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Landsberger Finanzaffäre: Heftige Kritik an Wirtschaftsminister Zeil

Landsberger Finanzaffäre

Heftige Kritik an Wirtschaftsminister Zeil

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    Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil muss derzeit seine frühere Rolle als Jurist bei der Privatbank Hauck & Aufhäuser erklären, die die Stadt Landsberg bei verlustreichen Zinsgeschäften beraten hat.
    Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil muss derzeit seine frühere Rolle als Jurist bei der Privatbank Hauck & Aufhäuser erklären, die die Stadt Landsberg bei verlustreichen Zinsgeschäften beraten hat. Foto: Sven Hoppe, dpa/lby

    Im Jahr 2005 war er Leiter der Rechtsabteilung bei der Münchner Privatbank Hauck & Aufhäuser sowie Geschäftsführer der Tochtergesellschaft Hauck & Aufhäuser Finance Management GmbH. In dieser Zeit schloss die Bank Zinsgeschäfte mit Landsberg ab, die der Kommune Verluste in Millionenhöhe bescherten.

    "Zeil kennt keine Skrupel"

    Die Landsberger Derivataffäre

    Im Jahr 2004 beschließt der Landsberger Stadtrat, moderne Finanzinstrumente einzusetzen. Dazu zählen unter anderem Derivate. Allerdings soll die Kämmerei um Stadtkämmerer Manfred Schilcher in den Jahren 2008 und 2010 Geschäfte getätigt haben, die weder vom Kommunalrecht noch vom damaligen Beschluss des Stadtrats gedeckt waren.

    Im Frühjahr 2011 werden OB Ingo Lehmann die riskanten Finanzgeschäfte über den Kommunalen Prüfungsverband bekannt. Der Rathauschef schaltet daraufhin die Wirtschaftskanzlei Becker Bütner Held aus München ein, die die Angelegenheit untersucht.

    Am 28. Dezember 2011 informiert Ingo Lehmann erstmals öffentlich, dass die Stadt mit Derivatgeschäften über zwei Millionen Euro Verlust gemacht hat.

    Einen Tag später bestreitet Kämmerer Manfred Schilcher Vorwürfe, er habe vier Finanzgeschäfte getätigt, ohne Finanzausschuss und Oberbürgermeister zu informieren.

    Am 30. Januar 2012 leitet die Landesanwaltschaft Bayern ein Disziplinarverfahren gegen Manfred Schilcher ein. Unmittelbar danach entbindet ihn Ingo Lehmann von der Verantwortung für die Kämmerei.

    Anfang Februar 2012 beginnt die Staatsanwaltschaft Augsburg mit ihren Vorermittlungen.

    Der Stadtrat beauftragt den Oberbürgermeister, Strafanzeige gegen die Münchner Niederlassung der Frankfurter Privatbank Hauck & Aufhäuser sowie das Beratungsunternehmen Hauck & Aufhäuser Finance Management (seit 2010 Finance Consulting) zu stellen.

    Am 23. Februar 2012 schreibt die Stadt die Stelle des Kämmerers neu aus.

    Überraschend wird Ingo Lehmann am 11. März 2012 bereits im ersten Wahlgang abgewählt. Zwei Wochen später gewinnt Mathias Neuner (CSU) die Stichwahl gegen Ludwig Hartmann (Grüne).

    Die Landesanwaltschaft enthebt Manfred Schilcher am 13. März 2012 vorläufig des Dienstes. Gleichzeitig wird gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet.

    Knapp eine Woche später leitet die Landesanwaltschaft ein Disziplinarverfahren gegen den noch amtierenden Oberbürgermeister Ingo Lehmann ein. Gleichzeitig werden die laufenden Verfahren gegen Schilcher und Lehmann ausgesetzt. Die Landesanwaltschaft begründet dies mit den gleichzeitigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg.

    Mitte Oktober 2012 wird bekannt, dass sich der Gesamtverlust aus den Derivatgeschäften allein für 2012 auf 1,6 Millionen Euro summiert. Insgesamt liege der potenzielle Schaden, der der Stadt aufgrund der Zinsgeschäfte entstehen könnte, nach Hochrechnungen und Einschätzungen bei 6,2 bis 6,8 Millionen Euro.

