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Landespolitik: Stamm reicht's, den Grünen auch

Landespolitik

Stamm reicht's, den Grünen auch

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    Die Landtagsabgeordnete Claudia Stamm gab hier inmitten von neuen Gesinnungsgenossen ihren Austritt bei den Grünen bekannt.
    Die Landtagsabgeordnete Claudia Stamm gab hier inmitten von neuen Gesinnungsgenossen ihren Austritt bei den Grünen bekannt. Foto: Sven Hoppe/dpa

    Lange Gesichter im 5. Stock des Südbaus des Bayerischen Landtags. Normalerweise geht es hier auf dem Gang zwischen den Abgeordnetenbüros der Grünen weitaus lockerer zu als bei CSU, SPD oder Freien Wählern. Die Wände sind beklebt mit Plakaten und Karikaturen, alten Zeitungsausschnitten und Fotos, die Kaffeeküche ist ein beliebter Treffpunkt und viele Bürotüren stehen tagsüber offen – alles in allem mehr Wohngemeinschaft als Fraktionsgeschäftsstelle. Im Moment aber hängt in der grünen Sonnenblumen-WG der Haussegen schief. Es herrscht fast so etwas wie Sprachlosigkeit, seit die Münchner Landtagsabgeordnete Claudia Stamm ihren Parteifreundinnen und -freunden schriftlich die Freundschaft gekündigt hat.

    Stamm kündigt die Gründung einer neuen Partei an

    Es ging Schlag auf Schlag am Mittwoch. Erst trafen – jeweils überbracht durch einen Boten – Stamms Austrittserklärungen in den Büros der Partei und der Landtagsfraktion ein. Kaum waren die Briefe zugestellt, saß Stamm schon im Ratskeller und kündigte in einer Pressekonferenz die Gründung einer neuen Partei in Bayern an. An ihrer Seite ihre neuen Mitstreiter: die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Sabine Richly, der Direktor des Instituts für Soziologie an der Uni München, Stephan Lessenich, der frühere Grünen-Chef in

    Auf einen Namen für die neue Partei haben sie sich noch nicht verständigt, nur auf einige Grundsätze: „Wir wollen politisch einstehen für Bürgerrechte und soziale Gerechtigkeit, für gesellschaftliche Vielfalt, ökologische Transformation und nachhaltige Friedenssicherung.“

    Keine andere Partei, so lautet ihre Überzeugung, vertrete diese Positionen mehr konsequent. Der SPD und ihrem neuen Zugpferd Martin Schulz begegnen sie mit bissigem Spott. Lessenich sagte: „Die SPD verhält sich im Moment so wie jemand, der lange keinen Sex mehr gehabt hat.“ Den Grünen werfen sie vor, ihre klassische Grundsätze aufgeweicht zu haben. Im Bundestag wie im Landtag, so Stamm, seien die Positionierungen der Grünen „sehr schwammig“ geworden. Als Beispiele nannte sie das Nachgeben der Grünen in der Flüchtlingspolitik, etwa wenn es um Abschiebungen nach Afghanistan und die Festlegung sicherer Herkunftsländer geht, oder den Wandel in der Haltung der Grünen zu Bundeswehreinsätzen im Ausland.

    Das „Tüpfelchen auf dem i“, das sie zum Austritt aus Partei und Fraktion bewogen habe, so Stamm, sei die letzte Fraktionssitzung im Landtag gewesen. Ohne das Thema oder ihre Kontrahenten konkret zu benennen, warf sie ihren Fraktionskollegen vor, sich zu sehr darum zu bemühen, „sich smarter zu machen und sich wieder ein Stück weit kompatibler zu machen“. Das sei nicht ihr Kurs. Deshalb brauche es die neue Partei, die in den kommenden Monaten gegründet werden und bereits 2018 bei den Landtagswahlen antreten soll. Bis dahin werde sie als fraktionslose Abgeordnete im Landtag bleiben.

    Schulze bedauere den Austritt Stamms

    Die Fraktionschefs der Grünen im Landtag, Katharina Schulze und Ludwig Hartmann, reagierten schmallippig. Schulze sagte in einer eilends einberufenen Pressekonferenz, sie bedauere den Austritt Stamms, aber sie respektiere ihre Entscheidung. Hartmann, der gerade in Schwaben in Sachen Windkraft unterwegs war, sagte am Telefon genau dasselbe. Beide forderten Stamm auf, ihr Abgeordnetenmandat zurückzugeben, schließlich sei sie als Grüne in den Landtag gewählt worden. Stamms Kritik in der Sache wiesen Schulze und Hartmann zurück. Die Grünen, so Schulze, seien „die erste Adresse“, wenn es um Unterstützung für Flüchtlinge, um Menschenrechte, Umwelt- und Friedenspolitik geht.

    Über mögliche tiefere Gründe für Stamms Schritt gibt es nur Vermutungen. Grünen-Landeschef Eike Hallitzky glaubt, dass Stamm „rein persönliche Motive“ hat. In der Fraktion wird ihr nachgesagt, sie habe keine Perspektive mehr für sich gesehen, nachdem sie weder Fraktionschefin habe werden können noch Aussicht auf den begehrten Wahlkreis München-Giesing habe. Zudem gilt Stamms Verhältnis zu Schulze als unterirdisch. Die beiden seien angeblich nicht einmal bereit gewesen, sich gegenseitig auf Twitter zu folgen – das ist, wenn man so will, die Schattenseite der Sonnenblumen-WG.

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