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Landtag: Verwandtenaffäre erreicht SPD: Güller beschäftigte Stiefsohn

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Verwandtenaffäre erreicht SPD: Güller beschäftigte Stiefsohn

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    Die Verwandtenaffäre im bayerischen Landtag hat mit Harald Güller nun auch ein erstes prominentes SPD-Mitglied erreicht.
    Die Verwandtenaffäre im bayerischen Landtag hat mit Harald Güller nun auch ein erstes prominentes SPD-Mitglied erreicht. Foto: Frank Leonhardt, dpa/lby

    Güller hatte Ende 2009 zusätzlich zu seinen fest angestellten Mitarbeitern den damals 30-jährigen Sohn seiner Frau aus deren erster Ehe für zwei Monate beschäftigt. Wie in einem unserer Redaktion vorliegenden Brief an Landtagsdirektor Peter Worm vom 8. Mai mitteilt, sei sein Stiefsohn "mit dem Neuaufbau der internen digitalen Bürokommunikation und der Abarbeitung bestehender Defizite im Bereich der Adressverwaltung" betraut gewesen.

    Auf Nachfrage unserer Redaktion erklärte Güller, dafür sei der damals 30-Jährige entsprechend seiner Qualifikation in der Entgeltgruppe 13 des Tarifvertrags öffentlicher Dienst mit jeweils monatlich 3050 Euro brutto entlohnt worden.

    Güller: Schlicht über das Verwandtschaftsverhältnis getäuscht

    Güller betonte, er sei bisher davon ausgegangen, dass es sich bei seinem Stiefsohn nicht um ein verwandtschaftliches Verhältnis handelt. "Ich bin zu blöd gewesen. Ich habe von 2009 bis jetzt nicht gewusst, dass der damals 30-jährige Sohn meiner Lebensgefährtin dadurch, dass wir geheiratet haben, mein Schwager ersten Grades geworden ist", sagte der Jurist im Gespräch mit unserer Redaktion. Damit fällt das Beschäftigungsverhältnis jedoch unter die Regelung aus dem Jahr 2000, die Landtagsabgeordneten die Neuanstellung von Eheleuten, sowie Verwandten und Verschwägerten ersten Grades verbietet.

    Chronologie der "Verwandtenaffäre"

    15. April: Das Buch "Die Selbstbediener - Wie bayerische Politiker sich den Staat zur Beute machen" von Hans Herbert von Arnim erscheint und tritt die Diskussion um die "Familienaffäre" los. Zwei Tage später diskutiert der bayerische Landtag über Arnims Kritik.

    19. April: Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) veröffentlichte eine Liste von 17 Abgeordneten, die bis vor Kurzem rechtmäßig Verwandte ersten Grades beschäftigten.

    19. April: Ministerpräsident Horst Seehofer fordert die betroffenen Parteimitglieder auf, die Beschäftigungsverhältnisse mit ihren Familienangehörigen sofort zu beenden. CSU-Fraktionsvorsitzender Georg Schmid und Kultusminister Ludwig Spaenle kündigen daraufhin ihren Ehefrauen.

    23. April: Die Summe des Honorars von Georg Schmids Frau wird bekannt: Sie erhielt für ihre Leistungen monatlich zwischen 3.500 und 5.500 Euro brutto.

    25. April: Georg Schmid tritt aufgrund des schwindenden Rückhalts in der CSU und des medialem Drucks als Fraktionsvorsitzender zurück. Ein Neuburger Bürger zeigt Georg Schmids Ehefrau Gertrud wegen Scheinselbstständigkeit an.

    29. April: Georg Winter tritt als Haushaltsausschussvorsitzender im bayerischen Landtag zurück. Er hatte seine beiden Söhne im Alter von 13 und 14 Jahren sowie seine Frau beschäftigt. Die Staatsanwaltschaft Augsburg prüft Ermittlungen gegen Georg Schmid und seine Ehefrau wegen Scheinselbstständigkeit.

    30. April: Münchens Oberbürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Christian Ude fordert Schmid und Winter auf, auch ihre Landtagsmandate niederzulegen. Mittlerweile sind 17 Abgeordnete der CSU, zwei der SPD, ein Grüner sowie Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in die Familienaffäre verwickelt.

    2. Mai: Georg Schmid gibt seinen Rückzug aus der Berufspolitik bekannt. Justizministerin Beate Merk, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und Kulturstaatssekretär Bern Sibler räumen ein, enge Verwandte beschäftigt zu haben.

    3. Mai: Landtagspräsidentin Barbara Stamm veröffentlicht eine Liste mit 79 Abgeordneten, die nach 2000 Familienangehörige beschäftigt haben oder hatten. Kultusminister Spaenle kündigt an, das volle Gehalt seiner Frau zurückzuerstatten. Ministerpräsident Seehofer fordert betroffene Abgeordnete auf, diesem Beispiel zu folgen.

