Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Modellauto-Affäre: Der Fall Haderthauer: Fakten und die Aussichten für die Ministerin

Modellauto-Affäre

Der Fall Haderthauer: Fakten und die Aussichten für die Ministerin

    • |
    ARCHIV - Christine Haderthauer (CSU) spricht am 18.05.2013 auf dem 64. Sudetendeutschen Tag in der Schwabenhalle in Augsburg (Bayern). Foto: Andreas Gebert/dpa (zu dpa "Der Fall Haderthauer - Fakten und Perspektiven") +++(c) dpa - Bildfunk+++
    ARCHIV - Christine Haderthauer (CSU) spricht am 18.05.2013 auf dem 64. Sudetendeutschen Tag in der Schwabenhalle in Augsburg (Bayern). Foto: Andreas Gebert/dpa (zu dpa "Der Fall Haderthauer - Fakten und Perspektiven") +++(c) dpa - Bildfunk+++ Foto: Andreas Gebert

    Ihre frühere Beteiligung an der Modellauto-Firma Sapor Modelltechnik hat Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) in die schwerste Krise ihrer politischen Karriere gestürzt. Sie sieht sich mit zweierlei Vorwürfen konfrontiert: Den Landtag belogen und einen früheren Geschäftspartner betrogen zu haben. Den ersten Vorwurf erhebt die Opposition im Landtag, den zweiten untersucht die Staatsanwaltschaft München II. 

    Worauf gründet der Betrugsverdacht der Staatsanwaltschaft?

    Chronologie: Der Fall Haderthauer

    Als junge Rechtsanwältin steigt die spätere Staatskanzleichefin Christine Haderthauer 1990 in das Modellauto-Geschäft ein. Ein knappes Vierteljahrhundert später steht sie unter Betrugsverdacht.

    16. Mai 1988 - Der dreifache Sexualmörder Roland S. wird vom Landgericht Nürnberg zu lebenslanger Haft und Unterbringung verurteilt. Im Maßregelvollzug lernt S. Assistenzarzt Hubert Haderthauer kennen.

    1990 - Der Dreifachmörder baut Modellautos. Haderthauers Frau Christine wird Teilhaberin der Firma Sapor Modelltechnik, die die Autos verkauft. Ein Mitgesellschafter ist der Franzose Roger Ponton. Das Geschäft läuft schlecht, Ponton soll Geld nachschießen. Laut Haderthauer antwortet er nicht auf entsprechende Kontaktversuche und ist seit 1996 nicht mehr erreichbar.

    2004 - Haderthauer überträgt nach ihrem Einzug in den Landtag ihren Firmenanteil an Ehemann Hubert.

    2008 - Christine Haderthauer wird Ministerin, Hubert Haderthauer - inzwischen Landgerichtsarzt in Ingolstadt - verkauft die Firma.

    6. April 2011 - Der nach Darstellung der Haderthauers jahrelang nicht erreichbare Ponton meldet sich und verlangt eine Abfindung für seinen Anteil. Die Parteien einigen sich auf 20 000 Euro.

    2013 - Der «Spiegel» berichtet über die Modellauto-Geschäfte. Die bayerische Landesanwaltschaft führt unter anderem wegen der früheren Modellauto-Geschäfte ein Disziplinarverfahren gegen Dr. Haderthauer.

    Mai 2014 - Ponton erstattet Betrugsanzeige. Er vermutet, dass die Haderthauers ihn bei der Abfindung um rund 30 000 Euro prellten.

    1. August 2014 - Die Staatsanwaltschaft München II leitet förmliche Ermittlungen wegen Betrugsverdachts gegen die Staatskanzleichefin ein. Gegen ihren Mann wurde bereits vorher ermittelt.

    5. August 2014 - Seehofer macht den Verbleib Haderthauers im Amt von zwei Faktoren abhängig: dem Ausgang des Ermittlungsverfahrens und eventuellen neuen Enthüllungen.

