Regina Killer ist eine Frau, der man anmerkt, dass sie sich so leicht nicht unterkriegen lässt. Sie spricht schnell, energisch, laut. „Das ist ein Sieg“, sagt sie. In jedem Wort schwingt Erleichterung mit, wird deutlich, dass dieser Tag für sie ein ganz besonderer ist. Der Grund dafür ist der: Die Kuhglocken, die die Kühe von Regina Killer um den Hals tragen, dürfen weiter bimmeln. Das Oberlandesgericht (OLG) München wies am Mittwoch die Klage eines Anwohners zurück.
Seit Jahren schwelt im beschaulichen oberbayerischen Holzkirchen der Streit zwischen der Bäuerin und einem Ehepaar. Die beiden fühlen sich von den Glocken der Kühe auf der angrenzenden Weide massiv gestört, gerichtlich wollen sie ein Ende des Gebimmels erreichen. Der Ehemann und später auch seine Ehefrau waren in getrennten Prozessen in erster Instanz vor dem Landgericht München II gescheitert. Der Mann zog nun in die zweite Instanz vor das OLG – und verlor erneut.
„Es war immer ein Auf und Ab. Und es gab Momente, in denen man sagt: Ich mag nicht mehr“, sagt die Bäuerin am Mittwoch, kurz nachdem das Urteil gefallen war, und fügt hinzu: „Aber man sieht, dass es sich lohnt, standhaft zu sein.“ Durchhalten, auch wenn es schwer ist: Das habe sie in ihrem Leben immer wieder tun müssen. Durch den frühen Tod ihres Mannes vor 14 Jahren habe sie gelernt, sich durchzukämpfen.
Ehepaar stört sich nicht nur an den Kuhglocken
Die Eheleute, die sich über das Glockengebimmel ärgern, waren in ihren getrennten Verfahren in erster Instanz vor allem wegen eines vom Ehemann 2015 mit der Bäuerin geschlossenen Vergleichs gescheitert. Demnach dürfen nur im entfernteren Teil der Wiese mit gut 20 Metern Abstand Kühe mit Glocke grasen. Daran hält sich Bäuerin Regina Killer. Dem Ehepaar war es aber weiterhin zu laut.
Der Anwalt der beiden, Peter Hartherz, hatte vor dem OLG vorgebracht, Messungen am Schlafzimmerfenster des Paares hätten eine Lautstärke von mehr als 70 Dezibel ergeben. Zum Beweis spielte er im Gericht Aufnahmen des Gebimmels ab. Das Gericht kam dennoch zu dem Schluss, dass die Lärmangaben teils zu pauschal seien.
Nach dem Urteil am Mittwoch sagte Hartherz, sein Mandant habe auf eine Beweisaufnahme gesetzt. „Er hat darauf gehofft, dass das Gericht sich mal selbst ein Bild macht von den unhaltbaren Zuständen.“ Dazu zählen nach Ansicht des Ehepaares nicht nur die Kühe mit ihren Glocken, sondern auch Fliegen, die um die Kühe und von dort auf ihr Anwesen schwirren, sowie das Ausbringen von Gülle. Anwalt Hartherz hatte dazu eine Vielzahl von Anträgen gestellt, unter anderem sollten die Düngung wie auch die Weidehaltung unterlassen werden. Und wenn die Kühe schon unbedingt auf die Wiese müssten, dann wenigstens ohne Kuhglocken.
Regina Killer kann das alles nicht verstehen. „Ich habe das ja auch alles vor dem Haus und für mich ist es Beruhigung pur. Das gehört doch einfach zu Bayern dazu“, sagt sie. Auch andere Anwohner hätten kein Problem mit den Kühen. Erst vor kurzem ist ein Ehepaar mit einem Kind aus München in die Nachbarschaft gezogen. „Ich bin dann bei denen vorbeigeradelt und habe sie gefragt, ob sie sich gestört fühlen.“ Doch genau das Gegenteil sei der Fall gewesen. „Sie freuen sich über die Glocken. Eine größere Freude hätte man denen gar nicht machen können.“
Streit um Kuhglocken ist mit dem Urteil wohl nicht beendet
Bei all der Erleichterung über das Urteil vom Mittwoch sagt Regina Killer aber auch: „Sicherlich ist das schön, aber es wird weitergehen.“ Und in der Tat hat der Rechtsstreit auch mit diesem Urteil wohl kein Ende. Die Verhandlung für die Ehefrau in zweiter Instanz steht noch aus, Anwalt Hartherz hat hier Berufung gegen das Landgerichtsurteil eingelegt. „Jetzt werden wir alles daransetzen, dass zumindest die Ehefrau des Klägers zu ihrem Recht kommt“, sagt er. Regina Killer bleibt aber gelassen: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass da ein anderes Urteil rauskommt.“
Auch der Ehemann könnte es weiter versuchen. Das OLG hat zwar eine Revision nicht zugelassen – doch Anwalt Hartherz will wahrscheinlich eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen.
Das Ehepaar habe ihr sogar schon Geld geboten, sagte Regina Killer vor kurzem in einem Interview mit unserer Redaktion. „Aber ich habe schon beim allerersten Gerichtstermin gesagt, dass ich nicht käuflich bin. Ich verkaufe meine Heimat nicht für irgendwelche Leute, die sich von Kuhglocken gestört fühlen.“
Diese Leute, von denen die Bäuerin spricht, können zumindest noch ein paar Wochen ruhig schlafen: Denn die Kühe kommen erst im Juni wieder auf die Wiese. Momentan ist es nachts für sie noch zu kalt. Und dann wird wohl weitergestritten, im Holzkirchener Kuhglocken-Drama. (mit dpa)