Nach einer Kabinettssitzung sind am Dienstagmittag Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Staatskanzlei-Chef Florian Herrmann (CSU) vor die Presse getreten. Dabei gaben sie weitreichende Lockerungen bekannt. Sie betreffen folgende Bereiche:
- Kontaktbeschränkungen: Im öffentlichen Raum dürfen sich ab Mittwoch, 17. Juni, wieder bis zu zehn Personen treffen. Bislang galt dies nur für Personen zweier Haushalte. Damit folgt Bayern einem gemeinsamen Bund-Länder-Beschluss. "Wir behalten Beschränkungen bei, mit Maskenpflicht, mit Abstandhalten, mit Hygiene. Das ist klarer Bestandteil. Wir wollen aber mehr Möglichkeiten, vor allem für den privaten Bereich", sagte Ministerpräsident Söder. Bei privaten Zusammenkünften zu Hause gilt keine Beschränkung auf einen festen Personenkreis oder eine zahlenmäßige Beschränkung. "Das ist für viele eine enorme Erleichterung, trotzdem appelliere ich an die Verantwortung", erklärte Söder. Andere Bundesländer hatten bereits zuvor Kontaktbeschränkungen gelockert. Thüringen hat diese - nicht unumstritten - sogar ganz aufgehoben.
- Veranstaltungen: Ab kommenden Montag, 22. Juni, dürfen wieder Privat- und Vereins-Veranstaltungen mit bis zu 50 Personen in Innenräumen oder 100 Personen im Freien stattfinden. Die Regel gilt zum Beispiel für Beerdigungen, Schulfeiern, Betriebsfeiern, Familienfeiern und Vereinssitzungen. "Wenn die Infektionszahlen stabil bleiben, können wir die Zahlen schon in zwei Wochen erhöhen", sagte Ministerpräsident Söder. Warum keine größeren Feiern wie Starkbierfeste? "Der Hauptunterschied ist: Bei Hochzeiten und Geburtstagen ist die Nachvollziehbarkeit der Personen leicht möglich. Das ist bei einem normalen Starkbierfest nicht der Fall. Deswegen ist der Weg da klar." Großveranstaltungen bleiben vorerst bis zum 31. August verboten.
- Schulen, Kitas: Ab 1. Juli sollen alle betroffenen Kinder wieder in der Kita. Ab September sollen alle Schulen und Einrichtungen der Kindertagesbetreuung wieder im Regelbetrieb starten, ergänzt durch Hygienekonzepte. Freiwillige Serientests sollen Lehrern und Erziehern ermöglicht werden, diese Maßnahme wird noch mit Verbänden abgestimmt. Auch Polizisten sollen mehr freiwillige Tests machen können.
- Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime: "Hier lockern wir mit großer Vorsicht", sagte Ministerpräsident Markus Söder. "Wir erlauben mehr Personen und mehr Besuchzeit." Die einzelnen Regelungen werden individuell getroffen: Die Einrichtungen sprechen die Maßnahmen mit den Gesundheitsämtern ab.
- Öffnungszeiten der Gastronomie: Biergärten und Gaststätten dürfen künftig bis 23 Uhr statt wie bisher nur bis 22 Uhr offen bleiben.
- Hotellerie, Saunen, Thermen: Wellness-Bereiche in Hotels sowie Saunen und Thermen dürfen ab dem 22. Juni wieder öffnen. Das Wirtschaftsministerium wird zusammen mit dem Gesundheitsministerium entsprechende Hygienekonzepte ausarbeiten und veröffentlichen.
- Busreisen: Gruppenreisen sind ab 22. Juni wieder möglich. Mit Maske darf dann jeder Platz im Reisebus besetzt werden.
Neue Corona-Regeln: Lockerungen im Handel, Hallenbäder wieder geöffnet
- Handel: Die Zahl der in einem Geschäft erlaubten Personen wird ab Montag, 22. Juni, erhöht - von einer Person pro 20 Quadratmeterzahl auf eine pro zehn Quadratmeter. Diese Regel wird auf andere Bereiche wie Freizeit- und Tierparks, aber auch Museen und Zoos ausgeweitet. An Kassen, Theken und Hotelrezeptionen werden Plexiglasscheiben erlaubt, um die Arbeitsbedingungen zu erleichtern. Eine Maskenpflicht gilt in diesen Bereichen nicht mehr. "Wir kommen damit Tausenden Angestellten entgegen", sagte Wirtschaftsminister Aiwanger.
- Bars, Schankwirtschaften, Diskotheken: "Wir suchen noch nach Lösungen, um diesem Bereich eine Perspektive zu geben", sagte Aiwanger zu reinen Schankwirtschaften, die keine Speisen ausgeben. "Wir wollen bis Anfang Juli eine Lösung finden." Zu Öffnungen von Diskotheken sagte Söder: "Hier stehen Menschen ganz eng beieinander und beteiligen sich am Gesang. Das ist ein Gefährder-Moment. Wo Alkohol im Spiel ist, wird man nicht vorsichtiger. Aber wir schauen uns das in Ruhe an."
