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Medientage München: Söder kritisiert Plattformen: "Algorithmen müssen verändert werden“

Medientage München

Söder kritisiert Plattformen: "Algorithmen müssen verändert werden“

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    Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern, spricht mit Moderator Ingo Zamperoni am Montag zum Auftakt der 35. Medientage München.
    Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern, spricht mit Moderator Ingo Zamperoni am Montag zum Auftakt der 35. Medientage München. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Na, das geht ja gut los: mit unmissverständlicher Kritik nicht nur an sozialen Medien. Und so kritisiert Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zum Auftakt der 35. Medientage München am Montag die Anbieter von Plattformen wie Facebook. „Es reicht nicht, nur mal einen Kommentar zu löschen, sondern die Algorithmen müssen verändert werden“, sagt der CSU-Politiker mit Blick auf Hass und Hetze im Netz – im Interview mit „Tagesthemen“-Moderator Ingo Zamperoni.

    Hass in Sozialen Medien führt zu mehr Interaktionen

    Wer früher Unsinn erzählt habe, so Söder, habe einen Leserbrief an eine Redaktion geschrieben und die habe das dann eingeordnet. Heute hauten die Leute ihre Shitstorms unter Artikel und griffen Journalistinnen und Journalisten an. Oder sie kämen auf einer Plattform zusammen, auf der sie auf tausende Gleichgesinnte träfen und dächten, sie seien die schweigende Mehrheit und müssten aktiv werden. So entstünden aus verwirrten Gedanken aggressive, hetzerische Worte – und der Weg zur Tat sei ganz leicht. Man rutsche in eine „Art sektenähnliche geistige Gefangenschaft. Dies muss geändert und neu strukturiert werden“, forderte Söder.

    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fordert bei den Medientagen München: „Es reicht nicht, nur mal einen Kommentar zu löschen, sondern die Algorithmen müssen verändert werden.“
    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fordert bei den Medientagen München: „Es reicht nicht, nur mal einen Kommentar zu löschen, sondern die Algorithmen müssen verändert werden.“ Foto: Sven Hoppe, dpa

    Ein Algorithmus lässt sich als Handlungsanweisung beschreiben, nach der Google-Suchergebnisse oder Youtube-Videos angezeigt werden. Kürzlich warf die frühere Facebook-Managerin Frances Haugen dem US-Unternehmen vor, dessen Algorithmen seien gefährlich für die Gesellschaft, weil Inhalte, die Nutzerinnen und Nutzern des sozialen Mediums angezeigt würden, Menschen zu wütenden Reaktionen bringen sollten – damit sich diese länger auf Facebook aufhielten. Auf diese Weise verdiene der Konzern mehr Geld an ihnen.

    Auch er habe in sozialen Medien schon „in aller Brutalität“ eine Hass-Community erlebt, sagte Söder. Er habe davor keine Angst, unter anderem, weil er als Spitzenpolitiker gut gesichert sei – andere seien das jedoch nicht. Ihn besorge zudem „diese unglaubliche inhaltliche Verhetzung“, zum Beispiel beim Thema Impfen. Er habe Verständnis, wenn sich jemand noch nicht gegen das Coronavirus impfen lassen wolle, so Söder. „Aber da kommen Argumente, die einen echt ratlos zurücklassen.“ So werde behauptet, der Satan dringe mit der zweimaligen Impfung in den Körper.

    Zamperoni lässt das Sticheln nicht, Söder kommt in Fahrt

    Söder war in dem etwa zehnminütigen Interview so richtig in Fahrt gekommen, Kritik an der Berichterstattung rund um die Bundestagswahl inklusive. Aber gut, Zamperoni hatte auch mit der Frage begonnen, ob Söder nicht gerade lieber bei Koalitionsverhandlungen in Berlin wäre. Söder atmete nach einem „Och“ erst einmal laut aus. Um dann zu sagen, Zamperoni hätte die Frage im April stellen sollen, da hätte er sie "irgendwie freudiger" beantwortet.

    Doch Zamperoni ließ das Sticheln nicht und erinnerte Söder an dessen Mantra-artig vorgetragenen Satz, sein Platz sei in München. Was Söder später – dank guter Umfragewerte das Berliner Kanzleramt bereits im Blick – anders sah. Und dabei scheint es durchaus geblieben zu sein. Jedenfalls revanchierte Söder sich mit der Feststellung, bis September hätten Medien den Wahlkampf „eher uninspiriert“ begleitet. „Es wurde fast nur über Nebensächlichkeiten geredet“, meinte er – „Lebensläufe, Lacher und ähnliches mehr.“

