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Münchner Kunstfund: Gurlitt soll Hunderte Werke zurückbekommen - Lagerung unklar

Münchner Kunstfund

Gurlitt soll Hunderte Werke zurückbekommen - Lagerung unklar

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    Hans Christophs "Paar" von 1924 ist eines der Bilder, die bei Gurlitt gefunden wurden.
    Hans Christophs "Paar" von 1924 ist eines der Bilder, die bei Gurlitt gefunden wurden. Foto: Staatsanwaltschaft Augsburg/dpa

    Im Streit um den Münchner Kunstfund zeichnet sich ein erster konkreter Fortschritt ab. Der Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt soll möglichst bald rund 300 seiner von der Staatsanwaltschaft Augsburg beschlagnahmten Bilder zurückbekommen.

    "Es werden wohl circa 310 Gemälde sein, die zweifelsfrei Eigentum des Beschuldigten sind", sagte Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz der "Süddeutschen Zeitung". Die Überprüfung der beschlagnahmten Werke soll spätestens kommende Woche abgeschlossen sein.

    Lagerungsort ist noch offen

    Wie die Übergabe dann praktisch ablaufen soll und wo der 80-jährige Gurlitt seine Bilder künftig lagern könnte, ist offen. Dazu war die Staatsanwaltschaft am Donnerstag nicht zu erreichen. Der Sprecher des bayerischen Justizministeriums konnte über die Rückgabe-Pläne keine Auskunft geben.

    Die spektakulärsten Kunstfunde der vergangenen Jahre

    2003 findet die New Yorker Schriftstellerin Elizabeth Gibson auf einem Sperrmüllhaufen ein abstraktes Gemälde. Später stellt sich heraus, dass es sich um das 20 Jahre zuvor gestohlene Meisterwerk "Drei Menschen" des mexikanischen Künstlers Rufino Tamayo handelt. Das Bild geht an die Besitzer zurück, die es beim Auktionshaus Sotheby's für über drei Millionen Dollar versteigern. Gibson erhält einen Finderlohn und einen kleinen Anteil am Auktionserlös.

    2006 bemerkt eine Wuppertalerin erst im letzten Moment, welch wertvolles Gemälde sich in ihrem Besitz befindet. Eigentlich wollte sie das Ölbild für 20 Euro auf einem Flohmarkt verkaufen. Beim Verpacken bemerkt sie auf der Rückseite jedoch eine Signatur. In einer Galerie stellt sich schließlich heraus, dass es sich um die "Weiße Tulpe" von Franz Radziwill handelt. Der Wert des Gemäldes wird auf rund 15.000 Euro geschätzt.

    Als ein Rentner in Baden-Württemberg 2006 den Speicher seiner verstorbenen Tochter ausräumt, findet er ein mit "Nolde" signiertes Frauenporträt. Der Vater übergibt das Gemälde der Polizei, die herausfindet, dass das Bild zwischen 1977 und 1979 aus einem Lagerhaus einer Spedition in Freiburg entwendet worden ist. Das Bild des Künstlers Emil Nolde gehörte dem Kunstverleger und Sammler Ernest G. Rathenau, dessen Erben das Gemälde zurückerhalten. 2007 wird das Bild in München für 2,58 Millionen Dollar versteigert.

    Nach mehr als 100 Jahren taucht 2011 erstmals wieder ein Gemälde von Leonardo da Vinci auf. Bei dem in New York entdeckten Werk, das einen Christus mit zum Segen erhobener rechter Hand zeigt, soll es sich nach der Meinung einiger Experten um das Bild «Salvator Mundi» handeln. Die Existenz des Leonardo-Gemäldes war seit langem bekannt, jedoch hielt man es für zerstört.

    2012 finden Kunstexperten des Madrider Prado-Museums eine "Zwillingsschwester" der berühmten Mona Lisa - eine Kopie, die gleichzeitig mit dem Original in der Werkstatt von Leonardo da Vinci gemalt worden sein soll. Das Bild hatte seit Jahren an einer Wand in der Madrider Pinakothek gehangen, sein Wert war aber lange nicht erkannt worden. Der Maler ist wahrscheinlich Francesco Melzi, der zu den bedeutendsten Schülern da Vincis zählt.

    Im November 2013 wird bekannt, dass ein 80-jähriger Münchner in seiner vermüllten Wohnung über Jahrzehnte einen schier unbezahlbaren Kunstschatz aufbewahrt hat - darunter Gemälde von Picasso, Dürer Matisse und Nolde. Bereits 2011 waren bayerische Zollfahnder offenbar auf den einmaligen Kunstschatz gestoßen. Die Fahnder beschlagnahmten etwa 1500 verschollen geglaubte Bilder von Meistern der klassischen Moderne. Darunter Werke von Pablo Picasso, Henri Matisse, Marc Chagall, Emil Nolde, Franz Marc, Max Beckmann, Paul  Klee, Oskar Kokoschka, Ernst Ludwig Kirchner und Max Liebermann. Aufgekauft hatte die Werke offenbar der Kunsthändler Hildebrand G. in den dreißiger und vierziger Jahren. Dessen Sohn Cornelius G. hat die Bilder wohl über ein halbes Jahrhundert in seiner Schwabinger Wohnung gehortet.

