Ein Kind liest langsam, stockt, verliert die Zeile. Klingt normal für einen ABC-Schützen. Wenn noch das Vertauschen von Wörtern, Silben oder Buchstaben hinzukommt, kann es aber ein erstes Anzeichen für Legasthenie sein. Forscher aus aller Welt befassen sich seit gestern in München mit dem Thema und regen frühe Hilfe an.
Zwei Studien in Hessen und in Bayern mit mehreren tausend Kindern zeigten, dass jeweils etwa vier Prozent der Grundschulkinder eine Lese-, eine Rechtschreib- oder eine kombinierte Lese-Rechtschreibschwäche hätten. Während die einen beim Lesen stocken, Wörter, Silben und Buchstaben vertauschen, machen die anderen beim Schreiben viele Fehler. Sie schreiben teils ein Wort im selben Text mehrfach unterschiedlich falsch. Und sie werden dafür nicht selten von Mitschülern gehänselt.
Die unterschiedlichen Schwächen werden unter Legasthenie oder auch Dyslexie subsumiert – und seien früher gar nicht unterschieden worden, sagte der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität München, Gerd Schulte-Körne: „Das hat dazu geführt, dass den Kindern nicht gezielt geholfen wurde.“ Bei der Unterscheidung der Störungen sei man mittlerweile genauer geworden und setze Hilfe früher an. „Man wartet nicht mehr, bis das Kind scheitert“, sagt Schulte-Körne.
Vorbild für die Betreuung sei ein gestuftes Modell aus den USA. Dabei werde vom Eintritt in die Schule an die Entwicklung beobachtet und zunächst einfache Unterstützung in der Gruppe angeboten. Für Kinder, bei denen das nicht ausreiche, gebe es ein intensiveres Förderangebot. In Deutschland werde diese Strategie bisher aber nur vereinzelt praktiziert. (dpa)