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Mordurteil: Fall Peggy Knobloch soll wiederaufgenommen werden

Mordurteil

Fall Peggy Knobloch soll wiederaufgenommen werden

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    Auf einem Friedhof in Nordhalben (Landkreis Kronach) steht der Grabstein der damals 9-jährigen Peggy Knobloch aus Lichtenberg. Das Mädchen ist seit dem 07.05.2001 vermisst. Die Leiche wurde nie gefunden.
    Auf einem Friedhof in Nordhalben (Landkreis Kronach) steht der Grabstein der damals 9-jährigen Peggy Knobloch aus Lichtenberg. Das Mädchen ist seit dem 07.05.2001 vermisst. Die Leiche wurde nie gefunden. Foto: Marcus Führer, dpa

    In diesem Fall ist nichts so, wie es scheint. Es gibt ein Grab, aber das Grab ist leer. Ein neunjähriges Mädchen verschwindet und wird für tot gehalten, aber es gibt keine Leiche. Es gibt einen vermeintlichen Täter, aber es gibt keine Zeugen. Und es gibt ein Urteil, aber der Hauptzeuge hat offenbar gelogen.

    Als Todesdatum auf dem Grab von Peggy Knobloch steht der 7. Mai 2001. Das ist der Tag, an dem die Neunjährige aus Lichtenberg in Oberfranken auf dem Weg von der Schule nach Hause verschwunden ist. Was wirklich geschah, ist umstritten. Die Diskussionen ebbten auch nicht ab, als der geistig zurückgebliebene Ulvi K. am 30. April 2004 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. War der Sonderling wirklich ein Mörder?

    Peggy Knobloch schont seit 12 Jahren verschwunden

    Jetzt, zwölf Jahre nach Peggys Verschwinden, gibt es neue Erkenntnisse, die einen Polizei- und Justizskandal ans Licht bringen könnten. Der Frankfurter Rechtsanwalt Michael Euler und Ulvis gerichtlich bestellter Vormund, Gudrun Rödel, haben mit hohem Aufwand recherchiert. Ergebnis: Ulvi kann es ihrer Ansicht nach nicht gewesen sein. Anwalt Euler hat gestern persönlich beim Landgericht Bayreuth einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens eingereicht (siehe Infokasten). Die Staatsanwaltschaft kündigt an, den Fall aufs Neue prüfen zu wollen. Die Prüfung wird erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Der Antrag umfasst beinahe 2000 Seiten.

    Peggy verschwand wenige Meter von ihrem Elternhaus entfernt. Eine der größten Suchaktionen in der deutschen Geschichte begann. Hundertschaften der Polizei, Spürhunde, Hubschrauber und Tornados der Bundeswehr mit Wärmebildkameras suchten das Mädchen überall. Sie fanden: nichts. Doch Zeugen wollten Peggy an diesem Tag noch gesehen haben. Eine Schülerin, die Peggy aus einem Bus heraus beobachtete. Zwei Jungs, die Peggy nach 15 Uhr vor der Bäckerei sahen und aussagten, sie sei in einen roten Mercedes mit tschechischem Kennzeichen gestiegen.

    Peggys Mutter verdächtigt den Nachbarn

    Die  Autospur führte ebenso ins Nichts wie andere Hinweise. Peggys Mutter Susanne Knobloch brachte schließlich den Nachbarsjungen Ulvi K. als Täter ins Gespräch. Der war damals 23, galt seit einer Hirnhautentzündung im Kindesalter als geistig behindert, aber harmlos – wenngleich er schon mal vor Kindern die Hosen herunterließ. Die Soko Peggy I nahm den Zurückgebliebenen fest und brachte ihn in ein psychiatrisches Krankenhaus. Die Ermittler verdächtigten ihn, Peggy umgebracht zu haben, um ein Sexualdelikt zu vertuschen.

    Die Ermittlungen entlasteten den Nachbarn aber. Der Leiter der Soko sagte etwa neun Monate nach der Tat, Ulvis Alibi sei „lückenlos“. Die Soko I wurde abgezogen. Der damalige bayerische Innenminister Günther Beckstein ließ eine neue einsetzen. Die Politik wollte nicht akzeptieren, dass dieses aufsehenerregende Verbrechen nicht aufgeklärt wird. Und tatsächlich kam nun Fahrt in die Sache. Die Kripo warb den Betrüger Peter H. als V-Mann an. Der saß ebenfalls in der Psychiatrie. Er sollte Ulvi aushorchen. „Sie sagten, wenn ich ihnen helfe, dann helfen sie mir auch. Da habe ich das Spiel mitgemacht. Was macht man nicht alles für seine Freiheit?“, sagt H. heute.

    Die Soko zapft einen Betrüger an

    Peter H. lieferte: Er berichtete der Soko, Ulvi habe ihm die Tat gestanden. Der kräftige junge Mann mit dem Verstand eines Achtjährigen wurde 40 Mal verhört. Dann gestand er. Zumindest ist dies in einem Gedächtnisprotokoll der Polizei so festgehalten. Eine Tonbandaufzeichnung gibt es nicht. Ulvi widerrief das Geständnis. Angeklagt wurde er dennoch. In den Akten hieß es, die Jungs aus Lichtenberg hätten ihre Aussage über den roten Mercedes zurückgezogen. Peter H. bestätigte vor Gericht, Ulvi habe ihm die Tat gestanden. Anwalt Euler sagt: „Ulvis Geständnis war falsch.“ Er habe nach dem erheblichen Druck der polizeilichen Vernehmungen nur noch seine Ruhe haben wollen.

    Ulvi wurde verurteilt. Wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zur Unterbringung in der Psychiatrie. Dort sitzt er zurzeit.

    Ziel des Wiederaufnahmeantrags ist Ulvi K.s Freispruch

    Heute versichert H. an Eides statt, er habe gelogen. Und er geht noch weiter: Die Polizei habe ihm gesagt, er solle aussagen, Ulvi habe sie gedrosselt, bis sie tot war. Die beiden Jungs aus Lichtenberg versichern Anwalt Euler heute, sie hätten das rote Auto mit Peggy doch gesehen. Das würden sie auch vor Gericht sagen. Auch die Tatzeit wackelt. Mehrere Zeugen wollen Peggy nach dem angeblichen Todeszeitpunkt gesehen haben.

    Insgesamt 15 Entlastungszeugen will Anwalt Euler in den Akten gefunden haben. Ziel des Wiederaufnahmeantrags ist ein Freispruch. Nur einmal angenommen, es käme so weit. Das würde nicht nur Ulvi K.s Rehabilitation bedeuten, sondern auch, dass der wahre Mörder oder Entführer von Peggy Knobloch womöglich immer noch frei herumläuft.

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