    Am 4. Juni 2013 wird im Zivilprozess Stadt Landsberg gegen das Bankhaus Hauck & Aufhäuser erstmals vor dem Landgericht München I verhandelt. Dabei lehnt die Stadt eine von Richterin Ingrid Kerschner ins Spiel gebrachte Mediation ab. Der Prozess soll am 8. Oktober 2013 fortgesetzt werden.

    Der Stadtrat bestätigt die Haltung der Stadt am 12. Juni und stimmt in nicht öffentlicher Sitzung gegen eine Mediation.

    In der Sitzung, in der Rechtsanwalt Martin Hoffschmidt die Argumente der Stadt ausführlich darlegt, fällt der Name Martin Zeil (FDP). Bayerns Wirtschaftsminister war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rahmenvertrags mit der Stadt Landsberg Leiter der Rechtsabteilung bei Hauck & Aufhäuser sowie Geschäftsführer der Tochtergesellschaft Hauck & Aufhäuser Finance Management.

    Am Tag nach der Sitzung will sich Zeil bei Stadtrat Jonas Pioch über die Sitzung informieren. Pioch macht dies, und einen Anruf des Parlamentarischen Geschäftsführer der Landtagsfraktion Tobias Thalhammer (beide FDP), öffentlich. Daraufhin tritt der Kreisrat und stellvertretende Bezirksvorsitzende der FDP, Markus Wasserle aus Windach, zurück.

    Am Sonntag wurde dennoch scharfe Kritik vonseiten der Landtagsgrünen laut. "Damals wie heute: Minister Zeil kennt keine Skrupel und besitzt keinen moralischen Anstand", sagte der Landsberger Grünen-Abgeordnete Ludwig Hartmann. Der Minister rede sich heraus. "Das ist eine groteske Form des Umgangs mit Verantwortung gegenüber seinen damaligen Mitarbeitern. Ein Geschäftsführer muss das Geschäftsmodell kennen, mit dem das Unternehmen sein Geld verdient."

    Der FDP-Fraktionsvorsitzende Thomas Hacker sprach von einem "Skandalisierungsversuch". Hartmann versuche, "aus einem für Kenner der Materie plausiblen Vorgang einen Skandal zu schnitzen". "Wenn Herr Hartmann sich ein wenig besser mit Banken auskennte, wüsste er, dass ein Bankkunde seine Investitionsgeschäfte mit dem Anlageberater der Bank bespricht und nicht mit dem Leiter der Rechtsabteilung."

    Zeil wurde zwar von der Stadt Landsberg als Zeuge in dem Rechtsstreit benannt, geladen worden sei er aber bislang nicht, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums am Sonntag.

    Anruf bei Landsberger Stadtrat sorgt für Wirbel

    Außerdem sorgt ein Anruf Zeils bei einem Landsberger Stadtrat für Wirbel, in dem Zeil versucht haben soll, Informationen aus einer teilweise nicht öffentlichen Stadtratssitzungen zu bekommen, in der es um das weitere Vorgehen der Kommune im Derivat-Prozess ging.

    "Ich bin informiert worden, dass mein Name in einer öffentlichen Sitzung des Landsberger Stadtrates gefallen ist. Ich wurde zwar darüber unterrichtet, um welches Thema es ging, nicht aber, in welchem Zusammenhang mein Name genau erwähnt wurde", sagte Zeil dazu. "Um diesen Zusammenhang zu eruieren und um für etwaige Anfragen gewappnet zu sein, haben ich und meine engsten Mitarbeiter einige Telefonate geführt."

    Als Jurist und stellvertretender Ministerpräsident gebe er aber prinzipiell keine Auskunft über die Inhalte seiner Telefonate. Er betonte: "Der Unterschied von öffentlicher und nicht öffentlicher Sitzung ist mir als langjähriger Kommunalpolitiker bekannt."

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