Der Skandal um mit nichtdeklariertem Pferdefleisch verunreinigten Lebensmitteln weitet sich aus und hat nun auch den Freistaat erreicht. Wie das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) am Freitagabend mitteilte, haben Kontrolleure aufgrund von Hinweisen der Behörden aus Nordrhein-Westfalen in fünf von sechs Proben Tiefkühl-Lasagne DNA von Pferdefleisch nachgewiesen. Die Proben stammen aus dem bayerischen Zentrallager eines Vertreibers von Tiefkühlprodukten mit Sitz in Nordrhein-Westfalen und hätten „geringe Spuren Pferdefleisch“ enthalten. Der Hersteller habe die Produkte bereits zurückgenommen.
Soko „Pferdefleisch“ findet Pferde-DNA in Fertigprodukten
Weitere Ergebnisse aus dem bayerischen Sonderuntersuchungsprogramm „Pferdefleisch“, das mit Bekanntwerden der ersten Fälle in Großbritannien und anderen EU-Mitgliedstaaten gestartet wurde, liegen jetzt ebenfalls vor. Bei sieben Proben wurde in einem Fall Pferde-DNA in geringen Spuren nachgewiesen. Auch dieses Produkt ist bereits vom Markt genommen. Um welche Produkte es sich im Einzelnen handelt, teilte die Behörde nicht mit.
Katrin Grimmer, Pressesprecherin beim LGL in Erlangen: „In den vergangenen drei Jahren haben wir rund 600 Proben auf ihr Fleisch hin getestet, quer durch alle Produkte, Marken und Regionen.“ Pferdefleisch habe keine enthalten. Bis gestern.
Hunderttausende Packungen Tiefkühl-Lasagnen werden vernichtet
Den ganzen Freitag über wurde die Liste betroffener Hersteller und Fertigprodukte immer länger. Spuren von Pferdefleisch sind jetzt erstmals auch in einem Fertigprodukt eines deutschen Lebensmittelherstellers gefunden worden. Die Dreistern-Konserven GmbH & Co. KG aus dem brandenburgischen Neuruppin teilte am Freitag mit, dass in „Rindergulasch 540g Omnimax“ Spuren von Pferde-DNA nachgewiesen worden seien. Insgesamt nahm der Handel hunderttausende Packungen Lasagne aus den Tiefkühltruhen. Die Ware wird vernichtet.
Aldi Süd und Lidl stoppen Verkauf von Ravioli und Tortelloni
Zuvor hatte bereits Aldi Süd mitgeteilt, Gulasch des Lieferanten Omnimax vorsorglich aus dem Verkauf zu nehmen. Das Produkt sei von Aldi Süd nur in Nordrhein-Westfalen verkauft worden. Zudem nehme Aldi Süd „Ravioli, 800-g-Dose (Sorte Bolognese)“ eines anderen Lieferanten aus den Regalen. Bei eigenen Analysen seien bei diesen beiden Produkten Anteile von Pferdefleisch nachgewiesen worden. Auch der Discounter Lidl stoppte den Verkauf eines Nudelgerichts. In den „Tortelloni Rindfleisch“ der Firma Gusto seien in Österreich Pferdefleisch gefunden worden. Gusto gehört zur Hilcona AG mit Sitz in Liechtenstein.
EU plant 10 bis 150 Gen-Proben pro Land
Pferdefleisch in Deutschland
Pferdefleisch gilt in vielen Ländern Europas als Delikatesse. Besonders in Frankreich, Italien und Island ist der Verzehr nicht außergewöhnlich. Zum Teil werden besondere Schlachtfohlen gezüchtet.
In Deutschland kommt Pferdefleisch eher selten auf den Teller.
Im Jahr 2011 wurden in der Bundesrepublik nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 11 200 Pferde geschlachtet.
Gegenüber dem Vorjahr war das zwar ein Anstieg von 16 Prozent, doch bleibt damit der Anteil von Pferden bei der Fleischerzeugung mit deutlich unter 0,3 Prozent verschwindend gering.
In Deutschland bieten meist spezialisierte Rossschlachter Produkte aus dem Fleisch von Schlachtpferden an, seit einer Gesetzesänderung in den 90er Jahren sind aber auch andere Fleischereien dazu berechtigt.
Hierzulande wird Pferdefleisch vor allem als Grillwurst, Gulasch oder Roulade konsumiert.
Auch für den traditionellen Rheinischen Sauerbraten wird in der authentischen Zubereitung nicht Rindfleisch, sondern das deutlich zartere und fettärmere Pferdefleisch verwendet.
Ernährungsexperten geben den Fettgehalt von magerem Pferdefleisch mit 3 Prozent gegenüber 6 Prozent beim Rind an. Bei fettem Fleisch sind es 16 zu 31 Prozent. 100 Gramm Pferdefleisch enthalten etwa 3,5 Milligramm Eisen, bei der gleichen Menge Rindfleisch sind es nur 1,9 Milligramm.
Die EU-Staaten wollen bei der Fahndung nach falsch deklariertem Pferdefleisch Gentests machen. Darauf einigten sich Vertreter der 27 Staaten in Brüssel. Die EU-Kommission übernimmt teilweise die Kosten der Untersuchungen, die bis spätestens Ende März abgeschlossen sein sollen. Bis dahin sollen die nationalen Behörden 2250 Rindfleischprodukte testen. Auf jedes Land entfallen dabei zwischen 10 und 150 Gen-Proben. Zudem soll auf Rückstände des Medikaments Phenylbutazon getestet werden, das im Reitsport verwendet wird.
Europäische Verbraucherschützer wollen außerdem erreichen, dass auf Lebensmittelverpackungen künftig klar erkennbar ist, woher die Ware stammt und wo sie verarbeitet worden ist. Die französischen Behörden versuchen derweil seit Tagen herauszufinden, welcher Lieferant als Rind getarntes Pferdefleisch in Umlauf gebracht hat. Die meisten Indizien deuten auf die Firma Spanghero hin. Über sechs Monate verteilt soll das Unternehmen wissentlich 750 Tonnen Pferdefleisch aus Rumänien importiert haben. Als Rind deklariert und verarbeitet zu mehr als 4,5 Millionen Tiefkühlprodukten, gelangte das Fleisch in mindestens 13 europäische Länder. mit dpa