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Mittelfranken: "Reichsbürger" erschießt Polizisten - Bestürzung bei Politikern

Mittelfranken

"Reichsbürger" erschießt Polizisten - Bestürzung bei Politikern

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    Bei einer Razzia in Georgensgmünd in Franken hat ein Anhänger der rechtsextremen "Reichsbürger" auf Polizisten geschossen.
    Bei einer Razzia in Georgensgmünd in Franken hat ein Anhänger der rechtsextremen "Reichsbürger" auf Polizisten geschossen. Foto: Grundmann, News5

    Nach den Schüssen eines sogenannten Reichsbürgers bei einer Razzia im mittelfränkischen Georgensgmünd ist einer der verletzten Polizisten gestorben.

    "Das Polizeipräsidium Mittelfranken bedauert mitteilen zu müssen, dass der lebensgefährlich verletzte Beamte der Spezialeinsatzkräfte Nordbayern in den frühen Morgenstunden in einer Klinik in Folge seiner schweren Schussverletzungen verstorben ist", hieß es in einer Mitteilung. Am Mittwochabend hatte die Polizei den Tod des Beamten zunächst noch fälschlicherweise vermeldet.

    De Maizière erschüttert über Tod des Polizisten

    Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat mit Erschütterung auf den Tod eines 32-jährigen Polizisten reagiert. "Heute früh hat mich die entsetzliche Nachricht erreicht, dass einer der gestern von einem so genannten Reichsbürger angeschossenen Beamten seinen Verletzungen erlegen ist. Meine Gedanken und mein Mitgefühl sind in dieser schweren Stunde bei den Angehörigen", erklärte der Minister am Donnerstagmorgen in Berlin. Die zunehmenden Angriffe von Extremisten auf Polizisten in Deutschland seien "unerträglich und inakzeptabel". De Maizière betonte: "Wir müssen alles dafür tun, dass sie nicht Opfer von tätlichen Angriffen werden."

    Auch Bayerns Staatsregierung hat sich zutiefst betroffen gezeigt. "Der Tod des jungen Polizisten im direkten Einsatz für die Sicherheit der Menschen im Freistaat macht mich fassungslos. Ganz Bayern trauert", sagte Ministerpräsident Horst Seehofer. Innenminister Joachim Herrmann sagte: "Dieses brutale Verbrechen macht uns alle fassungslos." Es sei eine schwere Stunde für die bayerische Polizei und ein schrecklicher Verlust.

    Den Angehörigen und Kollegen sprachen Seehofer und Herrmann ihr Mitgefühl und "volle Solidarität" aus. Die Polizei im Freistaat werde bis zur Beerdigung des 32-Jährigen, der am Mittwoch bei einer Razzia im mittelfränkischen Georgensgmünd von einem 49-Jährigen angeschossen worden war, Trauerflor tragen.

    Der "Reichsbürger" soll am Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt werden. Der 49-Jährige hatte bei der Razzia am Mittwoch auf Beamte geschossen. Die hatten den Auftrag, mehr als 30 Waffen bei dem Mann zu beschlagnahmen. Der Jäger und Sportschütze hatte sich seit Wochen den Behörden verweigert. Das Landratsamt entzog ihm daher wegen Unzuverlässigkeit den Waffenschein.

    In dem Haus des 49-Jährigen kam es am frühen Mittwochmorgen zu dramatischen Szenen. Nachdem die Polizisten die Haustür aufgebrochen und eine Treppe hinaufgeeilt waren, eröffnete der Täter durch eine geschlossene Tür das Feuer. Der Polizist, der am Donnerstag verstarb, wurde dabei lebensgefährlich verletzt.

    Ein weiterer Beamter erlitt einen Durchschuss des Oberarms, zwei Polizisten wurden durch herumfliegende Glassplitter verletzt. Der Täter selbst blieb unverletzt. Er trug eine Schutzweste.

    "Reichsbürger" greifen immer wieder Polizisten an

    Die Schüsse auf die Polizisten lösten eine Debatte über den Umgang mit den „Reichsbürgern“ aus. Diese Bewegung ist in etliche Kleinstgruppen zersplittert, die vor allem eines gemeinsam haben: Sie erkennen den Staat nicht an und behaupten, dass das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 noch existiere. Daher zahlen viele dieser Staatsverweigerer keine Steuern und Geldbußen. Weil die Bewegung keine feste Organisationsstruktur hat, lässt sich die Zahl der „Reichsbürger“ in Deutschland nicht beziffern.