    4. Mai: Fünf Kabinettsmitglieder kommen der Forderung Seehofers nach und wollen dem Staat die Gelder zurücküberweisen.

    6. Mai: Ministerpräsident Seehofer stellt seinen Drei-Punkte-Plan zur Überwindung der Familienkrise vor. Das Landtagsamt vertritt die Meinung, dass die Anstellung von Georg Winters Söhnen illegal war. Der will daraufhin das komplette Gehalt seiner Söhne an die Staatskasse zurückzahlen.

    7. Mai: Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International fordert alle betroffenen Abgeordneten auf, die Gelder zurückzuerstatten. Die Staatsanwaltschaft Ausburg will gegen den zurückgetretenen CSU-Fraktionschef Georg Schmid nach Angaben des Landtags ein Ermittlungsverfahren einleiten. Die Staatsanwaltschaft Augsburg kommentiert den Bericht vorerst jedoch nicht.

    8. Mai: Der Bayerische Oberste Rechnungshof schaltet sich in die Affäre ein. Er will rückwirkend die Vergabe von Abgeordneten-Jobs an Familienangehörige sowie die Neuregelung des Abgeordnetengesetzes prüfen.

    23. Februar 2014: Auf dem Höhepunkt der Verwandtenaffäre im Landtag beschließt die CSU einstimmig einen Verhaltenskodex. Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel hatte zusammen mit anderen CSU-Spitzenpolitikern den Kodex für ihre politischen Mandatsträger entwickelt, um Filz- und Amigo-Vorwürfen künftig jede Grundlage zu entziehen.

    25. Februar: Der schwäbische SPD-Abgeordnete Harald Güller wird im Rahmen der Verwandtenaffäre wegen Betrugs verurteilt. Er hatte den Sohn seiner Frau aus erster Ehe im Jahr 2009 für zwei Monate beschäftigt und 7500 Euro für Gehalt und Sozialversicherungsbeiträge aus der Landtagskasse gezahlt. Die Richterin argumentierte, dass Güller, der selbst Jurist ist, vorsätzlich gehandelt habe. Güllers Anwalt kündigte Berufung an.

    11. Juni: Nach einer Verfassungsklage der SPD werden im Landtag die Summen veröffentlicht, die Kabinettsmitglieder ihren Verwandten bezahlt haben. Bei den fünf Ministern und Staatssekretären der CSU – Helmut Brunner, Ludwig Spaenle, Gerhard Eck, Franz Pschierer und Bernd Sibler – liegt die Gesamtsumme der gezahlten Vergütungen seit 1997 bei über 1,3 Millionen Euro.

    25. Juli: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Georg Schmid. Der frühere CSU-Fraktionschef soll 350.000 Euro Sozialabgaben nicht bezahlt haben. Im Einzelnen lauten die Vorwürfe auf vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 262 Fällen sowie Steuerhinterziehung in 59 Fällen. Seiner Frau werden Beihilfe und Steuerhinterziehung vorgeworfen.

    Güller sagte, er sei erst Ende April darauf gekommen, dass das Beschäftigungsverhältnis ein Problem sein könnte. Nachdem er sich erkundigt und das Landtagsamt in Kenntnis gesetzt hatte, habe er schließlich den vollen Brutto-Betrag der beiden Monatsgehälter zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 7417 Euro zurückerstattet.

    Ferner lege er Wert darauf, dass er keine Übergangsregelung oder ähnliches in Anspruch genommen habe. Er habe sich schlicht über das Verwandtschaftsverhältnis getäuscht. "Eine sogenannte 'Übergangsregelung' oder 'Altfallregelung' zur Beschäftigung von Familienangehörigen liegt bei mir zweifelsfrei nicht vor."

    SPD fordert Rücktritt von Landwirtschaftsminister Brunner

    Erst am Montag hatte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher forderte im Gespräch mit unserer Redaktion den Rücktritt des bayerischen Landwirtschaftsministers Helmut Brunner sowie zweier Staatssekretäre, falls sich Medienberichte als zutreffend erweisen, dass die drei CSU-Politiker in letzter Minute ein Schlupfloch für die Anstellung von Familienmitgliedern genutzt haben.

    Der Bayerische Rundfunk hatte zuvor berichtet, dass Minister Brunner, Innenstaatssekretär Gerhard Eck und Kultusstaatssekretär Bernd Sibler ihre Ehefrauen im Jahr 2000 kurz vor Inkrafttreten des Verbots der Ehegattenbeschäftigung angestellt hätten und damit zu jenen bislang namentlich nicht veröffentlichten 34 Abgeordneten zählten, die von der Ausnahmeregelung kurz vor Schluss Gebrauch machten.

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