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Mafia: Das Allgäu als Rückzugsraum

Mafia

Das Allgäu als Rückzugsraum

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    Die Festnahme von Camorra-Mitglied Mariano Abete in Neapel Ende November war ein Erfolg für die italienische Polizei. Das Allgäu hat sich inzwischen von einem Aktionsraum zu einem Rückzugsraum der Mafia entwickelt.
    Die Festnahme von Camorra-Mitglied Mariano Abete in Neapel Ende November war ein Erfolg für die italienische Polizei. Das Allgäu hat sich inzwischen von einem Aktionsraum zu einem Rückzugsraum der Mafia entwickelt. Foto: Ciro Fusco, dpa

    Rund 200 mutmaßliche Mafia-Mitglieder stehen derzeit in Bayern unter Beobachtung der Sicherheitsbehörden. Das berichtete Mario Huber vom Bayerischen Landeskriminalamt bei einer Experten-Anhörung des Landtags in München: „Wir haben relativ gute Informationen darüber, welche Köpfe sich hier aufhalten.“

    Bei der Expertenrunde dabei war unter anderem auch der Kemptener Oberstaatsanwalt Gunther Schatz, bei der Ermittlungsbehörde zuständig für den Bereich der organisierten Kriminalität. Nach seinen Worten zieht es jetzt oft die Kinder- und Enkelgeneration der seit den 1960er Jahren ins Allgäu gekommenen Mafiosi nach Süddeutschland. Die Region war seit den spektakulären Mafiaprozessen in den 1980er und 90er Jahren vor dem Kemptener Landgericht in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten.

    Spektakuläre Festnahmen im Allgäu

    „Damals führten Erkenntnisse aus Italien zu teils spektakulären Festnahmen im Allgäu“, berichtete Armin Mayer, Kriminaloberrat des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West. Der spektakulärste Mafia-Fall im Allgäu liegt viele Jahre zurück: Am 2. Mai 1998 gelang der Polizei auf dem Bahnhof in Kempten die Festnahme des ’Ndrangheta-Killers Giorgio Basile, genannt „das Engelsgesicht“.

    Er hat nach eigenem Geständnis in zwei Jahrzehnten rund 30 Landsleute ermordet und später als Kronzeuge der italienischen Justiz geholfen, mehr als 50 Mafiosi hinter Gitter zu bringen. Doch mittlerweile habe sich Bayern von einem Aktionsraum der Mafia zunehmend vor allem zu einem Ruheraum oder Rückzugsraum gewandelt, fasste Huber die Erkenntnisse zusammen. Das heiße allerdings nicht, dass Mafia-Angehörige nicht auch investierten. Schatz nannte ein Beispiel: Da kreuzt ein 21-Jähriger aus Sizilien im Allgäu auf und kauft sich für 120 000 Euro eine Pizzeria. Es gebe familiäre Verstrickungen mit der Mafia und alles deute darauf hin, dass das Geld aus dem Drogenhandel stammt.  „Aber wir haben keine Möglichkeit einzuschreiten“, sagte Schatz. Denn: „Das deutsche Geldwäschegesetz ist ein relativ stumpfes Schwert.“ In anderen Ländern dagegen müssten Verdächtige nachweisen, wie sie an größere Geldsummen gekommen sind.

    Polizei: Verfolgung der Mafia ist „Champions League“

    Fazit von Oberstaatsanwalt Schatz: „Man sollte über eine Beweislast-Umkehr nachdenken.“ Ganz generell, so die Ermittler, seien die Mafiosi „schlauer geworden“. So bezeichnete Robert Oberloher von der Polizei-Hochschule in Hamburg die Verfolgung der Mafia als „Champions League“ – im Gegensatz zur Verfolgung der osteuropäischen organisierten Kriminalität, wie er anmerkte. Wichtigstes Mafia-Geschäftsfeld ist laut Schatz nach wie vor der Kokainhandel. Tätig ist die kriminelle Organisation aber auch beispielsweise im Bereich der Produktfälschung und der regenerativen Energien, wo Geld gewaschen werden kann und gleichzeitig noch Subventionen abgegriffen werden.

    Deutsch-italienische Eingreiftruppe

    Die Mafia in Italien

    Mafia ist nicht gleich Mafia. Italiens große Banden in Sizilien, Kalabrien, Apulien und rund um Neapel haben gemeinsam, dass sie alle im 19. Jahrhundert entstanden.

    Untereinander verbindet sie wenig. Doch sie wirken im selben sozialen Umfeld: in unterentwickelten Regionen mit hoher Jugendarbeitslosigkeit und Auswandererquote sowie ausgeprägtem Misstrauen gegenüber dem Staat.

    Das fördert die Bereitschaft zur „omertà“, dem Schweigen in der Bevölkerung. Dort stoßen die Mafiosi auf fruchtbaren Boden. Ihr Handeln ist nur auf materielle Bereicherung ausgerichtet.

    Für ihr Ziel beseitigen sie Rivalen, bedrohen Politiker und Polizei und schaffen es immer wieder, in deren Reihen Komplizen zu finden.

    Am bekanntesten ist die Cosa Nostra, der Geheimbund Siziliens, auch „ehrenwerte Gesellschaft“ genannt. Dort haben Italiens Anti-Mafia-Kämpfer in den letzten Jahrzehnten die größten Erfolge erzielt.

    Die ’Ndrangheta in Kalabrien, verantwortlich auch für die sechs Mafiamorde 2007 in Duisburg, ist die gefährlichste.

    In Apulien herrscht die Sacra Corona Unita („Heilige vereinte Krone“), die vor allem im Schutzgeld-, Waffen- und Drogengeschäft aktiv ist.

    In den letzten Jahren gab es bei der Camorra in Neapel und Umgebung zwar große Fahndungserfolge. Doch diese Mafia ist unübersichtlich, aufgeteilt in 100 bis 200 autonome Familienclans, die sich teils gegenseitig bekämpfen.

    Die Camorra operiert im Drogen- und Waffenhandel, in der Produktpiraterie von Luxusgütern und der illegalen Müllentsorgung.

    Schutzgelder werden in Camorra kontrollierten Betrieben gewaschen.

    Seit immer mehr Clan-Bosse inhaftiert sind, versucht die zweite Generation, Fuß zu fassen. Rund zehn Milliarden Euro an Schutzgeldern werden Schätzungen zufolge in Italien erpresst.

    Durch die Gründung einer deutsch-italienischen Task-Force (Einsatzgruppe) nach den Duisburger Mafia-Morden 2007 habe sich die Ermittlungszusammenarbeit zwischen beiden Ländern verbessert, so Laura Garvini, Mitglied des Antimafia-Ausschusses im italienischen Parlament. Probleme bereitet laut dem Münchener Oberstaatsanwalt Joachim Ettenhofer aber beispielsweise die lange Bearbeitungsdauer von Rechtshilfeersuchen durch die Italiener.

    Auch die Beantwortung von Fragen durch die Italiener im Zuge der Amtshilfe dauere oft sehr lange, bemängelte Huber vom Landeskriminalamt. Da habe die Task-Force keine Änderung gebracht. Viel besser sei hingegen die Zusammenarbeit beispielsweise mit der Tschechischen Republik bei der Kriminalitätsbekämpfung.

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