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Landsberg: Frau verlor Mann und Kinder: Ihr Leben nach dem Schicksalsschlag

Landsberg

Frau verlor Mann und Kinder: Ihr Leben nach dem Schicksalsschlag

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    Ihr Mann Heli ist tot, ihre Tochter Fini und der Sohn Thimo ebenfalls: Barbara Pachl-Eberhart hat bei einem Unfall ihre ganze Familie verloren.
    Ihr Mann Heli ist tot, ihre Tochter Fini und der Sohn Thimo ebenfalls: Barbara Pachl-Eberhart hat bei einem Unfall ihre ganze Familie verloren. Foto: Thorsten Jordan

    Am Unglück zu zerbrechen, das kann auch eine Chance sein. Dieser Satz macht nachdenklich. Er ist nicht so einfach dahingesagt, denn Barbara Pachl-Eberhart weiß genau, wovon sie spricht.

    Denn am Gründonnerstag 2008 verlor sie bei einem Autounfall an einem Bahnübergang in Tackern in der Steiermark ihren Mann und die zwei Kinder. Ein Schicksalsschlag, der atemlos macht. Barbara Pachl-Eberhart hat ihre Geschichte aufgeschrieben, mit ihrem Buch „vier minus drei“ ist die sympathische Österreicherin gerade in Deutschland auf Lesetour. Gerade war sie im Landkreis Landsberg und hat unter anderem bei einer Hospizgruppe gelesen.

    An einem unbeschrankten Bahnübergang ist er unachtsam

    Barbara Pachl-Eberhart und ihr Mann arbeiteten vor dem Unfall als Clowns. Vor fünf Jahren ist ihr Mann Heli mit den Kindern im Clownbus unterwegs. An einem unbeschrankten Bahnübergang ist er unachtsam, fährt weiter – ein Zug rast in den Bus. Heli ist sofort tot, die beiden Kinder kommen schwer verletzt ins Krankenhaus. Der sechsjährige Thimo stirbt einen Tag später, er ist hirntot, die Maschinen werden abgeschaltet. Die 22 Monate alte Fini hat ein Schädelhirntrauma und stirbt am darauffolgenden Tag.

    Damit endet das alte Leben von Barbara Pachl-Eberhart und ein neues beginnt. Sie fährt anfangs oft zum Unglücksort und nennt das Begräbnis „Seelenfest“. „Ich war eigentlich ganz ruhig, aber das Leben wollte ich nicht mehr zur Tür hereinlassen, das hat gedauert.“ Sie schläft und träumt viel von ihren Kindern. „Einmal sagte meine Fini im Traum zu mir, sie darf zurückkommen.“

    "Wir hören ja nicht auf zu leben"

    Die 39-Jährige betreute bei den „Rote Nasen Clowndoctors“ kranke Kinder, auch in dem Krankenhaus, in dem dann ihre beiden Kinder starben. In ihrem Buch erzählt sie von ihren Kindern, und der Zeit danach, der Trauer und dem Leben: „Wir hören ja nicht auf zu leben. Wenn wir zerbrechen, dann liegt sogar in diesem Zerbrechen noch eine Chance. Denn auch eine Vase kann man zusammenkleben und aus den Scherben kann man etwas Größeres und Neues schaffen.“

    Der Tod ihrer Familie erwischte sie in einem „sehr positiven Lebensmodus, so plötzlich, dass ich es zuerst gar nicht mitbekam.“ Sie sei optimistisch gewesen und neugierig, auch in ihrem Beruf. Ein Blick oder ein Lächeln sei schon alles, was man manchmal brauche. Ihr sei klar, dass das alles nicht durchschnittlich ist. „Meine Sichtweise ist nicht der Mainstream, ich möchte immer berührbar bleiben.“

    Ihr Lächeln war nicht mehr echt

    Sie hat auch nach dem Unglück versucht weiterzulächeln, in ihrem Beruf als Clownin. „Aber ein kleines Mädchen im Krankenhaus hat mir gezeigt, dass etwas nicht stimmt.“ Das Kind habe sie angeschaut und gesagt, „geh weg, ich hab Angst vor dir, du bist komisch.“ Da habe sie gemerkt, dass ihr Lächeln nicht mehr echt war, „das Kind hat das gespürt.“ Deshalb habe sie als Clown aufgehört und angefangen, ihre Geschichte aufzuschreiben. „Am Anfang war das nicht als Therapie geplant, aber es ist dann natürlich eine geworden.“ Ihr Lektor habe ihr viel geholfen und genau hingeschaut. „Er hat gemerkt, wenn ich mich um etwas herumschummeln wollte, und so musste ich vieles nochmals durchleben.“

    Geholfen haben ihr die Freunde, aber auch eine professionelle Therapeutin, „dazu würde ich jedem raten“, sagt Pachl-Eberhart. Denn Freunde seien oft sprachlos oder überfordert. Hilfreich seien auch Kleinigkeiten. „Willst du ein Gulasch oder eine Pizza?“, so ein Satz sei manchmal genau das Richtige, denn vielen würden eh die Worte fehlen. Auf die Frage, wann sie denn den Verlust ihrer Familie akzeptiert habe, sagt sie: „Im Kopf ging das ganz schnell, aber nicht mit den Händen und Füßen, nicht im Handeln.“ Man muss neue Schritte gehen lernen, und das meint die Autorin durchaus wörtlich. „Man muss rausgehen, nicht erst, wenn man das möchte, sondern einfach gehen.“

    Die unsichtbare Familie

    Sie glaube, dass ihre beiden Kinder noch existieren „nur in einer anderen Form“. „Vielleicht als Wassertropfen oder als Gänseblümchen irgendwo.“ Deshalb sei ihr auch der Titel ihres Buches so wichtig gewesen. „Darauf habe ich bestanden.“ Denn das sei nicht nur Mathematik, sondern „vier minus drei“ könne auch eins im Sinne von Einssein bedeuten. „Dieses Gefühl, mit meinen Kindern immer noch eins zu sein, ist unglaublich schön und wichtig für mich. Vielleicht ist das ja auch die Antwort auf meinen Traum mit Fini.“ Ihr neuer Partner, der Schauspieler Ulrich Reinthaller, habe ihr sehr geholfen, „denn er hat meine Familie akzeptiert, mein Mann Heli ist fast wie ein Bruder für ihn.“

    Pachl-Eberhart bringt nun ein weiteres Buch heraus und denkt auch schon über ein drittes nach. „Ich habe mich freigeschrieben, das dritte Buch soll über das Clownsein gehen.“ Ihre Familie ist dabei stets präsent, „denn wir sind jetzt eine Familie mit Unsichtbaren.“ Ihr Buch soll dabei die Taschenlampe im Dunkeln sein. Wie sie trotz all dem Dunklen weiterleben konnte beantwortet sie mit einem Satz: „Ich habe dem Leben Vorschusskredit gegeben.“

    Barbara Pachl-Eberhart: „vier minus drei“, Heyne-Verlag, 8,99 Euro.

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