Er hat den großen Auftritt geliebt. Josef Müller besitzt zu seinen guten Zeiten alles, was ein ambitionierter Jetsetter braucht: eine Villa, eine Autoflotte (unter anderem einen schwarzen Rolls-Royce mit weißem Fahrer und einen weißen mit schwarzem Chauffeur), eine Jacht und die Gunst schöner Damen. Heute sind Mammon, Luxuskram und die Frauen – zumindest die meisten – weg. Denn 2007 wurde der 58-Jährige von der 6. Strafkammer des Landgerichts München 1 wegen millionenschweren Anlagebetrugs zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Und ohne Koks und Kohle ist ein Josef Müller für die Schickeria so uninteressant wie der Korken einer leeren Champagnerflasche. Bei ihm ist nichts mehr zu holen. Müller lebt von einer kleinen Waisenrente in seinem Elternhaus in Fürstenfeldbruck. Die meisten seiner Gläubiger, auch Augsburger Ärzte, sind bisher leer ausgegangen.
40 Millionen Dollar Schulden hat er noch
Da sitzt Müller nun – nicht mehr im Nobelrestaurant, sondern in der Kantine unserer Zeitung. Das abgetragene blaue Sakko hat schon bessere Tage gesehen. Er zeigt aber noch immer das Lächeln eines talentierten Menschenfängers. Müller klingt ein wenig gehetzt, als er zu einer Tasse Cappuccino über zwei Stunden lang sein unglaubliches Leben erzählt. Ob das daran liegt, dass er einem amerikanischen Mafiaboss noch 40 Millionen Dollar schuldet ...
In der Münchner Schickeria ist er als Konsul von Panama bekannt
„Wenn ich mich auf eines verlassen konnte, dann auf die Gier der Menschen“, schickt Müller seiner Geschichte voraus. Es ist die Beichte eines Mannes aus kleinen Verhältnissen, den die Münchner Schickeria in den 90er Jahren als „Konsul von Panama“ kennt, und der es trotz seines Handicaps als Rollstuhlfahrer mit hohen Renditeversprechen bis zum Multimillionär gebracht hat. Aber Müller reichte das nicht. Er wollte das ganz große Rad drehen und kam auf die schiefe Bahn, die nicht nur für Rollstuhlfahrer gefährlich ist.
"Ich wollte mir beweisen, dass ich der größte bin"
Doch der Reihenfolge nach. Geboren als Bub eines Polizisten in Fürstenfeldbruck entwickelt der Kleinstädter schon als Halbwüchsiger eine Vorliebe für schnelle Autos. Mit seiner ersten Freundin verunglückt er 1973 auf der Heimfahrt von einer Landsberger Diskothek in einem Ford Mustang schwer. Er landet querschnittsgelähmt im Rollstuhl. Was andere deprimiert hätte, spornt Müller an: „Es hat mich nie gestört, ich sah es als Herausforderung an.“ Er wird Steuerberater, macht den Pilotenschein, sämtliche Bootsführerscheine und springt sogar mit dem Fallschirm ab. „Ich wollte mir beweisen, dass ich der Größte bin“, räumt Müller ein und nippt am Kaffee.
Je mehr er sein Leben beschleunigt, desto näher rückt der Sündenfall. Binnen kurzer Zeit besitzt der Mann im Rollstuhl Anfang der 90er Jahre vier Kanzleien mit fünfzig Mitarbeitern und etliche andere Firmen. Er hat ein Auskommen, mit dem die meisten anderen Menschen zufrieden wären. Müller nicht: „Ich war gierig und wollte wie König Midas in der griechischen Sage unendlich reich werden.“
Umgang mit bekannten Persönlichkeiten puschte sein Ego
Beflügelt vom Kokain lässt Müller es krachen, genießt dank seines schnell erworbenen Vermögens das volle Programm – von Champagner-Orgien bis hin zu teuren Callgirls. Um sein maßloses Ego zu befriedigen, Geld reicht dazu längst nicht mehr, umgibt er sich mit mehr oder minder glitzernden Gestalten wie La Toya Jackson, Gloria von Thurn und Taxis, die al-Gaddafi-Familie, Kalle Schwensen, Roberto Blanco, den Wepper-Brüdern oder Heiner Lauterbach. Selbst Prinz Charles lädt den neureichen Münchner jährlich zu seinen Festen ein.