    Mai Thi Nguyen-Kim, vielfach ausgezeichnete Wissenschaftsjournalistin, erzählt Überraschendes auf den Medientagen München.
    Mai Thi Nguyen-Kim, vielfach ausgezeichnete Wissenschaftsjournalistin, erzählt Überraschendes auf den Medientagen München. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Medienkritik äußerte dann – sichtlich zum Erstaunen Zamperonis – auch Mai Thi Nguyen-Kim, deren neues Format „Maithink X – Die Show“ am Sonntagabend auf ZDFneo Premiere hatte. Die promovierte Chemikerin und vielfach ausgezeichnete Wissenschaftsjournalistin sprach ebenfalls über Hass im Netz („Ich les' einfach keine Kommentare“), sagte aber auch: Es sei naiv gewesen, vor der Pandemie zu denken, die Wissenschaft habe ein Aufmerksamkeitsproblem, und das würde sich ändern, wenn man mal in Talkshows eingeladen würde. Dann würde man alles erklären können und alles würde gut. „Ich sehe, dass die Medienwelt eigentlich nicht so gut für Wissenschaft gemacht ist. Wir haben ein Spotlight während der Pandemie auf Wissenschaft gerichtet. In diesem Spotlight ist gar nicht Platz für das, was Wissenschaft im Kern ausmacht.“

    Zu Polit-Talkshows pflege sie eine „gewisse Hassliebe“, sagt Mai Thi Nguyen-Kim

    Inzwischen sei sie der Meinung, so Mai Thi Nguyen-Kim, dass „diese Aufmerksamkeit der Wissenschaft als Ganzes eher geschadet hat, weil viele jetzt ein falsches Bild von Wissenschaft haben“. Und: In Polit-Talkshows, zu denen sie eine „gewisse Hassliebe“ pflege, gehe sie nur, weil es sonst jemand anderes tun würde. Polit-Talks seien „das völlig falsche Format für Wissenschaft“.

    Was vom Auftakt der Medientage München, die bis Freitag im Isarforum/Deutsches Museum und online stattfinden, noch in Erinnerung bleiben wird? Thorsten Schmiege, der neue Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), der sagte: „Qualitativ hochwertige Inhalte und verlässliche Informationen erleben ein Comeback.“ Und mit Blick auf Privatsender erklärte er, diese forderten aktuell die öffentlich-rechtlichen Sender mit Mut zu gesellschaftlich relevanten Formaten heraus. Er sei überzeugt davon, dass der publizistische Wettbewerb um Public Value, um Qualitätsinhalte, der gesamten Medienbranche gut tue. Die Botschaft sei: „Die öffentlich-rechtlichen Sender haben kein Monopol auf guten Content.“

    BR-Intendantin Katja Wildermuth: "Content, content, content".
    BR-Intendantin Katja Wildermuth: "Content, content, content". Foto: Sven Hoppe, dpa

    Um „content, content, content“ – wie es die Intendantin des Bayerischen Rundfunks, Katja Wildermuth, formulierte, ging es auch dem Chief Financial Officer von Discovery, Gunnar Wiedenfels. Er war um große Worte nicht verlegen und kündigte an, dass die Zusammenführung mit WarnerMedia ein „neues Unternehmen von wahnsinnigem Ausmaß“ entstehen lasse - mit dem „besten Inhalte-Portfolio der Welt“. Discovery bringe dabei nicht-fiktionale Inhalte wie seine Naturprogramme oder Eurosportein, Warner einen „gigantischen Spielfilm-Output“ – darunter „Batman“ oder „Game of Thrones“. Das Umsatzziel für 2023: 50 Milliarden Dollar. Man wird sehen.

    „Wir müssen uns fragen: Was macht uns inhaltlich aus?“, sagt BR-Intendantin Katja Wildermuth

    Nicht zu übersehen ist auch bei den beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sendern der Bedarf an content - „Inhalten“ also. Katja Wildermuth vom BR sprach von einem großen Bedürfnis nach Unterhaltung und zugleich einem „riesigen Informationsbedürfnis“, das man in Pandemiezeiten beobachtet habe. „Wir müssen uns fragen: Was macht uns inhaltlich aus?“, sagte sie. Und in einem zweiten Schritt gehe es dann darum zu entscheiden, für welchen Kanal man produziere. Fest steht: Der Mediathek kommt dabei eine immer größere Bedeutung zu.

    Die 35. Medientage München sind einer der größten und führenden Branchentreffs Europas. Das Motto in diesem Jahr lautet: „New Perspectives“ – neue Perspektiven. Leitfragen sind: Wie haben sich Mediennutzung und Medienangebote in und durch die Corona-Pandemie verändert? Was ist jetzt notwendig, um Nutzerinnen und Nutzer in einer sich sprunghaft ändernden Medienwelt zu erreichen? Und: Gibt es einen Neubeginn nach der Pandemie?

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