Für Andreas Magg hat der Tag um 4 Uhr begonnen. Der Landwirt aus Sontheim bei Memmingen muss erst noch die 70 Kühe versorgen, bevor er auf seinen Schlepper steigt. Eine halbe Stunde später sind es bereits 120 Bauern aus dem Unterallgäu, die sich mit ihren Traktoren auf einem Parkplatz in Erkheim sammeln. Und später an die 500 aus ganz Schwaben, die sich neben der A96 in Richtung Landeshauptstadt schlängeln. Mittags steht der 37-Jährige dann mit seinem Fendt auf dem Odeonsplatz. Und sagt: "So etwas hat München selten gesehen."
Bauern blockieren Großstädte in Deutschland
Die Initiative "Land schafft Verbindung", die zu den Bauernprotesten aufgerufen hat, berichtet später von 1500 Traktoren, die Polizei dagegen von 1000 Schleppern und 2000 Bauern. In München geht zeitweise nichts mehr. Auch in Franken wird demonstriert. In Bayreuth sind 1000 Landwirte zur Kundgebung gekommen. In Würzburg wird die Demonstration abgebrochen, noch ehe sie begonnen hat. Es ist kein Durchkommen mehr, nicht einmal für Feuerwehr und Rettungswagen.
Bilder gibt es am Dienstag auch aus Bonn, Berlin und Hannover, aus Stuttgart, Erfurt und Rostock: Traktorkolonnen, die sich in die Innenstädte wälzen, Bauern, die Schilder mit markanten Botschaften in die Höhe recken. "Regional das sind wir", steht darauf, "Stirbt der Bauer, stirbt das Land" oder "Auflagenflut killt Bauernmut".
Zehntausende Landwirte haben sich bei "Land schafft Verbindung" zusammengeschlossen
Es ist ein neuer Protest, der sich da innerhalb weniger Wochen formiert hat. Zehntausende Bauern haben sich seither "Land schafft Verbindung" angeschlossen – über soziale Netzwerke wie Facebook oder über Whatsapp. So wie Andreas Magg aus Sontheim. Der 37-Jährige ist Mitglied beim Bauernverband und beim Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. Was ihn an der Initiative aber begeistert, ist, dass kein Verband dahinter steht, dass es nicht um eine Unterscheidung zwischen konventioneller oder ökologischer Landwirtschaft geht. Es geht um den Berufsstand an sich.
In den vergangenen Wochen hat Magg dafür geworben, dass sich viele Bauern aus dem Allgäu der Protestfahrt anschließen. "Ich kann es nicht mehr ertragen, dass wir an allem Schuld sein sollen – an der Wasserverschmutzung, an der Luftverschmutzung. Und Tierquäler sind wir plötzlich auch noch", erklärt er. "Das Maß ist jetzt voll."
Dass die Stimmung unter den Landwirten am Boden ist, das spürt man in diesen Tagen. Die Initiative beklagt negative Stimmungsmache und "Bauern-Bashing", das letztlich die Zukunft der Betriebe gefährde. Zudem wehren sich die Bauern gegen immer neue Auflagen wie das zuletzt von der Bundesregierung verabschiedete Agrarpaket und die Verschärfung der Düngeverordnung. "Wir Bauern stehen mit dem Rücken zur Wand", sagt Magg.
Am Nachmittag, als sich der Landwirt wieder in die Traktorenkolonne einreiht und die 100 Kilometer Heimfahrt antritt, ist er zufrieden. Weil er viele positive Reaktionen bekommen hat, sogar von Autofahrern, die im Stau die Daumen nach oben gereckt haben. Und weil die Bauern Einigkeit bewiesen hätten. "Und jetzt fahren wir erst mal heim und machen unsere Arbeit."
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