Es ist nicht zu glauben. So ein fröhliches Gesicht. So ein vergnügtes Lachen. Wie kann dieser aufgeweckte Bub nur so schwer krank sein? Ein Jahr alt wurde Fabricé am Freitag. Gerade versucht er Laufen zu lernen. Nur wer ihn genau beobachtet und gut kennt, erzählt seine Tante Rebecca Lerner, sieht, wie schnell ihm dann doch immer wieder seine Kräfte ausgehen. Wie sehr sein kleiner Körper kämpft. Gegen diese tödliche Krankheit. Fabricé hat Leukämie. Und zwar eine höchst aggressive Form. Helfen kann ihm nur eine Stammzellspende. Dafür muss ein Mensch gefunden werden, dessen Gewebemerkmale nahezu identisch mit den seinen sind.
Weltweit wird gesucht. Da es sich bei Fabricés Krankheit, der juvenilen myelomonozytären Leukämie, um eine sehr, sehr seltene Form handle, sei auch eine besondere Therapie nötig, erklärt Professor Holger Cario, Oberarzt für Kinderonkologie an der Uniklinik Ulm. Dort wird die Familie von einem Team aus Spezialisten begleitet. Denn nicht nur die medizinische Behandlung ist bei so einer Diagnose wichtig, erklärt der Arzt, sondern auch die psychosoziale Betreuung. Fabricé ist ein Sonnenschein, trotz allem. Zwei sehr spezielle Chemotherapien hat er schon überstanden. Doch bei dieser Form der Leukämie sei von Anfang an klargewesen, sagt Cario, dass die höchsten Heilungschancen mit einer Stammzelltransplantation erreicht werden können: „Es ist für Fabricé der einzige Heilung versprechende Therapieansatz.“ Ohne erfolgreiche Transplantation verlaufe die Krankheit tödlich.
70.000 Menschen weltweit suchen nach einem Spender
Die Suche nach einem Spender für Fabricé läuft auf Hochtouren. Und nicht nur Fabricé braucht einen Spender. Nach Angaben der Deutschen Knochenmarkspenderdatei, kurz DKMS, erhält allein in Deutschland im Schnitt alle 15 Minuten ein Mensch die schockierende Diagnose Blutkrebs – das sind 39.000 Menschen pro Jahr. Nahezu 70.000 Menschen suchen laut DKMS pro Jahr weltweit nach einem nicht verwandten Stammzellspender – in Deutschland sind es jährlich etwa 3500. Jeder Spender kann zu einem Lebensretter werden – wenn nicht für den einen schwerstkranken Patienten, der zu einer Typisierungsaktion aufruft, dann vielleicht für einen anderen.
Doch die Corona-Auflagen erschweren die Hilfe für Blutkrebspatienten enorm. Denn große Registrierungsaktionen an einem zentralen Veranstaltungsort sind momentan nicht möglich. Umso wichtiger ist es, sich online registrieren zu lassen, betont Laura Riedlinger von der DKMS. Seit ihrer Gründung 1991 hat es sich die gemeinnützige Organisation mit Sitz in Tübingen zur Aufgabe gemacht, für Blutkrebspatienten geeignete Stammzellspender zu finden. „Es ist oft die letzte Chance für die erkrankten Menschen“, sagt Riedlinger, deren jüngster Patient, für den sie eine Suchaktion startete, gerade einmal zwölf Wochen alt war. „Eine Garantie ist die Transplantation nicht“, hebt Riedlinger hervor, „aber mit ihr steigen die Überlebenschancen deutlich.“
Typisierungsaktionen nehmen daher zu. Auch in unserer Region machen immer häufiger Familien oder Freunde auf die lebensbedrohende Erkrankung von Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen aufmerksam und organisieren eine Initiative. Auch die elfjährige Lana aus Augsburg gehört zu den Menschen, die händeringend einen Stammzellspender suchen. Schon zum zweiten Mal muss das Mädchen die Diagnose verkraften. Neun Jahre alt war sie, als sich die heimtückische Krankheit zum ersten Mal bemerkbar gemacht hat. Nach einem kurzen Aufatmen kehrte der Krebs zurück. Auch die Schülerin braucht eine Stammzellspende. Mit ihrer Aktion „Kämpferherz Lana braucht dich!“ hat sie viele Spender erreicht. Über 10.000 Menschen haben sich allein auf ihren Aufruf hin registrieren lassen. Doch leider ist noch immer kein passender Spender für Lana dabei. Aufgeben ist aber nicht ihr Ding. Tapfer hat das musik- und tanzbegeisterte Mädchen gerade in München eine weitere belastende Chemotherapie geschafft. Sie wartet nun auf die dringend nötige Stammzellspende und hofft, dass sich weiter Menschen registrieren lassen.
