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München: Andreas Gabalier scheitert im größten Triumph nur an sich selbst

München

Andreas Gabalier scheitert im größten Triumph nur an sich selbst

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    Andreas Gabalier war in München zu Gast.
    Andreas Gabalier war in München zu Gast. Foto: Felix Hörhager/dpa

    Nein, es lag nicht am Komplettausfall der Tonanlage, der die Show minutenlang lahmlegte, als Andreas Gabalier mit seinem Hit „I sing a Liad für di“ gerade erst so richtig in Fahrt kam. Das wirkte zwar ziemlich albern, weil er und seine Band die Musik ja noch über ihre Ohrstöpsel hörten und sich also samt dem lederbehosten Hüftkreisen des Steirers nach Leibeskräften abzappelten, während die 71.300 Zuschauer bloß noch eine unfreiwillig komische, stumme Slapstick-Nummer ihres Stars hinzunehmen hatten. Aber, so dröhnte der kurz darauf: „Eh wuaschd!“ Legte also nach kurzem, genervtem Bühnenabgang halt von vorn los, mit demselben Song, der wie sein Party-Ohrwurm „Hulapalu“ ja sowieso zum Ende des dreistündigen Konzerts noch mal wiederholt wurde, weil er eben für Maximal-Stimmung sorgt.

    Und nein, es lag auch nicht am prekär gewordenen Termin, dass die Krönung des atemberaubenden Aufstiegs von Andreas Gabalier ins Wackeln kam. An diesem Wochenende waren in München zwar wegen des Trauerns um die Opfer des Amoklaufs im Olympia-Einkaufszentrum alle Großveranstaltungen abgesagt worden – aber dass der Volks-Rock’n’Roller seine Rekord-Sause gleich nebenan am Samstag trotzdem feierte, passt ja zur Charakteristik des Fachs.

    Der Schlager, zu dem dessen Bastard aus Rock, Austro-Pop und Volkstümlichem gehört, blickt ja stets befremdet auf die komplexe Gegenwart und feiert das private, weltabgewandte Idyll umso inbrünstiger. So wäre Gabalier mit den Sätzchen, die er eingangs zur störenden Wirklichkeit sagte, auch da relativ unwackelig rausgekommen: „Traurige Ereignisse … Schön, dass ihr trotzdem alle da seid’s … Wir stehen doch für das Gute, oder?“ Und rumptata!

    Die 70.000 Fans sind beim Konzert begeistert von Andreas Gabalier

    Und so wäre es dabei geblieben, einmal mehr und nun in bislang nie dagewesenem Maße mitzuerleben, was den 31-Jährigen so erfolgreich macht. Vor knapp drei Jahren, es war seine erste Deutschland-Tour und draußen wartete eine ausverkaufte Kemptener BigBox, prophezeite er in Jeans und mit Baseball-Cap hinter der Bühne, dass das erst der Anfang der Bewegung der „Volks-Rock’n’Roller“ sei – mit E-Gitarre zu Dirndl und Lederhosen. Jetzt, nach gerade mal sieben Jahren als Musiker, sitzt er, seine Marke auf die Wade tätowiert, dort, wo sonst nur Weltstars und Helene Fischer Hof halten, vor vergleichsweise bescheidener Bühne, die ihn aber doch riesig genug zum Superman stilisiert, und ruft ins Riesenoval: „Hier sitzt kein Superstar, sondern ein einfacher steirischer Bauernbua!“ Und alles jubelt.

    Und alles singt selig wie im Oktoberfestzelt mit ihm „Bergbauernbuam“ und „Fesche Madln“, ein bisschen frivol „Die Beichte“, heimatselig „Steirerland“, wo die Welt halt noch in Ordnung ist; gleichgültig, dass das Jerry-Lewis-Cover „Great Balls of Fire“ seine Gesangsdefizite unüberhörbar werden lässt, gleichgültig auch gegenüber Stilblüten wie „Wenn ein kunterbunter Regenbogen dir zu Füßen liegt“ (in der Ballade „Verliebt, verliebt“); dafür zu Tränen bewegt beim abschließenden „Amoi segma uns wieder“, das er im Gedenken an Schwester und Vater schrieb, nachdem beide Selbstmord begangen hatten. Und wahrscheinlich werden die über 70.000 darum auch wieder kommen, wenn im nächsten Jahr, am 1. Juli, gleich das nächste Konzert hier im Olympiastadion ansteht. Das Rezept steht, der Erfolg wächst.

    Andreas Gabalier wackelt

    Es wackelt Gabalier selbst. Muss doch noch was sagen zur „schwierigen Zeit“ und „den großen Herausforderungen“, vor denen „eigentlich so fröhliche Länder wie Österreich und Deutschland“ stünden. Vor Monaten wurde er kritisiert, weil er sich für FPÖ-Mann Strache eingesetzt hatte. Jetzt präsentiert er sich als „gestandener junger Mann aus der Steiermark“, der „auch mal aneckt und sagt, was er denkt“, während sich viele andere von der Öffentlichkeit weichspülen ließen.

    Er singt im Lied „A Meinung haben“: Wos is des bloß, / wo kummt des her / neue Zeit, neues Land / wo führt des hin? // Wie kann des sein / dass a poar Leut / glauben zu wissen, / wos a Land so wü. // Is des der Sinn einer Demokratie? / Dass ana wos sogt und die andern san stü. // A Meinung ham, dahinter stehn; / den Weg vom Anfang zu Ende gehen …“ Er ruft ins Volk: „Schöner mit Ecken und Kanten durchs Leben als ohne eigene Meinung.“ Und sagt dann: „Alles, was ich jetzt sagen will, sag ich lieber nicht – weil ich auf euch aufpassen muss.“ Sagt also: nichts. Raunt nur.

    Aber als es dann auf die übliche Sperrstunde von 23 Uhr zugeht, raunzt er dafür: „Dass dieses Land politisch den Bach runtergeht“, das sei ja kein Geheimnis mehr – aber dass man hier nicht mehr einfach bis 23 Uhr feiern dürfe, weil er ständig über Ohrstöpsel des baldigen Endes gemahnt werde, das sei doch ein Skandal. So zeigt sich einmal mehr, dass, was die Frage der Größe eines Künstlers angeht, zwar das Format eine Rolle spielt – aber eben nicht das der Stadien seiner Konzerte. Oder: „Eh wuaschd“?

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