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Missbrauch in Diözese Augsburg?: Kirchen-Delegation will beim Staatsanwalt auspacken

Missbrauch in Diözese Augsburg?

Kirchen-Delegation will beim Staatsanwalt auspacken

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    Missbrauchsskandal.
    Missbrauchsskandal. Foto: DPA

    Die Augsburger Staatsanwaltschaft bekommt heute Besuch von der Diözese Augsburg.Die Kirchen-Delegation will der Behörde Erkenntnisse zumThema Missbrauchsverdacht weitergeben, sagte Matthias Nickolai,Sprecher der

    Die Diözese habe "umfassende Kooperationsbereitschaft versichert", so Nickolai gegenüber AZ-Online.

    Ein Pfarrer aus einer Gemeinde im nördlichen LandkreisAichach-Friedberg hat sich selbst angezeigt. Wie berichtet, hatte dieDiözese Augsburg den Geistlichen dazu aufgefordert und ihm einUltimatum bis Montag Abend gesetzt. Wie die Pressesprecherin derDiözese Kathi Marie Ulrich am Dienstagmorgen mitteilte, hat derPfarrer "die notwendigen Informationen an die StaatsanwaltschaftAugsburg weitergeleitet". Dies sei schriftlich erfolgt.

    Der plötzliche und "freiwillige" Abschied des Pfarrers vor elfJahren war begleitet von unterschwelligen Kindesmissbrauchs-Gerüchten.Der Verdacht wurde von der Justiz nicht untersucht und von der Diözesedamals auf Anfrage unserer Zeitung bestritten.

    Jetzt, im Zuge der Vorwürfe gegen die katholische Kirche, zwingt dieDiözese Augsburg den früheren Pfarrer nach "neuen Hinweisen" zu einerSelbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft Augsburg mit einem Ultimatum.Wenn die Anzeige dort nicht bis Montagabend eingegangen sei, dannschalte die Diözese selbst den Staatsanwalt ein, heißt es in einerPressemitteilung, die am Montag verbreitet wurde. Die Justiz soll denVerdacht aufklären. Die Diözese reagierte damit auf eine Nachfrage derAichacher Nachrichten in der vergangenen Woche und nahm Stellung zudiesem Fall.

    Die Rede ist jetzt von Annäherungen an Kinder "auf moralischfragwürdige" Weise. Näher wurden die Vorwürfe nicht erläutert. In derErklärung wird nicht auf den Ort eingegangen, sondern nur allgemein voneinem Fall in der Diözese gesprochen. Der betroffene Priester sei vonseinen jetzigen Aufgaben (er ist seit 1999 nicht mehr alsGemeindepfarrer tätig) mit sofortiger Wirkung entbunden worden.

    Schon vier Wochen nach der überraschenden Ankündigung eines"Wechsels aus freien Stücken und aus rein persönlichen Gründen", so derdamalige stellvertretende Generalvikar und Personalreferent, JosefHeigl, auf Anfrage der Aichacher Nachrichten, war 1999 ein Nachfolgerins Pfarrhaus eingezogen. Über 20 Jahre war der in großen Teilen derGemeinde durchaus beliebte und angesehene Pfarrer dort zuvor tätig.

    Er wurde auch mit feierlichen Gottesdiensten verabschiedet. Damalsgab es Gerüchte über angebliche Vorfälle bei seiner Jugendarbeit undAusflügen mit Ministranten. Es gab auf der anderen Seite aber auchAussagen von Jugendlichen, die dem Pfarrer keinerlei Fehlverhaltenattestierten. Dass Vorwürfe der Grund für die "Abberufung" waren, wurde1999 von der Diözese aber verneint.

    Der Pfarrer habe selbst die Versetzung beantragt, betonte Heigldamals gegenüber unserer Zeitung. Auch die Vertreter der Pfarrgemeindeäußerten sich sehr zurückhaltend: Der kurzfristige Abschied kommeüberraschend, werde aber akzeptiert, hieß es.

    Die bekannt gewordenen Missbrauchsfälle der vergangenen Tage,besonders an katholischen Schulen und Internaten, haben offensichtlichdiese Vorfälle wieder aufgewühlt. Laut Pressemitteilung hatte dasBistum 1999 Hinweise von Eltern erhalten, die sich auf "moralischfragwürdige Verhaltensweisen" des Gemeindepfarrers gegenüber Kindernbezogen.

    Die Eltern der Kinder hätten das Bischöfliche Ordinariat damalsallerdings ausdrücklich gebeten, "im Interesse ihrer Kinder keinöffentliches Aufsehen zu erregen" und von einer Strafanzeige abzusehen,so Pressesprecherin Kathi Marie Ulrich. Gleichzeitig baten die Elterndamals um "disziplinarische Maßnahmen" gegen den Pfarrer.

    Der beschuldigte Pfarrer hatte seinerzeit bestritten, dass seinVerhalten gegenüber Kindern und Jugendlichen jemals die Schwelle desmoralisch oder rechtlich Erlaubten verletzt habe, so die Diözese.

    Der Personalreferent habe den Pfarrer dennoch aufgrund derSachverhaltsschilderung der Eltern "unverzüglich von dessen Pfarrstelleabberufen" und mit einer Aufgabe betraut, bei der keine Gefahr einesunkontrollierten Kontaktes zu Kindern und Jugendlichen bestanden habe,schildert Pressesprecherin Ulrich den "Wechsel aus freien Stücken"heute.

    Und: Auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern sei die Versetzung nachAußen und für die Öffentlichkeit auf "persönliche Gründe" gestützt unddargestellt worden. Die neue Aufgabe des früheren Pfarrers wurde damalsaber auch, zumindest in Teilen der Bevölkerung, als indirekteBestätigung der Vorwürfe gedeutet.

    Aufgrund "aktueller Hinweise" habe das Bischöfliche Ordinariat denVorgang jetzt neu aufgegriffen. Diese "neuen Hinweise" beziehen sichnur auf den damaligen "Verdachtsfall", betonte Sprecherin Kathi MarieUlrich gestern auf Nachfrage. Nach einem Gespräch mit dem ehemaligenPfarrer am vergangenen Freitagnachmittag habe derMissbrauchsbeauftragte der Diözese, Domkapitular Harald Heinrich, demPriester "dringend nahegelegt", die Staatsanwaltschaft über denfraglichen Tathergang zu informieren und diesen rückhaltlos aufklärenzu lassen. Auf jeden Fall werde im Laufe der Woche ein Gesprächzwischen Generalvikar Karlheinz Knebel und Oberstaatsanwalt ReinhardNemetz stattfinden, um zu klören, wie künftig in solchen Fällenvorgegangen werde, sagte die Pressesprecherin am Dienstag.

    Dem Priester wurde mehr oder weniger ein Ultimatum gestellt: Es seiunmissverständlich klar gemacht worden, dass die Diözese dieStaatsanwaltschaft einschalten werde, wenn die Selbstanzeige nicht amMontag eintreffe, so Pressesprecherin Ulrich. (cli/nos/cor)

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