jahren über einen Wechsel ihres Anwalts nachdachte. "Sie hat gesagt, sie wird ihn nicht mehr los", erinnerte sich der BKA-Mann. Richter Manfred Götzl fragte nach, über welchen Anwalt Zschäpe gesprochen habe. "Sie sprach da immer von Herrn Heer", antwortete der Polizist, "und den Herrn Stahl habe sie auch schon gesehen, der habe immer die gleiche Meinung wie Herr Heer". Als Ausweg sei ihr eingefallen, dass sie laut Gesetz bis zu drei Anwälte beanspruchen könne und "überlegt, wie sie das anstellen kann". Auch im Gefängnis habe sie über das Problem gesprochen. "Sie sagte, die Bediensteten in der JVA Köln haben sie vor ihrem Verteidiger gewarnt und sie würden ganz schlecht über ihn reden."

    Empörung bei Verteidigern von Zschäpe

    Das ist Beate Zschäpe

    Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Dem Hauptschulabschluss folgte eine Ausbildung als Gärtnerin.

    Von Mitte 1992 bis Herbst 1997 ging Beate Zschäpe einer Arbeit nach, zweimal unterbrochen von Arbeitslosigkeit. So steht es in einem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für die Thüringer Landesregierung. «Ihre Hauptbezugsperson in der Familie war die Großmutter», heißt es weiter.

    Mit dem Gesetz kam Zschäpe erstmals als 17-Jährige in Konflikt. Der Schäfer-Bericht vermerkt 1992 mehrere Ladendiebstähle. 1995 wurde sie vom Amtsgericht Jena wegen «Diebstahls geringwertiger Sachen» zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Zu der Zeit war sie aber häufiger Gast im Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla, bald an der Seite des Rechtsextremen Mundlos. Über das ungewöhnliche Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt ist viel spekuliert worden.

    Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beteiligten sich zu der Zeit an Neonazi-Aufmärschen im ganzen Land.

    Im Alter von 23 Jahren verschwand die junge Frau mit den beiden Männern aus Jena von der Bildfläche. Zuvor hatte die Polizei ihre Bombenbauerwerkstatt in der Thüringer Universitätsstadt entdeckt.

    Danach agierte Zschäpe mit einer Handvoll Aliasnamen: Sie nannte sich unter anderem Silvia, Lisa Pohl, Mandy S. oder Susann D. Zeugen beschrieben sie als freundlich, kontaktfreudig und kinderlieb. Bei Diskussionen in der Szene soll sie jedoch die radikaleren Positionen ihrer beiden Kumpane unterstützt haben.

    Nach der Explosion in Zwickau am 4. November 2011 war Zschäpe mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland unterwegs. Sie verschickte auch die NSU-Videos mit dem menschenverachtenden Paulchen-Panther-Bildern. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena.

    Im Prozess schwieg Zschäpe lange Zeit. An Verhandlungstag 211, im Juni 2015, antwortete sie dem Richter ein erstes Mal, und zwar auf die Frage, ob sie überhaupt bei der Sache sei.

    Zu den Vorwürfen äußerte sich Zschäpe erstmal im September 2015. Ihr Verteidiger las das 53-seitige Dokument vor, in dem Zschäpe ihre Beteiligung an den Morden und ihre Mitgliedschaft im NSU bestritt. Lediglich die Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios gestand sie.

    Ein psychologisches Gutachten aus dem Januar 2017 beschreibt Zschäpe als "voll schuldfähig".

    Zschäpes Verteidiger reagierten damals empört. Sie warfen dem BKA-Mann "verbotene Vernehmungsmethoden" vor. Er habe "strafprozessuale Vorschriften umgangen". Anwalt Heer machte geltend, er habe schriftlich und zusätzlich in einem Telefonat mit der Bundesanwaltschaft klargestellt gehabt, dass seine Mandantin nichts aussagen werde und nicht - schon gar nicht ohne Anwalt - vernommen werden dürfe. Die angeblich harmlose "Unterhaltung" sei in Wahrheit eine "Vernehmung" gewesen.

    Es war nicht die einzige "Unterhaltung" dieser Art, die Zschäpe mit Polizisten führte. In einem anderen Gespräch sei es um die Frage gegangen, was besser für sie sei - zu schweigen oder zu reden. Ein Beamter, der sie im November 2011 zum Haftrichter nach Karlsruhe begleitete, berichtete: "Inhaltlich hat sie gesagt, sie hätte sich nicht gestellt, um nicht auszusagen." Mit Blick auf ihren Verteidiger soll sie bei anderer Gelegenheit gesagt haben: "Er rät davon ab".

    Das tun er und seine Partner tatsächlich - haben sich dabei aber immer wieder auf den ausdrücklichen Wunsch ihrer Mandantin berufen. In einem Zeitungsinterview sagte Anwalt Heer im Dezember 2012: "Wir mussten Frau Zschäpe nicht dazu überreden." Vielleicht ist es tatsächlich so, dass nur eine Person bestimmt, wo es derzeit langgeht - nämlich Beate Zschäpe selbst. Wäre es so, könnte dies am Ende bedeutsam werden, wenn das Gericht urteilen muss, ob sie eine solche Rolle auch mit Uwe Mundlos und dpa/AZ

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