Augsburg Der Freistaat ist ein Flickenteppich. Zumindest wenn es um die Ladenöffnungszeiten an Sonntagen geht. Bayern ist das letzte Bundesland, das sich noch an das Bundesgesetz zum Ladenschluss hält. Nach der Föderalismusreform im Jahr 2006 haben alle anderen Bundesländer ihre eigenen Gesetze verabschiedet. Allerdings gibt der Freistaat viele Entscheidungsbefugnisse an einzelne Gemeinden und Landkreise ab. Dadurch entstehen teilweise recht gegensätzliche Regelungen in benachbarten Regionen. Vor allem die Ausnahmeregelungen für die Kur- und Erholungsorte sowie zu Marktveranstaltungen lassen Raum für Interpretationen.
Mehr als 500 Gemeinden in Bayern gelten laut Verordnung der Staatsregierung als Kur- und Erholungsorte. Das ist fast jede vierte Ortschaft in Bayern. In diesen Gemeinden ist es erlaubt, an jährlich bis zu 40 Sonn- und Feiertagen Verkaufsstellen zu öffnen. Voraussetzung ist, dass die Geschäfte mehrheitlich Produkte anbieten, die für Touristen interessant sind. Die Genehmigung erteilt letztendlich die jeweilige Gemeinde.
So erlaubte der Stadtrat in Rain am Lech der Firma Dehner, künftig sonntags zu öffnen. Inwiefern Dehner unter die Regelung für Kur- und Erholungsgebiete fällt, ist umstritten. Laut der Gewerkschaft Verdi war die Entscheidung vom Drängen des Gartenbauunternehmens motiviert. Arbeitnehmerverbände und Kirchen protestierten massiv gegen die Verordnung. Schließlich teilte die Geschäftsführung von Dehner mit, diese Möglichkeit nicht nutzen zu wollen.
Eine weitere Ausnahme im Ladenschlussgesetz betrifft „Märkte, Messen und ähnliche Veranstaltungen“. Zu solchen Anlässen dürfen Verkaufsstellen an bis zu vier Sonn- oder Feiertagen pro Jahr geöffnet haben. „Seit 1990 ist die Anzahl der verkaufsoffenen Sonntage in Bayern von 1200 auf rund 2000 angestiegen“, sagte Philip Büttner von der „Allianz für den freien Sonntag Bayern“. Dieses 2006 gegründete Bündnis stellt sich nach eigenen Angaben gegen eine „schleichende Aushöhlung des Sonn- und Feiertagsschutzes“. Trägerorganisationen sind Kirchen und Gewerkschaften. Büttner sorgt sich, dass immer mehr Möbelhäuser versuchten, den Sonntag als Markttag zu etablieren. Sie seien zwar oft große Finanziers der Märkte, aber selten dort angesiedelt, wo diese stattfänden. Trotzdem wollten sie an den Markttagen geöffnet haben. So wie jüngst die Ikea-Filiale in Eching, die sich weit vom Echinger „Kartoffelfest“, das Anlass für den verkaufsoffenen Sonntag bietet, entfernt befinde.
Das Beispiel Möbelhäuser zeigt, wie sehr die Entscheidungskompetenz bei den einzelnen Gemeinden liegt. So darf die Segmüller-Filiale in Parsdorf (Landkreis Ebersberg) an ausgewählten Sonntagen öffnen, während dies dem Möbelhaus Lutz im wenige Kilometer entfernten Aschheim verwehrt bleibt.
In der Regierungskoalition herrscht zum Ladenschlussgesetz weiter Uneinigkeit. „Wir streben kein eigenes Gesetz an. Das Bundesgesetz ist grundsätzlich gut“, argumentiert Joachim Unterländer, sozialpolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion. Die Ausnahmeregelungen, die die Verkaufssonntage betreffen, seien stets auf Einzelfälle bezogen. Das Grundkonzept des Gesetzes stimme. „Die steigende Anzahl der verkaufsoffenen Sonntage sehe ich kritisch. Allerdings halte ich eine strengere Einzelfallprüfung für den richtigen Weg“, sagte Unterländer. Die Prüfung läge in den Händen der Gemeinden und Landratsämter. Auch Arbeitnehmerverbände und Kirchen sind laut Unterländer gefordert, genau hinzusehen.
Tobias Thalhammer, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, sieht hingegen Handlungsbedarf: „Wir wollen die Ladenschlusszeit von Montag bis Samstag auf 24 Uhr ausweiten.“ Der Arbeitsschutz solle erhalten bleiben. Thalhammer fordert ein eigenes Ladenschlussgesetz für Bayern. „Eine Entscheidung wird es noch in dieser Legislaturperiode geben müssen“, sagt der Landtagsabgeordnete der Liberalen. "Kommentar