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Leute: DJ Ötzi im Interview: "Ich hatte eine persönliche Sinnkrise"

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DJ Ötzi im Interview: "Ich hatte eine persönliche Sinnkrise"

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    Nach einer persönlichen Sinnkrise wieder da: Der Musiker und Entertainer DJ Ötzi bastelt eifrig an neuen Songs und an seinem Comeback.
    Nach einer persönlichen Sinnkrise wieder da: Der Musiker und Entertainer DJ Ötzi bastelt eifrig an neuen Songs und an seinem Comeback. Foto: Bodo Schackow, dpa

    Wenn es einen Preis für den bescheidensten Sänger gäbe, könnte Gerhard Friedle, den alle nur unter seinem Künstlernamen DJ Ötzi kennen, auf den vorderen Plätzen landen. Der Mann aus Österreich ist grundsympathisch und nimmt weder sich noch seine Musik besonders wichtig. Aber er ist glücklich darüber, dass ihm das Schicksal Hits wie „Anton aus Tirol“ oder „Hey Baby“ beschert hat.

    Die Lust der Menschen auf Volksmusik ist in den vergangenen Jahren immens gestiegen. Worauf führen Sie dieses Phänomen zurück?

    Ich glaube, die Leute lassen sich in ihrem Musikgeschmack nicht mehr so stark von anderen beeinflussen wie früher, sondern sie hören einfach das, was ihnen gefällt. Die Volksmusik besteht aus Liedern, die geerdet sind, die Verlässlichkeit ausstrahlen und vielen einfach guttun.

    Könnten Sie sich vorstellen, auch mal etwas mit Hackbrett und Zither zu machen, oder brauchen Sie das Schlagzeug, die Bässe, den Partybeat?

    Ich bin der Volksmusik gegenüber offen. Wenn die Nummer passt und vielleicht gerade dieses Reduzierte braucht, warum nicht.

    Wie sehen Ihre Pläne aus? Basteln Sie an einem neuen Hit? Was ist los mit dem DJ Ötzi? Man hat schon lange nichts mehr von ihm gehört.

    Na ja, ich habe die letzten zwei Jahre bewusst ausgelassen und bin kürzergetreten.

    Gab es dafür einen Grund?

    Ja. Mein Schwiegervater ist gestorben, und danach hatte ich eine persönliche Sinnkrise. Ich war einfach nicht gut drauf, das hat nicht gepasst. Aber mittlerweile bin ich wieder ausbalanciert und versuche, ein cooles Album zu machen. Im nächsten Jahr feiere ich 20 Jahre DJ Ötzi. Mal sehen, eine Samstagabend-Show ist im Gespräch.

    Haben Sie einen neuen Hit gebastelt?

    Es gibt schon einige Stücke, von denen ich sagen würde: Die sind perfekt. Aber mehr will ich jetzt noch nicht verraten.

    Wo würden Sie Ihren Musikstil selbst einordnen: Schlager, Partymusik, volkstümlich oder eine Mischung aus allen dreien?

    Boah! (er überlegt kurz) Gaudipop-Power, würd’ ich sagen!

    Wie bitte, Gaudi ...?

    Gaudipop-Power. Das beschreibt es doch ziemlich genau.

    Ok. Ich kenne den Begriff nicht. Klingt aber interessant.

    Der Begriff kommt von mir. Natürlich gehört „Ein Stern“ da nicht dazu, aber meine anderen Hits auf jeden Fall. Ich will, dass es den Leuten gut geht. Das ist meine Message (engl.: Botschaft). Alles andere ist sinnlos im Leben. Es gibt zwar manche, die können damit gar nichts anfangen, aber viele finden es gut.

    Na ja, der Erfolg gibt Ihnen in jedem Fall recht. 16 Millionen verkaufte Tonträger, wahrscheinlich sind es sogar mehr – das spricht für sich.

    Ja, ich glaube, ich habe musikalisch schon etwas richtig gemacht.

    Es träumen ja viele davon, Hits zu schreiben. Es gelingt den Wenigsten.

    Mein Chef da oben hat das so geregelt. Wenn so etwas passieren soll, dann passiert’s. Das kannst du nicht beherrschen.

    Was fühlen Sie, wenn Sie über die Münchner Wiesn schlendern, und in den Zelten grölen die Massen „Hey Baby“ oder „Anton, Anton“?

    Ich weiß es gar nicht. Was soll ich dazu auch sagen? Ich, Gerry, halte mich für einen normalen Burschen. Klar ist das Gefühl super. Ich denke mir aber gleichzeitig: Es muss weitergehen, es muss etwas Neues kommen. Aber ganz ehrlich: Ich habe einfach viel Glück gehabt.

    Der DJ Ötzi müsste doch gar nichts mehr produzieren. Sie können doch längst von Ihren Hits leben.

    Einerseits schon. Aber ich will Spaß haben am Leben und den habe ich nur, wenn ich auch auf der Bühne Spaß habe.

    Sie definieren sich über Musik.

    Absolut.

    Welche Musik hört der Privatmann Friedle, wenn er am Kanapee sitzt?

    Ganz unterschiedliche. Ich bin breit interessiert und ein Fan des Musik-Streamens. Aus den Internetportalen picke  ich mir die Perlen aus allen Musikstilen heraus. Es geht extrem querbeet, je nach Stimmung.

    Was viele nicht wissen, Sie sind mit 16 von zu Hause abgehauen und haben dann eine Zeit lang auf der Straße gelebt. Wie prägend war dieses Erlebnis?

    Wenn dir so etwas passiert, ist es in dem Moment nicht schön. Aber im Nachhinein bin ich froh, dass ich diese schwere Zeit erlebt habe. Denn heute weiß ich, dass ich etwas zu verlieren habe. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich mit meinem Leben behutsam umgehen muss.

    Demut und Dankbarkeit sind schnell ausgesprochen. Wie leben Sie dieses Behutsame in der alltäglichen Praxis?

    Na ja, das ist die Dankbarkeit gegenüber dem Leben. Manche tun nur so, aber mich begleitet sie tatsächlich. Ich mache mich lieber klein, als mich groß aufzublasen. Ich halte lieber den Mund, als große Töne zu spucken. Meine Oma sagte: Wenn du hoch fliegst, kannst du tief fallen. Dieser Sinnspruch begleitet mich bis heute.

    Sie gelten privat nicht als Partygänger. Wie schwer fällt es Ihnen, auf der Bühne die Sau rauszulassen, wenn Ihnen gar nicht danach ist?

    Auf der Bühne bin ich für die Leute da, nicht für mich.  Ich  will  die  Fans  happy machen, Punkt. Was in mir vorgeht, wird in diesen Momenten hintangestellt. Wenn ich meine Ruhe haben will, bleibe ich daheim.

    Haben Sie auch Hobbys?

    Ich spiele gerne Fußball mit meinen Freunden.

    Linksaußen oder Torwart?

    Wir  spielen  fünf  gegen fünf, da gibt es keine festen Positionen.

    Viel Laufarbeit, oder?

    Schon. Aber ich fühle mich inzwischen auch körperlich wieder fit. Mir geht es so gut wie schon lange nicht mehr.

    Ist der Happy Man DJ Ötzi auch ein politischer Mensch oder ist er nur für Unterhaltung zuständig?

    Samma froh, dass’ a heile Welt gibt – und wenn wir nur über sie singen. Privat bin ich auch interessiert an allen politischen Vorgängen. Aber ich habe noch nie öffentlich darüber gesprochen. Heute will ich zumindest sagen, dass die aktuellen Krisen in Syrien, im Irak oder der Ukraine mich durchaus beängstigen.

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