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München: Das Fallbeil der Geschwister Scholl ist noch vom Blut getränkt

München

Das Fallbeil der Geschwister Scholl ist noch vom Blut getränkt

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    Die Widerstandskämpfer Sophie und Hans Scholl wurden offenbar mit diesem Fallbeil hingerichtet.
    Die Widerstandskämpfer Sophie und Hans Scholl wurden offenbar mit diesem Fallbeil hingerichtet. Foto: Walter Haberland, dpa

    Sophie Scholl ging ohne äußeres Anzeichen von Angst zu ihrer Hinrichtungsstätte. Ihr Bruder Hans machte es ihr nach und rief "Es lebe die Freiheit." Er habe niemals  solch unbeugsame Menschen zu seinem Fallbeil kommen sehen, soll der Henker der Geschwister Scholl, Johann Reichhart, später gesagt  haben. Seine über Jahrzehnte verschollen geglaubte Guillotine ist  nun wieder aufgetaucht - und könnte bald öffentlich gezeigt werden.

    Lange war geglaubt worden, die Guillotine, mit der die Mitglieder  der Widerstandsgruppe Weiße Rose und hunderte weitere Menschen von  den Nationalsozialisten hingerichtet worden waren, sei spurlos verschwunden. In den Wirren am Ende des Zweiten Weltkriegs war das  Fallbeil ins niederbayerische Straubing gebracht worden. Dort hieß  es dann, das Mordwerkzeug der Nazis sei in der Donau versenkt  worden.

    Suche nach Fallbeil im Fluss

    Die Widerstandsbewegung «Weiße Rose»

    «Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt. Entscheidet Euch, eh es zu spät ist!»

    Diese Botschaft verbreitete die Widerstandsbewegung «Weiße Rose» in ihrem fünften Flugblatt.

    Hier die wichtigsten Stationen ihres Widerstandskampfes.

    April 1942: Willi Graf lernt Hans Scholl und Alexander Schmorell kennen.

    Mai 1942: Sophie Scholl beginnt ihr Biologie- und Philosophie-Studium in München.

    27. Juni bis 12. Juli 1942: Hans Scholl und Schmorell entwerfen und verbreiten die ersten vier Flugblätter der «Weißen Rose».

    Ende Januar 1943: Das fünfte Flugblatt der «Weißen Rose» erscheint.

    Hans Scholl, Schmorell und Graf verteilen rund 5000 Exemplare nachts in der Münchner Innenstadt.

    Februar 1943: Die Gestapo richtet eine Sonderkommission ein, die ermitteln soll, wer hinter den regimekritischen Flugblättern steckt.

    12. bis 16. Februar 1943: Das von Kurt Huber verfasste sechste Flugblatt wird gedruckt und verteilt.

    18. Februar 1943: Sophie und Hans Scholl werden in der Universität München verhaftet, als sie dort Flugblätter verteilen.

    Am Abend werden Willi Graf und seine Schwester Anneliese verhaftet. Schmorell versucht, unterzutauchen.

    20. Februar 1943: Christoph Probst wird in Innsbruck verhaftet.

    22. Februar 1943: Die Geschwister Scholl und Christoph Probst werden vom Volksgerichtshof unter Vorsitz von Roland Freisler zum Tod durch die Guillotine verurteilt. Das Urteil wird noch am gleichen Tag vollstreckt.

    19. April 1943: Willi Graf, Schmorell und Huber werden zum Tode verurteilt.

    13. Juli 1943: Schmorell und Huber werden unter dem Fallbeil hingerichtet. 12. Oktober 1943: Nach monatelangen Verhören wird auch Graf hingerichtet.

    Dezember 1943: Britische Bomber werfen das sechste Flugblatt der «Weißen Rose» über Deutschland ab.

    Doch spätere Suchaktionen in dem Fluss blieben erfolglos - und  tatsächlich nahm das als Erinnerungsstück an die Brutalität der  NS-Justiz bedeutsame Fallbeil wohl einen ganz anderen Weg. Die  Guillotine wurde wohl von Straubing ins Gefängnis von Regensburg gebracht, sagt Sybe Wartena, Referent für Volkskunde im Bayerischen  Nationalmuseum in München. Und von dort wurde es 1974 an das  Nationalmuseum übergeben, das zu den großen europäischen Museen zählt.

    Nur ein einziges Mal bekam die Öffentlichkeit in den vier  Jahrzehnten das Fallbeil zu sehen. Das war 1980 in einer  Ausstellung über den Komiker Karl Valentin. Damit sollte daran  erinnert werden, wie Valentin 1934 in seinem Panoptikum eine  Hinrichtungsszene nachstellte und dies von den Nationalsozialisten  unterbunden wurde - dass es sich um das Fallbeil handelte, mit dem  die Geschwister Scholl getötet wurden, erfuhren die Betrachter  damals nicht.