    10. August 2014 - Seehofer fordert von Haderthauer schnelle Aufklärung der Vorwürfe.

    1. September 2014: Haderthauer erklärt ihren Rücktritt wegen der «Modellbau-Affäre».

    Haderthauer schied Ende 2003 aus der Firma Sapor Modelltechnik aus und übertrug ihren Anteil an Ehemann Dr. Hubert Haderthauer. Die Staatsanwälte vermuten, dass die Gewinne der Firma in den Jahren 2007 und 2008 zu niedrig angegeben wurden und Dr. Haderthauer dem  Ex-Geschäftspartner Roger Ponton 2011 eine zu niedrige Abfindung von 20 000 Euro zahlte. Laut Staatsanwaltschaft war die Ministerin aber auch nach 2003 weiter in die Geschicke der Firma involviert. Unter anderem führte sie den Briefverkehr mit dem Steuerberater, in einem überwiegend von ihr genutzten gemeinsamen Arbeitszimmer fand sich bei einer Hausdurchsuchung ein Aktenordner "Sapor".

    Damit besteht für die Ermittler der Verdacht, dass sie über die finanzielle Lage der Firma gut informiert war. Sofern sich der Betrugsverdacht erhärten sollte, hätte das Ehepaar Haderthauer den Franzosen Ponton somit gemeinschaftlich geprellt. Dabei geht es um eine Summe von 33 300 Euro, die Ponton möglicherweise vorenthalten wurde. Ihr Mann steht darüber hinaus noch unter dem Verdacht der Steuerhinterziehung.

    Hat Haderthauer den Landtag belogen?

    Die CSU-Politikerin hat nach eigener Zählung inzwischen gut 120 Landtagsanfragen zu dem Thema beantwortet. Über Monate beantwortete sie Fragen zu ihrer Beteiligung an dem Kleinunternehmen mit dem Hinweis, sie sei Ende 2003 ausgeschieden. Fragen zu den Sapor-Aktivitäten vor ihrem Einzug in den Landtag 2003 beantwortete sie gar nicht. Das Argument: Es handle sich um ihre Privatsphäre. Bei den allermeisten Fragen gibt es keine Zweifel, dass die Antworten der Wahrheit entsprachen. Die Opposition hätte sich jedoch in vielen Fällen ausführlichere Antworten gewünscht und wirft der Staatskanzleichefin neben falschen auch unvollständige Antworten vor.

    Worauf gründen sich Zweifel am Wahrheitsgehalt von Haderthauers Antworten?

    Das ist Christine Haderthauer

    2003 zog die 51-jährige Juristin erstmals in den Landtag ein, 2007 machte sie der damalige Parteichef Erwin Huber zur Generalsekretärin.

    2008, nach dem CSU-Absturz bei der Landtagswahl, stand sie vor dem politischen Aus. Doch Haderthauer überlebte. Ministerpräsident Horst Seehofer machte sie – für viele überraschend – zur Sozialministerin. 2013 wechselte sie in die Staatskanzlei.

    Haderthauer gilt als Allzweckwaffe der CSU. Sie ist bundesweit bekannt, auch wegen ihres losen Mundwerks, wird zu allen politischen Themen gefragt und zu Talkshows in Berlin eingeladen.

    Zuletzt war sie wegen einer gefährlichen Verengung der Halsschlagader für etwa einen Monat außer Gefecht gesetzt. (dpa)

    Unter anderem auf Haderthauers Antwort auf eine Anfrage der Grünen vom 25. Mai 2013. Damals wollte die Abgeordnete Ulrike Gote wissen, ob "die Staatsregierung" von persönlichen Treffen von Haderthauers Mann Hubert mit Modellautobauer und Dreifachmörder Roland S. wusste? Die Antwort: "Nein". Das ist zumindest irreführend, denn Haderthauer war auch damals schon Mitglied der Staatsregierung und wusste, dass ihr Mann den Modellautobauer kannte. Die Staatsregierung als Kollektivorgan hatte nach derzeitigem Stand aber tatsächlich keine Akten über Begegnungen Dr. Haderthauers mit dem Mörder. 

    Was spricht auf der anderen Seite für Haderthauers Sicht, es handle sich um Diffamierung?

