An diesem Mittwoch geht nach einem knappen Monat Pause der NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mitangeklagte mutmaßliche Terrorhelfer weiter. Es könnte die letzte Etappe dieses Verfahrens sein, an dessen Ende die Urteile und damit die Sühne für die zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge stehen könnte, die der "Nationalsozialistische Untergrund" verübt haben soll.
Ginge es allein nach dem Willen der Richter des 6. Münchner OLG-Strafsenats würde der Prozess wohl zügig beendet werden. Jede Tat, die Zschäpes Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt verübt haben sollen, ist im Prozess behandelt worden und gilt als abgehakt und bewiesen. Zschäpe, angeklagt als einziges überlebendes Mitglied des NSU, soll zwar bei keinem Verbrechen selbst vor Ort gewesen sein. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr als "Mitglied der terroristischen Vereinigung" namens NSU trotzdem Mittäterschaft vor, als habe sie selbst die Mordwaffen in der Hand gehalten.
NSU-Prozess: Ralf Wohlleben kämpft für mildes Urteil
Das Gericht hat in den letzten Monaten gelegentlich auch erkennen lassen, dass es die Anklage in den Grundzügen für plausibel hält. Das zeigte sich zuletzt vor allem bei den prozessualen Auseinandersetzungen mit dem mutmaßlichen Waffenbeschaffer Ralf Wohlleben und dessen Verteidigern.
Wohlleben ist neben Zschäpe der einzige Angeklagte, der seit dem Auffliegen des NSU im November 2011 in Untersuchungshaft sitzt, nunmehr also schon seit bald fünf Jahren. Eine derartige Dauer der U-Haft ist ungewöhnlich und muss gut begründet sein. Wohllebens Verteidiger haben mehrmals - zuletzt kurz vor der Sommerpause - versucht, ihren Mandanten freizubekommen - aber immer vergeblich.
In der Sommerpause musste sogar der Bundesgerichtshof über Wohllebens Haftbeschwerde befinden und bestärkte das Münchner OLG. An den Wertungen des Senats sei nichts zu beanstanden. Wohlleben sei "des ihm vorgeworfenen Tatgeschehens weiterhin dringend verdächtig". Sollte er verurteilt werden, ist nach Ansicht der Karlsruher BGH-Richter damit zu rechnen, dass seine Haftstrafe die U-Haftdauer "nicht nur unwesentlich übersteigen" werde.
Allerdings - und darin könnte das größte Risiko für die Terminplanung im NSU-Prozess liegen - kämpft Wohlleben nach wie vor für ein möglichst mildes Urteil. Seine Anwälte haben immer wieder neue Beweisanträge gestellt, um einerseits seine Beteiligung an der Beschaffung der Mordwaffe vom Typ "Ceska" zu hinterfragen und andererseits eine zwar "nationale", aber friedfertige Gesinnung ihres Mandanten zu belegen. Auch kommende Woche, gleich zu Beginn der nächsten Etappe, geht es wieder darum.
Die Angeklagten im NSU-Prozess
Das sind die Beschuldigten im Münchner NSU-Prozess:
Beate Zschäpe: Sie tauchte 1998 gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt unter, um einer drohenden Festnahme zu entgehen. Die drei Neonazis aus dem thüringischen Jena gründeten eine Terrorgruppe und nannten sich spätestens ab 2001 Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).
Ralf Wohlleben: Der ehemalige Thüringer NPD-Funktionär mit Kontakten zur militanten Kameradschaftsszene soll Waffen für das Trio organisiert haben. Der 40-Jährige wurde am 29. November 2011 verhaftet. Nach Ansicht der Ermittler wusste er von den Verbrechen - er ist wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.
Carsten S.: Der 35-Jährige hat gestanden, den Untergetauchten eine Pistole mit Schalldämpfer geliefert zu haben. Er ist wie Wohlleben wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.
Andre E.: Der gelernte Maurer (35) war seit dem Untertauchen 1998 einer der wichtigsten Vertrauten des Trios und soll die mutmaßlichen Rechtsterroristen zusammen mit seiner Frau regelmäßig besucht haben. E. ist als mutmaßlicher Unterstützer der Gruppe angeklagt.
Holger G.: Der 40-Jährige gehörte wie Wohlleben und die drei Untergetauchten zur Jenaer Kameradschaft. Er zog 1997 nach Niedersachsen um. G. spendete Geld, transportierte einmal eine Waffe nach Zwickau und traf sich mehrfach mit dem Trio. Auch G. ist als mutmaßlicher Unterstützer der Gruppe angeklagt.
Vernehmung von Beate Zschäpe zieht sich hin
Ein weiteres Risiko betrifft die Hauptangeklagte Beate Zschäpe. Das liegt derzeit vor allem an der langwierigen und etwas quälenden Vernehmung der Hauptangeklagten. Fragen beantwortete sie nach wie vor nicht mündlich in der Verhandlung, sondern lässt sie von ihren Anwälten mitschreiben und formuliert dann mit Verteidiger-Hilfe Antworten, die im Gerichtssaal verlesen werden. Derzeit sind noch Hunderte Fragen von Nebenklage-Vertretern unbeantwortet. Antworten wird es kommende Woche wohl nicht geben. Einer von Zschäpes Verteidigern, Mathias Grasel, kehrt dem Vernehmen nach erst am Montag aus dem Urlaub zurück.
Auch der psychiatrische Gutachter hat auf seine Fragen an Zschäpe noch keine Antworten erhalten. Allerdings wollen Prozessbeteiligte mitbekommen haben, dass das Gericht ihn gefragt habe, wann er denn sein Gutachten fertigstellen und in der Verhandlung präsentieren könne. Das werten die meisten Beobachter als Zeichen dafür, dass das Gericht wohl nicht endlos auf Zschäpes Antworten warten und zum Ende kommen will. Das Gutachten über die Angeklagten markiert in der Regel das Ende der Beweisaufnahme. lby, dpa