Seit fast zwei Jahren stehen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer im Münchner NSU-Prozess vor Gericht. Gleichzeitig laufen bis heute aber noch mehrere offene Ermittlungsverfahren.
Offene Ermittlungen: Erkenntnisse werden in NSU-Prozess eingebracht
Wie eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte, wird dabei "gegen neun namentlich bekannte Beschuldigte" ermittelt. Keiner von ihnen steht bisher vor Gericht. Sie stehen unter Verdacht, den NSU und damit eine "terroristische Vereinigung" unterstützt zu haben. Außerdem untersucht die Anklagebehörde, ob der NSU noch weitere, bisher unentdeckte Verbrechen begangen hat und ob daran weitere, ebenfalls noch unbekannte Täter beteiligt sein könnten.
Über Details der noch offenen Ermittlungen ist wenig bekannt. Die Namen der "bekannten Beschuldigten" nennt die Bundesanwaltschaft nicht. Allerdings sind einige Erkenntnisse aus den Ermittlungsverfahren nachträglich als Beweismittel in den Prozess eingebracht worden, etwa über die konspirativ aufgebaute Gruppe der "Hammerskins".
Über deren Rolle in der Sympathisantenszene gab es zum Prozessbeginn vor zwei Jahren so gut wie keine Hinweise in den Akten. Das änderte sich, als die Bundesanwaltschaft Unterlagen nachreichte. Sie vervollständigten das Bild einer weit verzweigten, auch international vernetzten Szene mit zahlreichen Verbindungen zu Rockergruppen und kriminellen Milieus.
Umgekehrt hat der Prozess auch ein NSU-Verbrechen zutage gefördert, von dem die Ermittler vor zwei Jahren noch nichts wussten. Es handelt sich um einen Bombenanschlag in Nürnberg im Juni 1999. Die Täter hatten eine als Taschenlampe getarnte Rohrbombe in einem vor allem von Türken besuchten Café abgelegt.
Weitere Straftaten könnten in zweitem Prozess verhandelt werden
Ein Mann hatte sie in die Hand genommen und wurde bei der Explosion verletzt. Der als Unterstützer angeklagte Carsten S. hatte in seinem Geständnis berichtet, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mit ihm über die Taschenlampen-Bombe gesprochen hätten. Daraufhin eröffnete die Bundesanwaltschaft auch dazu ein Ermittlungsverfahren und konnte die Bombe tatsächlich dem NSU "zuordnen".
Offen ist, was die Bundesanwaltschaft unternehmen will, wenn sie den Verdacht gegen die "bekannten Beschuldigten" bestätigen oder bisher unbekannte Straftaten zutage fördern kann. Am Rande des Verfahrens war zu hören, es könne eines Tages möglicherweise einen zweiten Prozess geben.
Das sind die Verteidiger von Beate Zschäpe
Als «Sturm, Stahl und Heer» gehören die Anwälte von Beate Zschäpe neben den Angeklagten zu den prominentesten Beteiligten im NSU-Prozess. Vor allem ihre martialisch klingenden Namen ließen zu Beginn der Verhandlung aufhorchen.
Wolfgang Heer: Im NSU-Prozess ist er der Wortführer der Zschäpe-Verteidigung. Zunächst hatte er das Mandat allein übernommen, seine Kollegen kamen später hinzu.
Mit zahllosen Anträgen brachte er vor allem zu Beginn der Verhandlung die Nebenkläger gegen sich auf. Heer ist kein Mitglied einer Partei und betonte zu Prozessbeginn:_«Das ist kein politisches Verfahren. Es geht darum, dass die Vorwürfe strafrechtlich untersucht werden.»
Geboren wurde er 1973 in Köln. Dort studierte er auch Rechtswissenschaften. Sein Schwerpunkt lag nach Angaben auf der Homepage seiner Kölner Kanzlei, die er gemeinsam mit seiner Kollegin Sturm führt, von Anfang an auf dem Strafrecht. Seit 2004 ist er als Rechtsanwalt zugelassen.
Wolfgang Stahl: Im Zschäpe-Mandat sieht er auch eine Karrierechance, wie er zu Beginn des Prozesses selbst sagte. «Dies ist aus Verteidigersicht ein ähnlich bedeutendes Verfahren wie die RAF-Verfahren in den 70er Jahren», erklärte er.
In den Scharmützeln mit dem Vorsitzenden Richter hat er auch schon mal wutentbrannt den Verhandlungssaal verlassen.
Stahl ist Fachanwalt für Strafrecht und nach Angaben seiner Koblenzer Kanzlei ausschließlich als Strafverteidiger tätig. Seine Schwerpunkte liegen demnach eigentlich im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Er ist FDP-Mitglied und Oberstleutnant der Reserve und bearbeitete viele Jahre Wehrstraf- und Wehrdisziplinarsachen der Bundeswehr.
Anja Sturm: Anja Sturm wurde nach Angaben auf der Homepage ihrer Kanzlei 1970 in Ithaca in den USA geboren, studierte Rechtswissenschaften in Bayreuth und Kiel und machte sich 1999 als Anwältin in Berlin selbstständig, seit 2003 ist sie Fachanwältin für Strafrecht.
Nach der Geburt ihrer Kinder ging sie 2004 nach München. Seit 2012 arbeitete sie in einer renommierten Berliner Kanzlei - bis sie das Zschäpe-Mandat übernahm.
Ein Jahr später wechselte Anja Sturm in eine gemeinsame Kanzlei mit ihrem Kollegen Heer in Köln. Ihre Berliner Kanzlei soll sie zuvor für ihre Mandatsübernahme im Fall Zschäpe kritisiert haben. Mitglied einer Partei ist sie nicht.
«Als Verteidigerin reizt mich das Gefühl, einer der Übermacht des Staates ausgelieferten Person mit rechtlichen Mitteln beizustehen», sagte Sturm. «Auch Frau Zschäpe befindet sich in einer solchen Position.» dpa
Das derzeitige Verfahren gegen Beate Zschäpe wollen die Ankläger dagegen nur ungern ausweiten, wie der Fall der "Taschenlampen-Bombe" zeigt. Er werde wegen der "schon weit fortgeschrittenen Beweisaufnahme aus verfahrensökonomischen Gründen" nicht weiter verfolgt, sagte die Sprecherin. dpa