    Hinrichtung der Geschwister Scholl: Es dauerte nur Sekunden

    Allerdings gab es schon seit längerem auch im Museum Gerüchte, es  handle sich um das bei der Hinrichtung der Widerstandskämpfer am  22. Februar 1943 eingesetzte Gerät, berichtet Wartena. Nach eineinhalbjähriger Recherche ist er nahezu sicher, dass dem so ist.  Das wichtigste Indiz: Henker Reichhart hatte zum Zeitsparen an seiner Guillotine das übliche Kippbrett abmontiert - und dies ist auch bei der nun gefundenen Guillotine der Fall.

    Die Mitglieder der "Weißen Rose"

    Die Geschwister Hans und Sophie Scholl sind heute die bekanntesten Mitglieder der Widerstandsgruppe «Weiße Rose».

    Doch ihre Freunde spielten eine ebenso wichtige Rolle.

    Sie gehörten zum engeren Kreis der Gruppe, sie gingen dasselbe Risiko ein - und auch sie wurden für ihre Überzeugungen von den Nazis ermordet.

    Hans und Sophie Scholl sind die bekanntesten Mitglieder der «Weißen Rose».

    Hans Scholl studierte Medizin, Sophie Scholl ab 1942 Biologie und Psychologie.

    Sie wurden am 18. Februar 1943 nach dem Verteilen von Flugblättern verhaftet und vier Tage später hingerichtet.

    Willi Graf studierte wie Hans Scholl Medizin. Im Frühjahr 1941 wurde er an der Ostfront als Sanitätsfeldwebel eingesetzt.

    Die Schrecken des Krieges vertraute er seinem Tagebuch an. Anders als die Geschwister Scholl weigerte er sich, der Hitlerjugend beizutreten.

    Willi Graf wurde am 12. Oktober 1943 von den Nazis getötet.

    Professor Kurt Huber lehrte Psychologie, Philosophie und Musikwissenschaft an der Münchner Uni.

    Seine Vorlesungen ohne Manuskript galten unter Studenten als Geheimtipp. Er verfasste das sechste Flugblatt der Widerstandsgruppe. Am 13. Juli 1943 wurde er mit dem Fallbeil hingerichtet.

    Christoph Probst wurde gemeinsam mit den Geschwistern Scholl zum Tode verurteilt und am gleichen Tag von den Nazis hingerichtet.

    Er war ein enger Schulfreund Hans Scholls, studierte ebenfalls Medizin, war verheiratet und hatte drei kleine Kinder.

    Alexander Schmorell wurde in Russland geboren und floh mit seiner Familie vor den Unruhen der russischen Revolution nach Deutschland.

    Schmorell lernte Hans Scholl 1941 beim Medizinstudium kennen. Die ersten Flugblätter verfassten Schmorell und Hans Scholl zu zweit unter großer Geheimhaltung.

    Schmorell wurde am 13. Juli 1943 gemeinsam mit Kurt Huber von den Nazis hingerichtet.

    Statt dass die Delinquenten zunächst über mehrere Minuten festgeschnallt wurden und dann in die Hinrichtungsposition gekippt  wurden, ließ Reichhart sie einfach von seinen Helfern packen und  unter das Fallbeil legen. Danach dauerte es nur Sekunden, bis er  den Mechanismus auslösen konnte und das etwa 15 Kilo schwere Messer  seine Opfer köpfte.

    Guillotine verwittert durch das Blut

    Und noch ein weiteres, makaberes Indiz spricht dafür, dass es sich um das Fallbeil aus dem Münchner Gefängnis Stadelheim handelt. In  den bayerischen Gefängnissen wurden nirgendwo mehr Hinrichtungen  vollzogen als in Stadelheim - und die Abnutzung sei deutlich zu  sehen, sagt Wartena. "Es ist richtig verwittert durch das Blut und  das regelmäßige Reinigen vom Blut." Mit bloßen Auge sei an vielen Stellen noch Blut zu sehen. Wegen dieser intensiven Spuren erwägt  das Museum sogar, einen Gen-Vergleich mit der DNA der Geschwister Scholl zu machen, sagt der Museums-Referent.

    Die Grausamkeit, die sich durch die Blutspuren offenbart, führe  aber auch zu hohen Ansprüchen an die mögliche Ausstellung der Guillotine in der Öffentlichkeit, sagt Wartena. Das Fallbeil solle  nicht makaber wirken, sondern könne und solle bei seinen  Betrachtern intensive Empfindungen auslösen.

    Wo das Fallbeil ausgestellt wird, ist noch offen. Interesse an  einer Ausstellung hat laut Wartena das Haus der bayerischen Geschichte. Aber auch andere Orte wie das Münchner Stadtmuseum oder das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg kämen  sicher in Frage. afp

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