    Fakt ist aber, dass Anhänger dieser Bewegung immer wieder Beamte angreifen. Erst in jüngster Zeit war es zu Zwischenfällen gekommen. Ende August schoss zum Beispiel ein 41-Jähriger in Sachsen-Anhalt ebenfalls auf Polizisten.

    Reichsbürger, Germaniten, Identitäre - Die Szene der Staatsverweigerer

    Die Bewegung der Staatsverweigerer ist sehr heterogen. Sie umfasst mehrere sektenartige Gruppen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen, die seit den 1980er-Jahren entstanden und untereinander zerstritten sind.

    Nur in einem sind sie sich einig: Deutschland sei kein echter Staat, das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 bestehe fort.

    Die Gruppen haben keine feste Organisationsstruktur.

    Die erste bekannte Organisation von „Reichsbürgern“ wurde 1985 als „Kommissarische Regierung des Deutschen Reiches“ gebildet. Gründer war Wolfgang Gerhard Günter Ebel, ein Westberliner Eisenbahner, der sich fortan „Reichskanzler“ nannte.

    Die Anhänger sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab.

    Ein Schwerpunkt in der Region ist das Allgäu. Doch bayernweit nehmen die Zahlen der "Reichsbürger" zu. Derzeit sind knapp über 300 Personen im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West als „Reichsbürger“ eingestuft.

    Die Germaniten wurde im Dezember 2010 von einer gewissen Ulrike Kuklinski auf der Schwäbischen Alb gegründet.

    Sie sieht sich als Opfer der deutschen Justiz und bildete mit Gleichgesinnten die Behindertenfürsorge „Deutsche Ringvorsorge“, die Keimzelle des „Staates Germanitien“.

    Die Bewohner verstehen sich allen Ernstes als souveränes Staatsvolk mit einem eigenen Staatsgebiet in den Grenzen von 1937.

    Der Ursprung der Identitären Bewegung liegt in Frankreich, wo sie zu Beginn des Jahrhunderts im Dunstkreis des Front National entstand. Sehr aktiv ist die IB in Österreich, neuerdings auch in Bayern.

    Sie ist ethnopluralistisch – jede Ethnie soll ihren eigenen Raum haben – und geht von einer geschlossenen „europäischen Kultur“ aus, die vor allem vom Islam bedroht sei. Für Experten ist die IB eine neue Form des Rechtsextremismus. (hogs, sohu)

    Die Bundesregierung hatte erst im September vor einer Radikalisierung der Bewegung gewarnt. Das aggressive Verhalten von Reichsbürgern gegen Vollzugsbeamte belege, „dass zumindest in Teilen der Bewegung anlassbezogen auch vor schwersten Gewalttaten bis hin zu Tötungsdelikten nicht zurückgeschreckt wird“, hieß es in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen.

    "Reichsbürger" sollen strenger überwacht werden

    Wie richtig diese Einschätzung war, zeigte sich nun in Franken. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte an, die „Reichsbürger“ stärker zu beobachten und schärfer gegen sie vorzugehen. Er sei „entsetzt über den Fall“, es handle sich um eine „bisher so in Bayern nicht gekannte Eskalation“. Teile der „Reichsbürger“-Bewegung werden in Bayern bereits vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Deutsche Polizeigewerkschaft forderte ein „bundesweites und behördenübergreifendes Lagebild“ sowie eine umfassende Überwachung durch den

    Linke und Grüne warfen der Bundesregierung vor, die von den „Reichsbürgern“ ausgehende Gefahr unterschätzt zu haben. Die Bewegung vertrete „nicht nur eine spinnerte Ideologie, sondern ist eine reale Gefahr für die innere Sicherheit“, sagte die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic. Die Bundesregierung will die „Reichsbürger“ nun neu bewerten. Der „erschreckende Vorfall“ werde sicher Anlass sein, zu schauen, ob die bisherigen Bewertungen Bestand hätten, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. (mit dpa)

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