Kein bayerischer Herrscher hat die Menschen so bewegt wie Ludwig II. „Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und anderen“, hat der König einmal geschrieben. Widersprüchlich war sein Leben, rätselhaft sein Sterben. 125 Jahre nach Ludwigs Tod zeigt die Landesausstellung im Neuen Schloss Herrenchiemsee das facettenreiche Wesen und Wirken des berühmtesten Wittelsbachers. Jede Woche stellen wir ein Fundstück aus der umfänglichen Schau „Götterdämmerung. Ludwig II.“ vor. Heute geht es sozusagen um die letzten Sekunden in Ludwigs Leben.
Der Obersthofmeisterstab bestätigte es seinerzeit schriftlich: König Ludwig II. hat die in der Landesausstellung gezeigte Uhr am letzten Tag seines Lebens getragen. Nach dem Ende der Untersuchungen seines Todes wurde die Uhr der Königinmutter übersandt. Im Erbgang kam sie an Ludwigs Lieblingscousin, Prinz Ludwig Ferdinand.
Bei der Taschenuhr des Königs handelt es sich um eine Savonette, also eine Uhr mit Sprungdeckel, wobei die Krone nicht oben, sondern seitlich, bei drei Uhr, angebracht ist, was die Handhabbarkeit erleichtert. Im Deckel ist eine gebläute Silberplatte mit dem gekrönten gespiegelten Monogramm „L“ Ludwigs II. zu sehen. Auf der Deckelinnenseite findet sich auch der Stempel, der die Karatzahl 18 angibt. Auf dem Rückendeckel ist der Kopf des Lieblingspferdes Ludwigs II. namens „Cosa Rara“ zu sehen. Die Taschenuhr des Königs, die Schlossverwalter Huber bei der Bergung der Leiche an sich nahm, um sie der Untersuchungskommission zu übergeben, zeigte 18.53 Uhr und 40 Sekunden an und damit vermutlich den Zeitpunkt, zu dem Ludwig II. in den Starnberger See ging, denn die Uhr war durch das eingedrungene Wasser stehen geblieben.
Die Tatsache, dass die Uhr des ebenfalls verstorbenen Psychiaters Bernhard von Gudden erst um 20.06 Uhr und 25½ Sekunden, also etwa eineinviertel Stunden später stehen blieb, regte immer wieder zu Spekulationen über die Geschehnisse vom 13. Juni 1886 an. Doch schon im Bericht des Oberamtsrichters Jehle an das Justizministerium über das „Ableben Seiner Majestät des Königs Ludwig II. von Bayern“ wird diese Tatsache mit der unterschiedlichen Beschaffenheit der Uhren erklärt: Dass Guddens Uhr „später stillgestanden sei, als die Uhr Seiner Majestät, dürfte den Umständen zuzurechnen sein, daß sowohl der Staubdeckel als die Einfassung des Uhrenglases sehr fest schließen und das Wasser deshalb langsamer und in geringerer Quantität eingedrungen ist, als in die Uhr Seiner Majestät“.
Ein bislang nicht bekannter Eintrag in den Aufzeichnungen des Pflegers Bruno Mauder könnte indes eine andere Erklärung geben. Demnach hatte Ludwig II. seine Uhr um eine gute halbe Stunde zurückgestellt – vielleicht ein Spleen, wie man ihn öfter findet. In einer am Seitenende eingefügten Notiz seiner Aufzeichnungen vermerkte Mauder, der den Beginn des Diners, als der König sich zu Tisch setzte, mit „nach ½ 5 Uhr“ bestimmte: „4 Uhr auf seiner Majestät seiner Uhr“. Dies würde den Zeitunterschied, den die stehen gebliebenen Taschenuhren aufwiesen, relativieren und insgesamt den zeitlichen Ablauf, wie er bisher rekonstruiert wurde, in ein neues Licht stellen.
Der heutige gute Zustand der königlichen Taschenuhr ist der Tatsache zu verdanken, dass sie später gereinigt und wieder instand gesetzt wurde.
Offenbar hat damit auch eine bislang wenig beachtete Diskrepanz zu tun. Der Sekundenzeiger soll bei Ludwigs Uhr auf der 40 stehen geblieben sein. In der Landesausstellung ist der Zeitmesser mit dem Zeiger aber bei Sekunde 32 zu sehen – ein Unterschied von acht Sekunden. „Das gibt keinen Anlass für Spekulationen“, meint Elisabeth Handle vom Haus der Bayerischen Geschichte dazu. Der Unterschied basiere auf einer „technisch-sachlichen Angelegenheit“. Hat man es bei der Instandsetzung nicht genau genug genommen? (AZ)
Götterdämmerung. Ludwig II.
Bis 16. Oktober 2011 täglich geöffnet von 9–18 Uhr, Schloss Herrenchiemsee