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Landkreis Pfaffenhofen: Fünfjähriger läuft im Wald davon - Für die Familie ist er ein Held

Landkreis Pfaffenhofen

Fünfjähriger läuft im Wald davon - Für die Familie ist er ein Held

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    Hier in der Ostersonne 2015 war alles gut. Aber die Nacht zum Samstag musste Alexander, 5, allein im Wald durchstehen. Und seine Eltern alles andere.
    Hier in der Ostersonne 2015 war alles gut. Aber die Nacht zum Samstag musste Alexander, 5, allein im Wald durchstehen. Und seine Eltern alles andere. Foto: privat

    Du, Papa, habe Alexander, 5, dann gesagt, „Papa, ich habe die ganze Zeit immer deinen Namen gerufen.“ Werner Bayer, 38, schluckt. Papa, habe sein Sohn weiter gesagt, „Papa, ich war ganz allein im Wald. Und da habe ich gewusst, ich muss mich bewegen und meine Angst überwinden.“

    Es ist Sonntagmittag. Werner Bayer sitzt in seinem Wohnzimmer in Dünzing (Kreis Pfaffenhofen) und erzählt, wie er, seine Frau, seine Mutter – wie sie alle es geschafft haben, genauso tapfer zu bleiben wie Alexander. Draußen vor der Tür steht ein kleines türkises Laufrad. Bis Samstagmorgen um 10.20 Uhr war es das, was ihnen von ihrem Sohn geblieben war.

    Hinter Werner Bayer, das sieht man seinen Augen sehr deutlich an, liegen die schrecklichsten, die längsten Stunden seines Lebens. Und der Moment der größten Erleichterung.

    Plötzlich ist Alexander im Wald verschwunden

    Rückblende: Es ist Freitagnachmittag, als seine Frau Kateryna, 29, mit ihren Jungs im Dürnbucher Forst spazieren geht. Marco, Alexanders kleiner Bruder (bald 2) ist auch dabei. Und Alexander macht, was große Brüder im Wald schon mal machen. Er läuft voraus, während der Kleine auf Baumstämmen balanciert, ausrutscht, fällt. Die Mutter muss sich kümmern. Es dauert ein bisschen. Als sie danach aufschaut, ist Alexander weg. Sie ruft. Nichts. Sie ruft wieder. Nichts. Was tun? Sie denkt, ihr Sohn ist vielleicht zum Auto zurück. Sie nimmt also das Laufrad, rennt so schnell es mit dem kleinen Bruder geht zurück zum Auto. Nichts. Wieder nichts. Alexander ist weg. Und der Akku vom Handy, der verdammte Akku, der ist leer. Sie hält ein Auto an. Sie ruft die Polizei. Und es beginnt, was dann immer beginnt. Es ist 18 Uhr. Bis Samstagvormittag, 10.20 Uhr, das sind noch über 16 Stunden. Eine Ewigkeit also.

    Die Polizeiinspektion Geisenfeld organisiert die Suche. 350 Rettungskräfte durchforsten den Wald. Feuerwehr, THW, Sanitäter, Freiwillige aus dem Dorf, drei Polizeihubschrauber kreisen in der Luft, die Hundestaffeln aus Bad Tölz spüren am Boden. Durch das Waldstück laufen auch Bahnschienen. Auch das noch. Ein Fünfjähriger allein im Wald, durch den Züge fahren. Die Bahn stoppt den Verkehr. Die nahe B300 wird gesperrt. Hat ihn etwa jemand mitgenommen? Es wird spät und später. Die Psychologen des Kriseninterventionsteams betreuen die Bayers. Auch Marco ist unruhig. Der Kleinste spürt, dass mit seinen Eltern etwas nicht stimmt. Es wird Nacht. Die Suchmannschaften müssen aufhören. Die Oma von Alexander hört es, als einer sagt, er glaubt nicht, dass der Junge noch am Leben sei. Er wusste nicht, dass sie die Oma ist. Sie reißt sich zusammen, lässt sich nichts anmerken.

    "Wenn dir kalt ist, beweg dich" - Alexander tat genau das

    Werner Bayer weiß, dass der kleine Körper seines Sohnes nicht so gut gegen die Kälte gewappnet ist. Trotz Mütze und Anorak. Und der Notarzt sagt ihm, dass es am Vormittag irgendwann kritisch wird, wenn Alexander immer weiter unterkühlt. Am Samstag, es ist 8 Uhr morgens, denkt Werner Bayer, dass er seinen Sohn nicht lebend wiedersieht. Er sagt: „Ohne die Psychologen hätte ich das nicht überstanden.“ Er hofft, dass sein Sohn sich seiner Worte erinnert. Die Bayers bauen gerade. Und auf der Baustelle hat der Vater seinem Sohn beigebracht. „Wenn dir kalt ist, beweg dich.“

    Alexander tat genau das. Nur irgendwie immer in die falsche Richtung. Mehrere Kilometer legt er in der Nacht zurück. Zwischendurch schläft er immer mal ein Stündchen. Natürlich hat er Angst. Ob sie Schäden hinterlassen hat, wird sich zeigen. Aber in der Nacht fällt Alexander noch ein weiterer Satz seines Vaters ein: „Wenn’s dunkel ist und du nichts siehst, dann sieht dich auch keiner.“ Das hilft.

    Es ist kurz nach 10, als Alexander im Wald einen Angler sieht. Der weiß Bescheid. Um 10.20 Uhr kommt der Anruf. Alles ist gut.

    Am Samstagabend haben die Bayers Pizza bestellt und gefeiert. Alle sind so unendlich dankbar. All den Helfern, Bürgermeister Martin Schmid, der sich so gekümmert hat, dem Angler. Am Sonntagnachmittag schläft seine Mutter und Alexander spielt bei ihr mit einer Comicfigur, auf die er wahnsinnig steht und die sein Papa ihm am Samstag gekauft hat. Es ist Superman. Das ist sein Sohn gerade für ihn, sagt der Vater. Alexander hat die Dunkelheit besiegt.

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