An bayerischen Gymnasien ist der Besuch eines NS-Dokumentationszentrums oder einer KZ-Gedenkstätte im Unterricht längst Pflicht. Aber sollten auch Mittel- und Förderschüler zumindest einmal in ihrer Schullaufbahn eine solche Gedenkstätte besuchen? Nein, findet die CSU-Mehrheit im Landtag – und bemüht dafür recht eigenwillige Begründungen.
Gerade an Mittelschulen gebe es viele Flüchtlingskinder und Migranten, erklärte der CSU-Politiker Klaus Steiner kürzlich in einer Plenardebatte: „Darunter sind sehr viele Kinder aus muslimischen Familien, die keinen Zugang zu unserer Vergangenheit haben“, findet Steiner. „Wir müssen das Thema gerade bei diesen Kindern behutsam angehen.“
Die Oppoistion befürchtet, Klaus Steiner hält Förderschüler für zu dumm
Bei den Förderschulen wiederum sei „ein achtsamer Blick, vor allem auf Schülerinnen und Schüler mit kognitiven und emotionalen Einschränkungen, notwendig“, glaubt der CSU-Politiker: „Ein Zwang wäre daher nicht zielführend.“
Diese Argumentation findet die Opposition reichlich verstörend. Falls Steiner damit meine, Förderschüler seien zu dumm für den Besuch in einer KZ-Gedenkstätte, „wäre das sehr traurig“, entgegnete die Grünen-Abgeordnete Gerti Sengl im Landtag: „Um zu begreifen, was in der NS-Zeit Schreckliches passiert ist, benötigt man keinen bestimmten Intelligenzquotienten.“
Auch Steiners Argument, dass man muslimischen Zuwanderern einen solchen Besuch nicht zumuten könne, sei ausgemachter Unsinn, findet Günther Felbinger von den Freien Wählern. Im Gegenteil: Wer die gerade von der CSU stets eingeforderte Integration von Zuwanderern ernst nehme, könne diesen Bereich nicht aussparen: „Auch muslimische Kinder müssen sich mit der deutschen Geschichte auseinandersetzen.“
Der Unterfranke hatte den Antrag, einen Besuch von KZ-Gedenkstätten oder NS-Dokumentationszentren für alle Schularten in Bayern festzuschreiben, in den Landtag eingebracht. Die Idee aber stamme von Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland. Vor vier Wochen habe sich der Landtag einstimmig dafür ausgesprochen, sich entschieden gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zu stellen. „Deshalb enttäuscht und entsetzt es mich, wenn CSU-Vertreter zwar an Gedenktagen Schaufensterreden halten, doch wenn es in der Sache konkret wird, suchen sie das Haar in der Suppe“, schimpft Felbinger.
Die Verpflichtung soll ausprobiert werden
Auch in der Landtags-CSU war nicht jeder mit der Ablehnung der eigenen Fraktion glücklich. „Ich bin der letzte, der nicht will, dass Mittelschüler KZ-Gedenkstätten besuchen“, beteuerte etwa Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) gegenüber unserer Zeitung. Von einer Verpflichtung für die Mittel- und Förderschulen habe er bislang nur abgesehen, „weil diese Schüler noch so jung sind“. Nach der Diskussion im Landtag aber will Spaenle nun mehrere bayerische Mittelschulen für einen Modellversuch auswählen: „Wir wollen die Verpflichtung ausprobieren.“