- Kultur: Zu den Soforthilfen sagte Söder: "Die Geschwindigkeit der Auszahlung soll erhöht werden." Bei Veranstaltungen kommt man der Branche entgegen: Die Regelung, dass 50 Personen innen und 100 Personen außen anwesend sein dürfen, wird im Bereich Kultur ab Montag, 22. Juni,verdoppelt, sodass mehr Publikum bei Kultur-Veranstaltungen möglich ist. "Damit bekommt die Kulturszene eine zusätzliche Perspektive", sagte Söder. "Auch Chöre sollen die Möglichkeit bekommen wieder anzufangen."
- Sport: Ab dem 22. Juni kann der Lehrgangbetrieb wieder aufgenommen werden. Die bisherige Obergrenze für den Outdoor- und Indoor-Sport (bisher 20 Personen) gilt nicht mehr. Damit dürfen zum Beispiel Hallenbäder wieder öffnen.
- Gottesdienste: Die Abstandspflicht war bislang bei zwei Metern, sie liegt jetzt bei 1,5 Metern.
Der Katastrophenfall, in Bayern seit drei Monaten in Kraft, ist ab Mittwoch, 17. Juni, beendet. Mitte März hatte ihn die Regierung ausgerufen, um flexibler gegen die rasche Ausbreitung des Coronavirus vorgehen zu können.
Auch wenn sie immer wieder für Streit sorgt: Die Maskenpflicht gilt weiterhin. "Dort, wo Social Distancing nicht möglich ist, ist die Maske die einzige Möglichkeit", sagte Markus Söder. "Deshalb bleiben wir hier bei einem Nein zu möglichen Lockerungen." Von der Corona-Warn-App erwartet sich Söder viel: "Das kommt ein bisschen spät, ist aber gut gemacht worden. Das ist eine gute Sache, ich empfehle, die App zu nutzen. Die üblichen Maßnahmen ersetzt die App aber nicht."
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder: "Lockerungen sind gerechtfertigt"
Zur bayerischen Lockerungsstrategie sagte Markus Söder: "Die Strategie, die wir hatten, war richtig. Wir sind immer wieder bestätigt worden. 98 Prozent aller Gerichtsverfahren, über 300 waren es, haben wir gewonnen. Alle obersten Gerichte haben unsere Entscheidungen bestätigt. Trotz der Zahlen nehmen wir das Thema nicht auf die leichte Schulter. Eine zweite Welle ist jederzeit möglich. Corona ist wie ein Funke, der jederzeit einen Brand auslösen kann. Ich bin sehr besorgt durch Möglichkeiten, die durch Reisen ins Ausland entstehen können. Ich hoffe sehr, dass der Ballermann kein neues Ischgl wird. Trotzdem: Wir stehen stabil in Bayern. Es ist gerechtfertigt, mehr zu erleichtern. Es kommt darauf an, unsere klare Linie weiterzuverfolgen. Wir erleichtern schrittweise und schauen, ob die Lockerungen funktionieren. Die Grundlinie hat sich bewährt. Wir haben versucht, die private Lebensqualität zu erhöhen."
Die Automobilindustrie kommt nur schleppend wieder in Schwung. Dazu sagte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger: "Da werden wir uns um weitere Hilfen bemühen." Zur teilweise kritisierten Senkung der Mehrwertsteuer sagte Aiwanger: "Für viele ist diese Maßnahme ein Problem bei der Umsetzung. Wir begrüßen diese Maßnahme aber. Wir gehen mit den heutigen Maßnahmen einen deutlichen Schritt nach vorne - in sämtlichen Bereichen der Wirtschaft."
Wirtschaftsminister Aiwanger zu Streit mit Söder: "Debatten gehören dazu"
Bereits vor der Kabinettssitzung waren Unstimmigkeiten zwischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Markus Söder bekannt geworden. Aiwanger klagte in einem Interview mit der Mittelbayerischen Zeitung über einen Vertrauensbruch in der Koalition und über "gezielte Gemeinheiten aus der CSU, mit dem Ziel, mich zu beschädigen". "Für mich ist das ein gewisser Vertrauensbruch. Das vergiftet das Klima", sagte Aiwanger in dem Interview. Darauf angesprochen, erklärte Aiwanger nun: "Wir arbeiten sehr erfolgsorientiert. Debatten gehören dazu. Diese Dinge sind jetzt abgehakt." Söder: "Dem kann ich mich nur anschließen. Manchmal gibt es gewisse Gewitterwolken. Wichtig ist, dass die Sonne danach wieder aufgeht."
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