    Unterdessen wurden weitere Werke aus dem Münchner Kunstfund in das Internet gestellt. Die Augsburger Staatsanwaltschaft habe zahlreiche Grafiken von Edvard Munch, Max Liebermann und Henri de Toulouse-Lautrec in die Magdeburger Datenbank www.lostart.de gestellt, teilte das Büro von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) in Berlin mit. In den Geschäftsbüchern des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, dem Vater von Cornelius Gurlitt, aus den Jahren 1937 bis 1945 gebe es Hinweise auf diese Werke.

    Gurlitt muss für Kosten selbst aufkommen

    HANDOUT - Max Liebermann: «Reiter am Strand», Gemälde, 1901. Das Bild ist eines von 25 Werken aus dem spektakulären Münchner Kunstfund, die seit 11.11.2013 online einsehbar in der Lostart-Datenbank aufgelistet sind und bei denen laut Behördenangaben «der begründete Verdacht auf NS-verfolgungsbedingten Entzug» besteht. Foto: Staatsanwaltschaft Augsburg/dpa (Nur zur redaktionellen Verwendung bei Urhebernennung und nur im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung) +++(c) dpa - Bildfunk+++
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    28 Bilder
    Die Behörden haben 25 Werke aus dem spektakulären Münchner Kunstfund in der Lostart-Datenbank aufgelistet, bei denen «der begründete Verdacht auf NS-Verfolgungsbedingten Entzug» besteht.

    Wenn Cornelius Gurlitt einen Teil seiner Bilder zurückbekommt, muss er laut dem auf Kunst spezialisierten Berliner Anwalt Matthias Druba für die Kosten wohl selbst aufkommen. "Jeder Eigentümer muss für seine Gegenstände selbst sorgen - das gilt auch für Kunst", sagte Druba am Donnerstag. Hilfe von Landesseite habe Gurlitt nur zu erwarten, "wenn der Freistaat mit der Veröffentlichung zu einem erhöhten Sicherheitsbedarf für die Bilder von Gurlitt beigetragen hat und er dies nicht hätte tun dürfen, dann muss der Freistaat Herrn Gurlitt unterstützen". Ob Bayern die Grenze überschritten habe, sei zu prüfen.

    Bewachte und klimageschützte Lagerung wichtig

    Wie hoch die Kosten für die Unterbringung von etwa 300 Kunstwerken sind, hängt vom Wert und der Größe ab. Für eine Sammlung im Wert von einer Million Euro würden etwa 200 Euro Versicherungsgebühren anfallen, sagte ein Kundenberater einer Berliner Kunstspedition, der namentlich nicht genannt werden wollte. Hinzu kommen die Kosten für eine bewachte und klimageschützte Lagerung: Für rund 300 Bilder wären je nach Verpackung 20 bis 25 Quadratmeter Fläche notwendig. Ein Quadratmeter koste zwischen 10 und 13 Euro monatlich.

    Nur Kunstwerke zurückgeben, die keine NS-Raubkunst sein könnten

    Steuerfahnder und Staatsanwälte hatten die etwa 1400 Werke umfassende Bildersammlung von Gurlitt im Frühjahr 2012 in seiner Münchner Wohnung beschlagnahmt, darunter viele Werke der klassischen Moderne. Zwei Wochen nach Bekanntwerden des Fundes hatte die Behörde am Dienstag erklärt, sie wolle Gurlitt Hunderte Bilder zurückgeben - allerdings nur Kunstwerke, die nicht im Verdacht der NS-Raubkunst und zweifelsfrei im Eigentum des 80-Jährigen stehen.

    Zentralrat der Juden kritisiert geplante Rückgabe

    Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisierte die geplante Rückgabe. "Nachdem die ganze Sache über 18 Monate hinweg fast konspirativ behandelt wurde, ist nun der Schnellschuss einer pauschalen Rückgabe sicher auch der falsche Weg", kritisierte der Präsident, Dieter Graumann, in der "Süddeutschen Zeitung". Bei möglicher Raubkunst sei Sensibilität und Verantwortung gefragt. Es gehe "nicht nur um den Rechtsanspruch auf Restitution", die Sache besitze auch eine "moralische und historische Dimension". Es liege nun in der Verantwortung der Politik, "den Opfern von damals zur Würde von heute zu verhelfen". Der Jüdische Weltkongress hatte zuvor eine Änderung der Verjährungsfristen gefordert, um die Rückgabe von NS-Raubkunst zu erleichtern.

    Die von der Bundesregierung geschaffene Expertenkommission soll herausfinden, bei welchen Kunstwerken aus Gurlitts Wohnung in München-Schwabing es sich um NS-Raubkunst handelt - möglicherweise sind es 590. (dpa)

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