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Lernlücken: Studenten helfen Schülern in den Sommerferien: Ein Projekt für ganz Bayern?

Lernlücken

Studenten helfen Schülern in den Sommerferien: Ein Projekt für ganz Bayern?

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    115 Studenten aller Lehrämter belegen im eben begonnenen Sommersemester ein gemeinsames Seminar. Es soll sie befähigen, Schüler der Klassen fünf bis sieben beim Lernen zu unterstützen. Anders als auf unserem Bild wird der Kurs digital stattfinden.
    115 Studenten aller Lehrämter belegen im eben begonnenen Sommersemester ein gemeinsames Seminar. Es soll sie befähigen, Schüler der Klassen fünf bis sieben beim Lernen zu unterstützen. Anders als auf unserem Bild wird der Kurs digital stattfinden. Foto: Ulrich Wagner

    Hanna Rößler wird in ein paar Jahren Grundschullehrerin sein. Gerade unterrichtet die 26-Jährige im Rahmen eines Praktikums gemeinsam mit einer erfahrenen Lehrkraft eine erste Klasse. „In meiner Klasse sind 26 Schüler. Sie besuchen seit September 2020 den Unterricht – aber nur die Hälfte kann lesen oder schreiben.“ Normal sei das nicht, sondern eine Folge der Pandemie, ist sie sich sicher: „Man merkt, dass in Corona-Zeiten den Schülern der Bezug zu uns Lehrkräften fehlte und dass oft die Unterstützung von zu Hause nicht vorhanden ist, gerade bei Kindern aus bildungsferneren Familien.“

    Hanna Rößler – derzeit im vierten Semester – will helfen, die Lernlücken bei den Kindern zu schließen. Sie ist eine von 115 Studentinnen und Studenten der Universität Augsburg, die in den Sommerferien ausschwärmen werden, um Schülern mit Nachholbedarf aus ihrem Lerntief zu holen. Kommende Woche beginnt ihre Ausbildung in einem Blockseminar, fünf Termine zu je acht Stunden. „Brückenwerk“ heißt das Projekt, initiiert vom Schulwerk der Diözese Augsburg – und es ist deren Angaben nach bayernweit einmalig. Die 115 Studenten werden Schüler mit Lernbedarf aus den 44 Schulen des Bistums in der ersten und letzten Woche der Sommerferien fördern und sie fit für das nächste Schuljahr machen. Montags bis freitags, vier Stunden pro Tag.

    Baerbock hatte die Idee, Studenten an die Schulen zu schicken

    Peter Kosak ist Leiter des Schulwerks und hat im Januar mit der Planung der Sommerschule begonnen, die sich an Schüler der Jahrgangsstufen fünf bis sieben richtet. Die entscheidende Idee sei ihm gekommen, sagt Kosak, als er einen Artikel unserer Redaktion zur Frage las, ob Lehramtsstudenten als Helfer an Schulen sinnvoll sein könnten. Diesen Vorschlag hatte Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen, in einem Interview der Reihe Augsburger Allgemeine Live ins Spiel gebracht.

    Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock soll ihre Partei als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl führen.
    Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock soll ihre Partei als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl führen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Der Deutsche Lehrerverband nimmt an, dass bundesweit jeder fünfte Schüler Nachhilfe bräuchte. „Seit Januar hatten mir unsere Schulleiter rückgemeldet, dass ein Förderangebot nötig sein wird“, erinnert sich auch Kosak. Zwar funktioniere der Distanzunterricht an den katholischen Schulen inzwischen „großartig“, sagt er. „Aber so gut er auch gemacht ist, nicht alle Schüler kommen mit einem hohen Grad von Eigenverantwortung problemlos zurecht.“

    Leiten wird die Ausbildung der Studierenden der Augsburger Professor für Schulpädagogik, Klaus Zierer. „Sommerschulen können gelingen, wenn eine gute Diagnose der Ausgangslage stattgefunden hat“, sagt Zierer. „Ohne diesen wichtigen Schritt können Sie sie vergessen.“ Gemeinsam mit dem für seine Lernmaterialien bekannten Stark-Verlag hat Zierer deshalb eine Lernstandsanalyse für die Fächer Deutsch, Englisch und Mathematik entwickelt. Klassleiter können Schüler für den Förderunterricht empfehlen, diese nehmen dann an eigens entwickelten Tests teil, an deren Ende drei Leistungsniveaus stehen. Zwei Wochen lang bekommen die Kinder in Kleingruppen mit maximal fünf Teilnehmern von den Studierenden anschließend Hilfe beim Lernen.

    Klaus Zierer ist Ordinarius für Schulpädagogik der
Universität Augsburg.
    Klaus Zierer ist Ordinarius für Schulpädagogik der Universität Augsburg. Foto: Klaus Zierer

    Unterricht in Corona-Zeiten: Studenten werden finanziell entlohnt

    Hanna Rößler wird mit Gymnasiasten lernen – für sie als angehende Grundschullehrerin ist das neue Feld spannend. „Ich kann mich weiter qualifizieren, die theoretische Erfahrung aus dem Seminar mit der Praxis verknüpfen.“ 30 Euro pro Stunde bekommen die Studenten für ihren Einsatz – gutes Geld, vor allem in Zeiten, in denen Nebenjobs rar sind. „Wir wollen ein Zeichen setzen“, sagt Schulwerksleiter Kosak. „Wir verlangen viel von den Studierenden, deswegen möchten wir sie auch entsprechend entlohnen.“ Für Hanna Rößler ist der Lohn „eher nebensächlich. Mir geht es vordergründig um die Unterstützung der Schülerinnen und Schüler“.

    Mittlerweile interessiert sich auch das Kultusministerium für das Pionierprojekt aus Augsburg. Am Montag hatten Organisator Kosak und der pädagogische Leiter Zierer einen Termin dort. Das Ministerium plant auch für die staatlichen Schulen Unterstützungsangebote, will unter anderem Dozenten der Volkshochschulen und auch Studenten in die Klassenräume schicken. In zentralen Kursen sollen sie aber nicht vorbereitet werden, auch eine flächendeckende Lernstandsanalyse ist nicht vorgesehen. Stattdessen setzt man in München auf die Selbstständigkeit der Schulen vor Ort. Inwieweit die Vorbereitungen schon abgeschlossen sind oder das Ministerium noch Inspiration aus Augsburg braucht, ist allerdings nicht bekannt.

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