"Ich war schon immer ein Wiesnfan, habe die Wiesn schon immer im Herzen getragen. Ich mag die Wiesn." Es ist eine Liebeserklärung an das Münchner Oktoberfest, die der Polizeibeamte in die Kamera des Kollegen spricht. Und eine Liebeserklärung an seinen Job, den des Leiters der sogenannten Wiesnwache: "Es ist eine ganz eigene Art und Weise des Polizeidienstes. Viel näher dran an den Bürgerinnen und Bürgern", sagt der Mann in dem Video, das die Münchner Polizei Anfang Oktober über soziale Medien verbreitet. Nun ist die Liebe zum Beruf grundsätzlich ja etwas Gutes. Bei eben jenem Polizeibeamten wurde sie aber offenbar zu groß. Größer als die Polizei erlaubt, sozusagen.
Denn wie jüngst bekannt wurde, war der Chef der Wiesnwache wohl etwas zu nah dran an den Bürgern beziehungsweise, in einem Fall, an einem Wiesnwirt. Als das "Winzerer Fähndl" 2018 wegen des Verdachts der Schwarzarbeit gegen einen Subunternehmer ins Visier der Polizei geriet, gab der Chef der Wiesnwache dem Wirt kurz vor einer größeren Razzia einen Wink. Das bestätigte nun das Justizministerium auf Nachfrage der Grünen-Fraktion im Landtag. Der Beamte habe zwar keine konkreten Einzelheiten zu der Durchsuchungsaktion offenbart, dennoch sei gegen ihn ermittelt worden. Wie die Staatsanwaltschaft München nun bestätigte, wurde er schließlich per Strafbefehl zu einer Geldstrafe verdonnert. Medienberichten zufolge wurde der Strafbefehl im August rechtskräftig.
Oktoberfest-Polizei bekommt neuen Chef
Chef der Wiesnwache ist der Beamte mittlerweile nicht mehr. Nicht jedoch wegen des Vorfalls, sondern wegen eines "regelmäßigen Wechsels der Leitung", der bereits nach der Wiesn 2019 erfolgt sei, wie das Polizeipräsidium München auf Nachfrage erklärt. Mangels Wiesn 2020 sei der Nachfolger noch nicht offiziell vorgestellt worden. Das oben beschriebene Video im Oktober habe man daher mit "dem letzten operativ tätigen Leiter der Wiesnwache" geführt. Das sei aus fachlicher Sicht sinnvoll.
Der Beamte ist seit Juli dieses Jahres in der Abteilung "Einsatz" des Präsidiums München tätig – in gehobener Position, wie "Süddeutsche Zeitung" und "Bild" berichten. So wurde der 50-Jährige offenbar im April vom Polizeioberrat zum Polizeidirektor, einer der höchsten Dienstgrade bei der Polizei, befördert. Noch während straf- und disziplinarrechtliche Verfahren gegen ihn liefen. Ein mindestens ungewöhnlicher Vorgang, findet Peter Pytlik.
Der Krumbacher ist seit dieser Woche neuer Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bayern und sagt: "Während eines Verfahrens sind Beförderungen nicht üblich, aber trotzdem möglich, wenn der Beamte vom Dienstherrn in jeder Hinsicht als geeignet erscheint." Ohne persönlich die Details zu kennen, sei der konkrete Fall aber "sicherlich für Nachfragen geeignet und führt möglicherweise auch zu Unverständnis, vor allem bei Kolleginnen und Kollegen, die selbst von solchen Ermittlungen betroffen waren und nicht befördert worden sind".
Grünen-Chefin Schulze spricht von Skandal
Weniger diplomatisch drückt sich da Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze aus. Für sie ist der Fall ein weiterer Polizeiskandal. "Es braucht eine transparente und umfassende Aufklärung, eine Stellungnahme vom Innenminister und endlich einen unabhängigen Polizeibeauftragten in Bayern", fordert Schulze. Die Münchner Polizei war zuletzt wegen antisemitischer Nachrichten in Chats und Drogengeschäften in Verruf geraten.
Gewerkschafter Pytlik hält von Schulzes Forderung nach einem Polizeibeauftragten derweil wenig. "Nein, so einen brauchen wir nicht", sagt er auf Nachfrage. Es gebe in Bayern bereits genügend Kontrollinstanzen – von Staatsanwaltschaften und Gerichten bis zu internen Ermittlungen des Landeskriminalamtes und einer Disziplinarbehörde in München. "Das ist völlig ausreichend."
Schwarzarbeit im "Winzerer Fähndl": Firmenchef verurteilt
Zurück zur Wiesn: Der vorgewarnte Wiesnwirt kam 2018 mit einer reinen Weste aus den Ermittlungen heraus – anders als der Geschäftsführer einer Reinigungsfirma, die im "Winzerer Fähndl" beschäftigt war. Er wurde Anfang dieses Jahres zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Er soll unter anderem Steuern hinterzogen und Sozialabgaben für Mitarbeiter nicht bezahlt haben. Das Landgericht München I hatte den Mann auch wegen Insolvenzverschleppung und wegen vorsätzlichen Bankrotts schuldig gesprochen. Der Schaden ging in die Millionenhöhe.
Ein wichtiger Auftraggeber des Unternehmers war neben dem Festzelt "Winzerer Fähndl" auch die Münchner Traditionsgaststätte Nockherberg. (mit dpa)
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