Den passenden Spender zu finden ist eine Mammutaufgabe
Vor allem Aktionen von jungen Leuten – beispielsweise einer Abschlussklasse – sind sehr erfolgreich. Denn soziale Medien spielen eine immer wichtigere Rolle, erklärt Laura Riedlinger von der DKMS. Damit erhöhen sich die Chancen, rund um den Erdball einen geeigneten Spender zu finden. Über 6,6 Millionen Stammzellspender sind nach Angaben von Riedlinger bereits bei der DKMS Deutschland registriert. Die Bereitschaft der bayerischen Bevölkerung sei mit 1.052.900 registrierten Spendern sehr hoch – bundesweit nehme der Freistaat den zweiten Platz ein. Doch den passenden Spender zu finden, ist oft eine Mammutaufgabe.
Die Registrierung geht einfach und schnell: Man kann sich das Typisierungsset über das Internet unter www.dkms.de zuschicken lassen. Mithilfe von drei medizinischen Wattestäbchen und einer genauen Anleitung sowie einer Einverständniserklärung kann jeder nach Erhalt des Sets selbst einen Wangenabstrich vornehmen und anschließend mit der Post zurückschicken, damit die Gewebemerkmale im Labor bestimmt werden. Wer sich einmal bei einer Spenderdatei registriert hat, muss sich bei keiner anderen mehr aufnehmen lassen, da es eine weltweite Vernetzung der Stammzellspenderregister zur Möglichkeit der Abfrage für mögliche passende Spender gibt. Da für die Neuaufnahme eines jeden Spenders der DKMS Kosten in Höhe von 35 Euro entstehen, bittet die Organisation um Spenden.
So hilft die Kartei der Not
Auch bei der Kartei der Not, dem Leserhilfswerk unserer Zeitung, werden immer wieder Anträge eingereicht, um die Typisierungsaktionen finanziell zu unterstützen. Und das Kuratorium unseres Leserhilfswerks greift den betroffenen Familien in unserer Region gerne unter die Arme: „Wir versuchen uns vorzustellen, in was für eine belastende Lebenssituation sowohl die Betroffenen selbst, aber auch ihre Familien mit dieser Diagnose geraten“, sagt Arnd Hansen, Geschäftsführer der Kartei der Not, und ergänzt: „Unsere Unterstützung will immer auch ein Zeichen der Solidarität sein, denn in so einer Situation, in der das Leben Einzelner so bedroht ist, ist es uns ein großes Anliegen, zumindest mit einer finanziellen Hilfe die Therapiechancen zu verbessern.“
Die Familie von Fabricé, die in Kissendorf im Landkreis Günzburg lebt, erfährt viel Anteilnahme. „Das Schlimmste in so einer Situation ist Gleichgültigkeit“, sagt Fabricés Patentante Rebecca Lerner. Sie versucht zusammen mit einem Unterstützerkreis auf allen Wegen Menschen dazu zu bewegen, sich registrieren zu lassen. Fabricé hat noch zwei Schwestern im Alter von drei und sieben Jahren, die zum Glück gesund sind und ihren kleinen Bruder lieben. Die fünfköpfige Familie lebt ausgesprochen bescheiden in einer Zweizimmerwohnung, weil sie bisher keine bezahlbare größere Wohnung gefunden hat. Doch diese Sorge steht nun im Hintergrund. Für die Familie zählt nur noch eines: der Überlebenskampf ihres Jüngsten. Wer die Bilder sieht, die ihn strahlend auf einer Schaukel zeigen oder fröhlich im Autositz, kann es nicht glauben, dass hinter so viel Freude auch so viel Schmerz steckt.
Information: Das Typisierungsset kann man sich über https://dkms.de/fabrice-kaempft oder www.dkms.de/de/better-together/lana zusenden lassen.