„Das Geld in Kombination mit meinem Rollstuhl öffnete mir viele Türen“, erklärt Müller rückblickend. Das Glück scheint ihm damals hold, zunächst laufen die Börsengeschäfte gut. An manchen Tagen verdient er bis zu 250 000 Dollar. Nebenbei sammelt Josef Müller, der seinen Vornamen inzwischen mit „ph“ beendet, damals Titel. Der Steuerberater wird Honorarkonsul von Panama und in Monaco Botschafter von Zentralafrika. Er eilt die Gesellschaftsleiter hoch.
Von einem US-Mafia-Boss bekommt er den 40 Millionen Auftrag
Von einem amerikanischen Mafia-Boss, der zu den zehn meistgesuchten Verbrechern der Vereinigten Staaten gehört, bekommt er den Auftrag, 40 Millionen Dollar gewinnbringend in Deutschland anzulegen. „Ich schleppte das Bargeld in sechs Samsonite-Koffern von Miami nach München, wo ich es bei einer großen Bank einzahlte“, erzählt Müller und fährt sich mit der Hand nachdenklich durch das graue Stoppelhaar. Geblieben sei ihm nichts, beteuert er. 30 Millionen habe er bei Devisengeschäften verloren, zehn durch ein Fehlinvestment in eine private Krebsklinik, die pleitegeht. Der Mafiaboss sieht das anders und droht ihm, einen Killer zu schicken.
Wegen seiner Behinderung kommt Müller nicht ins Gefängnis
Auch mit seinen anderen Aktivitäten geht es den Bach runter. 1994 wird er in München wegen Bankrotts, Konkursverschleppung, Kreditbetrugs, Untreue und Steuerhinterziehung zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Doch der glamouröse Gauner hat Fortune. Weil ihm eine hohe Pflegebedürftigkeit bescheinigt wird, findet sich kein Platz in einer bayerischen Justizvollzugsanstalt. Müller bleibt also frei – und kurbelt die Geschäfte sofort von Neuem an.
Für sein soziales Engagement wird er von Edmund Stoiber geehrt
Der Geläuterte beteuert aber, auch damals kein schlechter Mensch gewesen zu sein. Er hat in den 90er Jahren den Verein „handiCap – gemeinsam geht’s besser“ gegründet und gibt ein Hochglanzmagazin für Behinderte heraus. Vom damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber wird er dafür geehrt und 1996 in den Kaisersaal der Residenz eingeladen. Es ist Balsam auf die rastlose Seele des Ruhmsüchtigen.
Erneute Geldgeschäfte misslingen
Geblendet von seiner Inszenierung und dem Szene-Geflüster auf Golfplätzen, er sei ein erfolgreicher Börsenspekulant, vertrauen ihm beziehungsweise seiner Firma, der „Ascania Vermögensverwaltungs GmbH“, wieder viele Reiche ihr Vermögen an. Müller sagt heute lachend: „Die haben mir ihr Geld regelrecht hinterhergeworfen!“
Er verspricht es mit Renditen von zehn Prozent zu vermehren – er verspielt alles. Einen Teil des Gelds hat er für die Finanzierung seines pompösen Lebensstils abgezweigt. „Gier macht einen blind, weil man immer mehr erreichen will und es nie reicht“, sagt er heute. Der einzige Ausweg sei die Zufriedenheit. Müllers Stimme knarzt bei diesen Sätzen sentimental.
Im Gefängnis findet er Trost im Glauben an Gott
Nach abenteuerlicher Flucht (die eine eigene Geschichte wert wäre) über London und Miami wird der gescheiterte Millionenjongleur in Wien gefasst und in München verurteilt. Als er im August 2010 aus der Haft entlassen wird, ist er ein anderer Mensch. Müller behauptet, Gott habe zu ihm gesprochen.
Was immer man davon halten will. Tatsache ist, der Millionenbetrüger scheint inzwischen begriffen zu haben, dass er sich letztendlich selbst betrogen hat, und die Menschen nicht ihn, sondern nur sein Geld geschätzt haben. Jetzt verkündet der Fast-Mittellose das Wort des Herrn und hält Vorträge über die zerstörerische Wirkung der Gier.
Epilog: Seine Frau hat Müller mit seinem früheren Bodyguard verlassen. Geld sammelt der Ex-Hasardeur immer noch leidenschaftlich. Gelernt ist schließlich gelernt. Zuletzt waren es eigenen Angaben zufolge 700 000 Euro für den Bau eines Gebetshauses im Augsburger Stadtteil Göggingen. Er sei jetzt glücklich, sagt Josef Müller – trotz 50 Millionen Schulden. „Denn jetzt habe ich Gott, das ist viel mehr wert als alle Kohle dieser Welt!“