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Landwirtschaft: Kälber ohne Trinkwasser: Allgäuer Tierskandal setzt sich fort

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Kälber ohne Trinkwasser: Allgäuer Tierskandal setzt sich fort

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    Erhebliche Missstände wurden in Allgäuer Höfen aufgedeckt.
    Erhebliche Missstände wurden in Allgäuer Höfen aufgedeckt. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa (Symbol)

    Rinder, die im eigenen Dreck stehen, geschlagen oder von einem Traktor durch den Stall gezogen werden – die Bilder, die in einem Milchviehbetrieb in Bad Grönenbach (Landkreis Unterallgäu) entstanden, lösten im Juli 2019 allgemeines Entsetzen aus. So schnell das Versprechen von Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) kam, die Vorfälle aufzuklären, so schnell waren auch die Rufe nach Konsequenzen da. Wie nun bekannt wurde, endeten die Missstände jedoch keineswegs im Juli 2019. Das Leiden der Tiere hielt teils bis zum Juni dieses Jahres an.

    Tierskandal im Allgäu geht weiter: 85 Rinder eingeschläfert

    Fünf große Rinderbetriebe stehen im Zentrum des sogenannten „Allgäuer Tierskandals“: drei aus Bad Grönenbach (Landkreis Unterallgäu), zwei aus Dietmannsried (Landkreis Oberallgäu). Die zwei größten im Skandal involvierten Betriebe hatten 2800 beziehungsweise 1800 Rinder. Nach Angaben des Umweltministeriums hat sich dieser Bestand inzwischen um bis zu 25 Prozent verringert, auch würden alle betroffenen Betriebe häufiger kontrolliert. Wie eine Anfrage der Landtags-SPD beim Umweltminister Glauber ergab, fanden Amtstierärzte dabei aber teilweise Kälber vor, die kein Trinkwasser hatten. Zudem bekamen Kälber und Rinder nicht genügend Futter und waren in überfüllten, verdreckten und dunklen Ställen untergebracht. Allein in einem Hof waren 85 Rinder in einem so schlechten Zustand, dass sie eingeschläfert werden mussten.

    Gegen den Leiter eines Betriebs aus Bad Grönenbach und dessen Sohn hat die Staatsanwaltschaft Memmingen inzwischen Anklage wegen Verstöße gegen das Tierschutzgesetz erhoben. Die Staatsanwaltschaft Kempten ermittelt gegen vier weitere Beschuldigte, drei Hof-Mitarbeiter und einen Tierarzt. Die anderen Beteiligten wurden meist mit Bußgeldern oder Subventionskürzungen bestraft. Das reicht nicht, sagt der Münchner SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn. „Wir brauchen effektivere Kontrollen und härtere Sanktionen.“ Dazu gehörten mehr Strafanzeigen und Tierhaltungsverbote. Auch eine unabhängige Expertenkommission sei sinnvoll. „Was wir festgestellt haben, ist eklatantes Behördenversagen.“

    SPD im Landtag fordert Konsequenzen für Milchviehhalter

    Dass viele Landwirte trotz offenkundiger Verstöße weiter Tiere halten durften, ist vor allem hohen rechtlichen Hürden geschuldet, die durch das Berufsausübungsrecht entstehen. Das erklärte eine Sprecherin des Umweltministeriums im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz. Drei Landwirte hätten das Tierhalteverbot angefochten und deshalb vorerst weiter arbeiten dürfen. Bei zwei von ihnen gelte das Verbot inzwischen dauerhaft, der dritte könne nach Ablauf einer Frist beantragen, das Verbot aufzuheben. Ein betroffener Hof sei im April 2020 an einen neuen Eigentümer übergeben worden. Dort – wie bei vielen anderen Betrieben – hätten sich die Zustände inzwischen verbessert. Umweltminister Glauber hatte nach Aufdeckung des Skandals das Kontrollsystem für Rinderbetriebe neu organisiert. Für Betriebe mit über 600 Tieren ist nun die Sonderkontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zuständig.

    Massive Kritik äußerten die Mitglieder im Umweltausschuss auch an der Tatsache, dass das bayerische Landwirtschaftsministerium noch im August 2019 einem betroffenen Hof das Siegel „Geprüfte Qualität Bayern“ verlieh. Anzeichen auf gravierende Mängel dort hatte es bereits 2017 gegeben. Ein Sprecher des Ministeriums sagte, man plane, die zuständigen Stellen künftig stärker zu verzahnen.

    Lesen Sie auch den Kommentar: Tierskandal im Allgäu: Mehr Kontrollen, aber ohne Generalverdacht

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