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Missbrauchsfälle: Kirche und Kabinett demonstrieren Einigkeit

Missbrauchsfälle

Kirche und Kabinett demonstrieren Einigkeit

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    Der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, schaut am Dienstag (04.05.2010) in der Katholischen Akademie in München (Oberbayern) in Richtung des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU). (dpa)
    Der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, schaut am Dienstag (04.05.2010) in der Katholischen Akademie in München (Oberbayern) in Richtung des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU). (dpa) Foto: mum ggr

    Bayerns Bischöfe und die bayerische Staatsregierung haben sich bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche auf eine gemeinsame Linie verständigt.

    Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx sicherte beim jährlichen Treffen der Bischöfe mit dem Kabinett im Namen der Freisinger Bischofskonferenz zu, eng mit der Justiz zusammenzuarbeiten - "ohne Wenn und Aber". Für die Staatsregierung bekräftigte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) die Strategie der "Null-Toleranz" gegenüber sexuellem Missbrauch von Kindern, warnte aber zugleich davor, die Kirche unter Generalverdacht zu stellen.

    "Die vollständige Aufklärung der Taten hat oberste Priorität"

    Ihren Schulterschluss demonstrierten Marx und Seehofer gestern Mittag im Foyer der Katholischen Akademie in München mit einem gemeinsamen Auftritt vor der Presse. Nachfragen waren zwar nicht zugelassen, aber es gab eine ausführliche gemeinsame Erklärung.

    Erzbischof Marx betonte, dass die Bischöfe "mit Betroffenheit und Scham auf die in kirchlichen Institutionen verübten Fälle von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen" sehen. Er sagte zu, "alles zu tun, um in Zukunft solche Taten zu verhindern". In der Erklärung heißt es zum weiteren Vorgehen der Bischöfe: "Oberste Priorität hat die vollständige Aufklärung aller Taten von sexueller Gewalt, die durch Geistliche oder sonstige kirchliche Mitarbeiter verübt wurden. Ihre Aufarbeitung hat umfassend und gründlich zu erfolgen, ohne Ansehen der Person des beschuldigten Täters und ohne Rücksicht auf dessen Stellung. Die katholische Kirche wird bei Verdachtsfällen und bei diesbezüglichen Meldungen ohne Wenn und Aber mit den zuständigen staatlichen Stellen, insbesondere den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten. Sie beansprucht keinen eigenen Rechtsraum losgelöst vom staatlichen Recht."

    Marx sicherte außerdem zu, dass sich die bayerischen Bischöfe bei der bereits laufenden Überarbeitung der kirchlichen Leitlinien dafür einsetzen, dass jeder Verdachtsfall von sexuellem Missbrauch an die Staatsanwaltschaften weitergeleitet wird. Marx räumte ein, dass die bisher geltenden Leitlinien möglicherweise nicht ausreichend waren: "Vielleicht haben wir vor zehn Jahren die Dimensionen noch unterschätzt."

    Auch Fälle, die strafrechtlich bereits verjährt sind, sollen nicht ignoriert, sondern mit kirchlichen Mitteln behandelt werden. Wörtlich sagte der Erzbischof dazu: "Solange Opfer leben, haben sie ein Recht darauf, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt."

    Marx sprach ausdrücklich im Namen aller Bischöfe. Dass bei dem Treffen in München ausgerechnet die Vertreter der Bistümer Augsburg und Würzburg fehlten, habe "keinen besonderen Hintergrund". Die Kollegen seien aufgrund wichtiger Termine verhindert gewesen.

    Seehofer dankte den Bischöfen für "die deutlichen und klaren Worte - nicht nur heute, sondern auch in den letzten Monaten". Er betonte den Willen der Staatsregierung zur "tabulosen und ausnahmslosen Aufklärung" aller Missbrauchsfälle.

    Seehofer: "Bayern ist weltanschaulich neutral"

    "Auf der anderen Seite", so fuhr er fort, "dürfen wir auch nicht in eine Verallgemeinerung eintreten". Bayern sei ein weltanschaulich neutraler, aber kein wertneutraler Staat. Er sei geprägt von christlichen Werten und, so Seehofer, "diese Werte sind für uns der Maßstab für unser Handeln". Er erinnerte an die "Zigtausend Menschen", die in den Kirchen unterwegs sind und sich "mit großem Idealismus" engagieren. Deshalb dürfe man die Kirche jetzt nicht unter Generalverdacht stellen.

    Die Staatsregierung betonte gestern in der Erklärung auch die große Bedeutung der Prävention. Die bereits eingeleiteten Maßnahmen sollen noch weiter ausgebaut werden, "um Kindeswohlgefährdung in einem möglichst frühen Stadium zu erkennen, beziehungsweise von vornherein auszuschließen." Dazu gehörten unter anderem "verpflichtende Früherkennungsuntersuchungen oder der seit Juli 2009 laufende Aufbau sozialer Frühwarn- und Fördersysteme in Form der koordinierenden Kinderschutzstellen in den Kommunen. Von Uli Bachmaier

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