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Memminger Lindenschule: Ein Jahr nach dem Amokalarm: "Hatten damals riesiges Glück"

Memminger Lindenschule

Ein Jahr nach dem Amokalarm: "Hatten damals riesiges Glück"

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    Am 22. Mai 2012 hat der Amokalarm an der Memminger Lindenschule bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.
    Am 22. Mai 2012 hat der Amokalarm an der Memminger Lindenschule bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Foto: Ralf Lienert

    Vor genau einem Jahr hat der Amokalarm an der Memminger LindenschuleLindenschule bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Ein damals 14-jähriger Schüler hatte zunächst in der Mensa der Mittelschule einen Schuss abgegeben. Anschließend verschanzte er sich mit zwei scharfen Waffen auf einem Sportplatz in Steinheim, wo er zahlreiche weitere Schüsse abfeuerte. Erst nach mehreren Stunden gab der Schüler auf. Verletzt wurde niemand. Der mittlerweile 15-Jährige wurde zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Wie die Situation ein Jahr nach dem Vorfall an der Lindenschule aussieht, darüber sprachen wir mit Rektor Franz M. Schneider.

    Herr Schneider, wie präsent sind den Schülern und Lehrern noch die Ereignisse vom 22. Mai 2012?

    Schneider: Das ist an unserer Schule eigentlich kein Gesprächsthema mehr, zumindest zwischen Lehrern und Schülern. Das liegt wahrscheinlich vor allem daran, dass wir damals riesiges Glück hatten und niemand körperlichen Schaden davongetragen hat.

    Ist es ein Vorteil, dass der Jahrestag in die Pfingstferien fällt?

    Schneider: Nein, da hätte ich auch keine Bedenken gehabt. Ich glaube auch nicht, dass ich andernfalls von den Schülern darauf angesprochen worden wäre. Wie gesagt, glücklicherweise ist ja niemand zu Schaden gekommen.

    Einigen Schülern und Lehrern wurde eine spezielle Betreuung angeboten. Wie viele müssen diese Hilfe noch in Anspruch nehmen?

    Schneider: Bei den Lehrkräften ist die Betreuung meines Wissens so weit abgeschlossen. Bei den Schülern kann ich es nicht sagen. Wenn, dann läuft das über die Eltern im privaten Bereich. Wir waren nur die Vermittler.

    Haben Sie seit diesem Tag mit dem Schüler oder dessen Eltern Kontakt gehabt?

    Schneider: Wir haben zu Beginn des Schuljahres mit den Eltern gesprochen. Wir wollten uns dafür einsetzen, dass der Schüler in irgendeiner Form weiter beschult wird. Dabei mussten wir aber feststellen, dass wir keine Möglichkeit haben, darauf einzuwirken. Zu dem Schüler gab es keinen Kontakt mehr.

    Welche Maßnahmen hat die Schule als Konsequenz auf den Amokalarm getroffen?

    Schneider: Unsere Sozialpädagogen haben sich ganz gezielt eingebracht und viele intensive Gespräche mit Schülern geführt, die sich von dem Vorfall betroffen fühlten. Außerdem haben wir jetzt mittlerweile eine Schulpsychologin bekommen. Ich denke, das hängt mit den Ereignissen von damals zusammen. Wir wollen auch die Schüler durch Veranstaltungen dazu bringen, dass sie hinschauen und sich trauen, etwas zu sagen. Denn es hat sich herausgestellt, dass es damals ein bis zwei Handvoll Schüler gab, die beobachtet hatten, dass der 14-Jährige ziemlich daneben gelegen hat an diesem Tag. Sie hatten sich aber leider nicht getraut, eine Ansprechperson wie Klassenlehrer, Vertrauenslehrer oder Sozialpädagogen darüber zu informieren.

    In einem Interview kurz nach dem Vorfall haben Sie die bayerische Schulpolitik scharf kritisiert, da es ihrer Meinung nach viel zu wenig zusätzliche Sozialpädagogen und Schulpsychologen gibt. Hat sich seither etwas verändert?

    Schneider: Bis auf die neue Schulpsychologin eigentlich nicht. Denn ein System, wie derzeit bei uns, lässt sich nicht so leicht ändern. Die Schule ist immer noch ein geschlossenes System, das durch Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter den Schülern und Eltern leider nur sehr niederschwellige Hilfe anbieten kann. Bei größeren Problemen ist es schwierig, etwas auszurichten. Beispielsweise wird das Jugendamt in der Regel nur auf Anforderung der Eltern aktiv. Den Begriff „Kindswohlgefährdung“ legen wir als Pädagogen enger aus, als die Jugendbehörden. Ich würde mir eine viel engere Vernetzung aller außerschulischen Stellen mit der Schule wünschen. Denn man kommt sich als Schule mit den immer größer werdenden Problemen oft alleine gelassen vor. Was hier als Problem mit Jugendlichen zutage tritt, darf nicht alleine als solches der Schule, sondern muss als gesellschaftliches Problem gesehen und gemeinsam angegangen werden. Die verschiedenen Stellen sind diesbezüglich meiner Meinung nach zu sehr voneinander abgegrenzt.

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