Es ist eng im Sitzungssaal S 401 des Landtags. Die Nerven der Abgeordneten sind angespannt. Es geht um viel - finanziell und politisch. Vorne links hat Landesbank-Chef Michael Kemmer Platz genommen, vorne rechts Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU).
Ganz hinten an der Tür stehen, weil sogar die Plätze für Zuhörer zunächst voll belegt sind, Generalstaatsanwalt Christoph Strötz und der Leitende Oberstaatsanwalt Manfred Nötzel. Und keiner hat, weil mittendrin die Kollegen vom Fernsehen ihre Kameras aufgebaut haben, den vollen Überblick.
Das gilt auch in der Sache. Die Kontrollkommission des Landtags war eigentlich gegründet worden, um die milliardenschweren Verlustgeschäfte der BayernLB in vertraulicher Runde aufzuklären und die Bank in eine bessere Zukunft zu begleiten. Doch das gegenseitige Vertrauen ist weg, seit vergangene Woche bekannt wurde, dass der Finanzminister in seiner Funktion als Chef des Verwaltungsrats der Bank einen brisanten Prüfbericht über den Kauf der Kärntner Bank Hypo Group Alpe Adria (HGAA) über Monate hinweg unter Verschluss gehalten hat. Wie berichtet, hat er den Bericht erst veröffentlicht, nachdem er über dunkle Kanäle den Grünen in die Hände gefallen war.
Fahrenschon bemüht sich gleich zum Auftakt der Sitzung um Schadensbegrenzung. Er weist den Vorwurf der Vertuschung zurück und appelliert an die Abgeordneten: "Wir sind alle in der Verantwortung, mit dem Ruf der Bank klug umzugehen." Doch er gibt auch zu, dass es nicht besonders klug war, die Herausgabe des Berichts zu verzögern. "Ja, das ärgert mich."
Im Mittelpunkt der Sitzung allerdings stehen an diesem Tag weder der Finanzminister noch der Chef der BayernLB. Es ist Corinna Linner von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft RölfsPartner, die Verfasserin des Prüfberichts, die den Abgeordneten Rede und Antwort stehen soll. Ihr Problem ist, kurz gesagt, heikel. Sie hatte nach monatelangen Recherchen Fahrenschon Ende Mai zunächst einen Bericht vorgelegt, der ein vernichtendes Urteil über den Kauf der HGAA fällte: zu schnell, zu teuer, ohne sorgfältige Prüfung des Risikos.
In der Verwaltungsratssitzung Ende Juli aber ließ sich Linner binnen weniger Stunden in den entscheidenden Punkten durch angeblich recht wuchtige Reden von Sparkassenpräsident Siegfried Naser und Städtetagspräsident Hans Schaidinger umstimmen. Noch während der Sitzung gab sie zu Protokoll: "Aus diesen Darstellungen habe ich die neue Erkenntnis gewonnen, dass sich Vorstand und Verwaltungsrat intensiv mit den in den Berichten aufgezeigten Risiken auseinandergesetzt und diese in ihren Abwägungsprozess einbezogen haben. Vor diesem Hintergrund ist die Bewertung im Bericht obsolet."
Erst pfui, dann hui? Die Mitglieder der Landesbank-Kommission reagieren skeptisch bis empört. Eike Hallitzky (Grüne) bohrt nach. Er will wissen, was in der Verwaltungsratssitzung genau gelaufen ist. Linner sagt: "Was ausschlaggebend war, waren zusätzliche Aspekte, die einige Verwaltungsratsmitglieder an den Tisch gebracht haben." Und sie fügt hinzu: "Explizit hat der Vorsitzende Naser auch deutlich gemacht, wie viele bilaterale Gespräche er geführt hat." Und auch andere Verwaltungsratsmitglieder hätten beteuert, "wie sehr sie sich mit den Risiken auseinandergesetzt haben".
Hallitzky gibt sich mit dieser Antwort nicht zufrieden. Der ehemalige Justizminister Alfred Sauter (CSU) springt ihm zur Seite und hakt nach: "Für mich ist das alles nicht rund."
Die Wirtschaftsprüferin verteidigt sich. "Wenn Sie in einer Sitzung sind und diese renommierten Herren erklären mir, was sie alles getan haben, soll ich dann davon ausgehen, dass ich belogen worden bin?", fragt Linner und antwortet gleich selbst: "Das darf ich nicht. Da habe ich eine Verleumdungsklage am Hals." Außerdem sei ihr Bericht noch nicht endgültig gewesen: "Mein Fazit ist eine Fragestellung gewesen, keine Feststellung."
Die Abgeordneten sind nicht überzeugt. "Entweder haben Sie mehr als schlampig gearbeitet oder Sie wurden hier unter Druck gesetzt", sagt Bernhard Pohl (Freie Wähler). Franz-Xaver Kirschner (FDP), der selbst Wirtschaftsprüfer ist, zieht die Qualität von Linners Arbeit in Zweifel: "Ich hab so etwas noch nicht gelesen." Und Inge Aures (SPD) spricht aus, was mittlerweile offenbar alle glauben: "Unterm Strich bleibt: Die HGAA ist zu schnell gekauft worden, sie war zu teuer und auch nicht notwendig."
Der Kommissionsvorsitzende Ernst Weidenbusch (CSU) warnt vor voreiligen Schlüssen. Er sagt, er sei froh, dass sich um die offenen Fragen die Herren von der Staatsanwaltschaft kümmern. Sie kamen am Dienstag auch noch zu Wort - im nichtöffentlichen Teil der Sitzung.