Letzter Akt im großen Tierdrama dieses Sommers: Kuh Yvonne ist wieder da. Sie hat sich angeblich freiwillig gestellt – einfach so. Vorgestern hatten die eifrigen Tierretter von Gut Aiderbichl noch beschlossen, die flüchtige Milchkuh in Ruhe zu lassen. Schon einen Tag später kam sie munter aus ihrem Waldversteck – und gesellte sich zu ihren Artgenossen: Zu vier Kälbern nämlich, die dort auf einer umzäunten Weide in Unteralmsham bei Stefanskirchen leben.
„Es gibt zwei Versionen von der Geschichte“, sagte Britta Freitag von der Tierschutzinitiative Gut Aiderbichl gestern Abend am Telefon. Version Nummer eins: Yvonne ist einfach über den Weidezaun gesprungen. Das hat das Landratsamt Mühldorf am Inn in einer offiziellen Pressemitteilung verkündet, in der es wörtlich heißt: „Das Tier, das sich seit mehreren Wochen in einem Waldstück versteckt hielt, wurde der Einsamkeit scheinbar überdrüssig. Yvonne hat sich durch einen Sprung über einen Zaun ihren Artgenossen angeschlossen.“
Version zwei der Geschichte mit dem glücklichen Ausgang pünktlich zum Ende des Sommers hat der Bauer erzählt, der Yvonne schließlich auf seiner Wiese entdeckte: Die Kuh habe vor dem Gatter gestanden, das er nur noch öffnen musste. Brav sei sie hineingetrabt. Sie mache einen gesunden und ruhigen Eindruck und habe fortan friedlich mit den vier Kälbern gegrast.
Exakt seit 98 Tagen war die Wald-Kuh, die selbst im Ausland für Schlagzeilen sorgte, in Zangberg bei Mühldorf am Inn flüchtig. Suchtrupps hat sie überlistet, Spürhunde und Großwildjäger ausgetrickst, selbst Hubschrauber und Wärmebildkameras konnten sie nicht aufspüren. Zuletzt war immer häufiger die Vermutung laut geworden, dass die medienwirksame Suchaktion der deutsch-österreichischen Tierschutzinitiative vor allem eine riesige PR-Kampagne sei. Immer wieder meldeten sich Experten zu Wort, die es einfach nicht glauben konnten, dass man eine Kuh in einem übersichtlichen Waldstück über Wochen nicht findet.
Jetzt ist sie einfach wieder da. „Die Freude ist im Moment riesig“, sagte Britta Freitag. „Wir würden nicht glauben, dass es Yvonne ist, wenn sie nicht der Amtstierarzt anhand ihrer Ohrmarke eindeutig identifiziert hätte.“
Noch am Abend sollte Yvonne, die als „Kuh, die ein Reh sein will“ zur Hauptfigur des tierischen Sommertheaters wurde, betäubt werden. Der ehemalige Direktor des Münchener Tierparks Hellabrunn, Henning Wiesner, traf mit seinem Betäubungsgewehr aber erst bei Dunkelheit an der Weide bei Stefanskirchen ein, auf der Yvonne wenige Stunden zuvor entdeckt worden war. Der Schuss mit einer Narkosepatrone werde nun gleich bei Tagesanbruch nachgeholt, kündigte Wiesner an. Anschließend soll sie auf Gut Aiderbichl nach Deggendorf gebracht werden. Dort wartet inzwischen ihre ganze Familie auf sie: ihre Schwester Waltraud und der Neffe, das Kälbchen Waldi und Mastochse Friesi, Yvonnes Sohn.