Was diese Bilder ausgelöst haben, beschäftigt viele Menschen bis heute. Vor zwei Jahren veröffentlichte der Verein Soko Tierschutz das Video, das einen erschreckenden Umgang mit Kühen auf einem großen Milchviehbetrieb in Bad Grönenbach (Unterallgäu) zeigte. Das löste den Allgäuer Tierskandal aus. Beteiligte müssen sich im Herbst vor Gericht verantworten, auf manchen Großbetrieben kontrolliert inzwischen eine neu geschaffene Behörde und bei den Landwirten in der Region bleibt ein ungutes Gefühl.
So geht es der Landwirtschaft zwei Jahre nach dem Allgäuer Tierskandal
Nach Bekanntwerden der Vorfälle in Bad Grönenbach lag großer Druck auf den Allgäuer Landwirten. Sie sprachen von „Generalverdacht“ und „Vorverurteilung“. „Man hatte damals bei seiner alltäglichen Arbeit permanent die Kameras im Kopf, die auf einen gerichtet sind. Davon ist schon etwas bis heute geblieben“, sagt die Oberallgäuer Kreisbäuerin Monika Mayer.
Das bestätigt auch Landwirt Gerhard Trunzer aus Bad Grönenbach. Er ging vor zwei Jahren in die Offensive, lud Politiker ein, um zu zeigen: So sieht ein normaler Bauernhof aus. Trunzer sagt, die Angst, dass den Landwirten aus kleinen Verstößen ein „großes Rad gemacht wird“, gebe es auch heute noch. Was sich nicht geändert habe, sei der Umgang der Landwirte mit ihren Tieren. Der sei bei den allermeisten schon vorher vernünftig gewesen. Auf ihrem Hof im Oberallgäu hat Monika Mayer sogar eine positive Folge des Tierskandals beobachtet: „Die kritisch interessierten Fragen der Menschen haben zugenommen“, sagt sie. Sie freue sich über jeden, der offen und direkt mit ihr über ihre Arbeit spreche. „Aber bei Nacht und Nebel mit versteckter Kamera – das geht gar nicht.“
Soko Tierschutz erhält seit dem Allgäuer Tierskandal mehr Hinweise auf Tierquälereien
„Bis heute rufen Leute bei mir an und fragen, was aus den Vorfällen in Bad Grönenbach geworden ist“, sagt Friedrich Mülln, Vorsitzender der Soko Tierschutz. Seit der Verein durch den Tierskandal bundesweit bekannt wurde, erhalte er deutlich mehr Hinweise auf mögliche Tierquälereien. Die meisten können Mülln und seine Mitstreiter direkt klären, etwa durch ein Gespräch mit dem Landwirt. Immer wieder geht der Verein aber auch mit Fällen an die Öffentlichkeit. Strafrechtliche Folgen hatten die versteckten Kameras in dem Bad Grönenbacher Bauernhof für die Soko Tierschutz übrigens nicht. „Da lag eindeutig ein rechtfertigender Notstand vor, deshalb haben wir uns da auch nie Sorgen gemacht“, sagt Mülln.
Der Tierskandal hatte auch eine Diskussion über die Besetzung von Veterinärämtern ausgelöst. Der damalige Unterallgäuer Landrat Hans-Joachim Weirather klagte, dass der Freistaat seine jahrelangen Bitten um mehr Personal ignoriert habe. „Auch mit der aktuellen Situation sind wir nicht zufrieden“, sagt Dr. Alexander Minich, der Leiter des Veterinäramts in Mindelheim. Wie vor zwei Jahren arbeite die Behörde derzeit mit fünf Veterinären. Eine sechste Stelle wurde geschaffen, doch die Kollegin falle wegen einer Schwangerschaft aus, sagt Minich. Eine siebte Stelle solle Ende des Jahres hinzukommen. „Das Veterinäramt im württembergischen Kreis Ravensburg, das mit uns in etwa vergleichbar ist, hat zehn Veterinärsstellen.“ Trotz der schwierigen Personallage gebe es keine angekündigten Kontrollen bei Landwirten, weist Minich entsprechende Gerüchte zurück.
Ministerium: 43 neue Stellen für Amtstierärzte
Seit dem Tierskandal habe der Freistaat 43 neue Stellen für Amtstierärztinnen und Amtstierärzte geschaffen, heißt es beim zuständigen Umweltministerium. Zudem gibt es nun die Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV), die sich um besonders große Betriebe kümmert. Nach deren Angaben haben seit Juli 2020 im Unterallgäu insgesamt 37 Kontrollen in sechs Betrieben stattgefunden. Bei 1500 Rinderhaltern im Landkreis sei dies nur eine „marginale Entlastung“, sagt Veterinäramtsleiter Minich. Das Ministerium verweist zudem auf das „Zukunftskonzept Landtierärzte“. Ziel sei es, den Beruf „attraktiver zu gestalten“. So starte zum Wintersemester der Masterstudiengang Tiergesundheit und die Vergütung der Mediziner solle sich weiter verbessern.
Justiz nach dem Allgäuer Tierskandal: Anklage gegen Landwirte
Es ist eine Mammutaufgabe für die Staatsanwaltschaft. Die Ergebnisse der Ermittlungen zum Allgäuer Tierskandal füllen dort ganze Regale. In zwei Fällen hat die Staatsanwaltschaft Memmingen inzwischen Anklage gegen Landwirte erhoben, in einem Fall ermittelt sie noch. „Dass es so lange dauert, hat mit dem Umfang der Verfahren zu tun“, sagt Oberstaatsanwalt Thorsten Thamm. So sei für jede Kuh ein eigenes Gutachten nötig.
Die erste Verhandlung soll im Herbst stattfinden, einen Termin gibt es noch nicht. Gegen einzelne Mitarbeiter der Betriebe ergingen bereits Strafbefehle. Die Ermittlungen gegen vier Tierärzte und einen Angestellten wurden hingegen mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Ebenfalls Anklage erhoben hat die Staatsanwaltschaft Kempten gegen drei Landwirte aus dem Landkreis Oberallgäu. Ihnen wird vorgeworfen, erkrankte Tiere nicht ausreichend behandelt zu haben.