    Haderthauers Gegner haben eigene Interessen. Der ehemalige Geschäftspartner Ponton will nachträglich Geld herausholen. Der zweite ehemalige Geschäftspartner Friedrich Sager hat zumindest eine alte Rechnung mit dem Ehepaar Haderthauer offen: Er musste 1992 auf Druck der Haderthauers seinen Anteil abgeben, weil er damals selbst Ärger mit der Justiz hatte. Außerdem treten als Belastungszeugen in den Medien die Modellautobauer auf, die wegen schwerer Verbrechen im Maßregelvollzug saßen oder sitzen und in der Justiz nicht als glaubwürdige Zeugen gelten. 

    Was ist der Standpunkt der Haderthauers?

    Das Ehepaar argumentiert, dass Ponton keineswegs übers Ohr gehauen worden sei. Denn 2011 hatte dessen damaliger Anwalt sogar eine höhere Abfindungssumme ausgerechnet als heuer die Staatsanwaltschaft. Ponton gab sich dann mit 20 000 Euro zufrieden, nachdem ihn der Haderthauer-Anwalt auf die Verjährung eines Großteils seiner Ansprüche aufmerksam gemacht hatte. Dr. Haderthauer hatte Sapor Modelltechnik schon drei Jahre vorher verkauft. Dem Vernehmen nach betrug auch der Verkaufspreis für die gesamte Firma lediglich gut

    20 000 Euro. Das deutet nicht darauf hin, dass Sapor Modelltechnik die "horrenden Gewinne" machte, von denen Haderthauers Kritiker ausgehen.

    Wo gibt es Widersprüche in den Aussagen? 

    Eine ganz wesentliche Frage ist ungeklärt: Noch immer weiß niemand genau, wie viele Modellautos im Laufe der Jahre gebaut wurden. Damit kann auch nicht abschließend beantwortet werden, wie hoch die Gewinne von Sapor Modelltechnik tatsächlich waren. Grund der Verwirrung sind aber nicht nur die Haderthauers. Dem Vernehmen nach ist die Steuerfahndung sogar auf Widersprüche in den Produktionsdaten des Erbauers S. und des Bezirkskrankenhauses Straubing gestoßen - und hat mangelhafte Buchführung der Klinik in Sachen Modellautos bemängelt. 

    Es gibt noch weitere Widersprüche: Ponton sagte in einem Interview, die Haderthauers hätten den Dreifachmörder S. fünfzig Mal zum Essen ausgeführt. Die CSU-Politikerin jedoch erklärte anschließend auf Facebook, sie sei kein einziges Mal mit S. beim Essen gewesen. Und Haderthauer erklärte vergangene Woche, die Beteiligung an Sapor Modelltechnik sei ein "von Idealismus getragenes Engagement finanzieller Art" gewesen. Das irritierte mehrere CSU-Spitzenpolitiker, schon bevor Ponton und Sager der Staatskanzleichefin widersprachen.

    Wie steht es um Haderthauers Chancen, den Fall zu überstehen?

    Das hängt im wesentlichen von der Arbeit der Staatsanwälte ab. Im Falle einer Anklage oder eines Strafbefehls müsste sie unweigerlich zurücktreten. Sollten die Ermittlungen eingestellt werden, könnte Seehofer seine Staatskanzleichefin zunächst im Amt belassen. Endgültig überstanden hätte sie die Angelegenheit damit aber nicht. Denn es wird auch einen Untersuchungsausschuss des Landtags geben, der belastendes Material zutage fördern könnte. Selbst geschadet hat sich Haderthauer CSU-intern mit dem Versuch, die Beteiligung bei Sapor als eine Art wohltätiges Werk darzustellen. 

    Denkbar ist theoretisch auch, dass die Ermittlungen gegen die Politikerin eingestellt werden, ihr Mann aber angeklagt wird, da er die Hauptrolle bei Sapor Modelltechnik spielte. Welche Überlegungen Ministerpräsident Horst Seehofer für diesen Fall anstellt, ist nicht bekannt. Politisch sehr schwierig für Haderthauer wäre das aber auf jeden Fall.Carsten Hoefer, dpa

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden