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Kritik von Naziopfern: Aus dem Gefängnis soll ein Erlebnis-Hotel werden

Kritik von Naziopfern

Aus dem Gefängnis soll ein Erlebnis-Hotel werden

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    In Amberg wird das mehr als 300 Jahre alte Gefängnis zum Hotel umgebaut. Verfolgte des NS-Regimes kritisieren die Pläne als Verhöhnung der Opfer.
    In Amberg wird das mehr als 300 Jahre alte Gefängnis zum Hotel umgebaut. Verfolgte des NS-Regimes kritisieren die Pläne als Verhöhnung der Opfer. Foto: Armin Weigel/dpa-lby

    Hinter den dicken Mauern des gut 300 Jahre alten Gefängnisses ist es kalt und zugig. Die engen Gänge der Fronfeste in Amberg mit den abzweigenden Zellen zeugen noch von den Qualen der Insassen, die im vom Ende des 17. bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts ihre Strafe absaßen oder gar auf ihren Scharfrichter warteten. An diesem ehemals schauerlichen Ort soll noch in diesem Herbst nach drei Jahren Umbauphase ein Hotel eröffnet werden. Nun regt sich gegen die "Rast im Knast" Widerstand. Als Verhöhnung der Opfer des NS-Regimes bezeichnet die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) die Hotelpläne.

    "Die Fronfeste diente 1933 bis 1945 als Gefängnis der Gestapo, hier wurden zahlreiche Opfer des Naziregimes eingesperrt", sagt der VVN-Landesgeschäftsführer, Guido Hoyer. Widerstandskämpfer wurden dort inhaftiert und in der Fronfeste fanden Folterungen und Hinrichtungen statt. An so einem Ort dürfe kein Erlebnis-Hotel entstehen.

    Auf der Homepage des Hotels gibt es einen geschichtlichen Abriss

    "Ich habe seit Jahren recherchiert und keinerlei Hinweise auf ein Gestapo-Gefängnis gefunden", sagt dagegen der Besitzer der Fronfeste, Gerald Stelzer. Der 41-Jährige will aufklären und nicht mit aus Gruselgeschichten Kapital schlagen. Bereits beim Bauantrag 2008 hat er angegeben, aus einer fensterlosen Zellen einen Dokumentationsraum mit Schautafeln zu machen, der den Hotelgästen und Besuchern die Geschichte des Gefängnisses aufzeigt. Auf der Internetseite des Hotels hat er einen geschichtlichen Abriss über die Fronfeste gesetzt. "Dort fehlen allerdings Angaben für die Jahre 1935 bis 1945, weil es darüber keine Unterlagen gab." Mittlerweile hat Stelzer EU-Mittel für weitere Recherchen beantragt, um Licht ins Dunkel zu bringen.

    Ein Dreifach-Mörder verliert unter der Guillotine sein Leben

    Auch das Amberger Staatsarchiv kann nicht aufklären. "Gefangenenbücher des Landgerichts-Gefängnisses sind für die NS-Zeit nicht vorhanden. Sie setzen im Staatsarchiv erst mit dem Jahr 1948 ein", sagt Jochen Rösel vom Staatsarchiv. Aus den Akten des Landgerichts gehe zumindest hervor, dass von 1879 bis 1922 in Amberg 14 Männer hingerichtet wurden - ausschließlich verurteilte Mörder. Die letzte dokumentierte Hinrichtung in der Fronfeste erfolgte 1935: Ein Dreifach-Mörder verliert unter der Guillotine sein Leben.

    Die meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher

    Etliche Nazi-Kriegsverbrecher wurden oder werden bis in die heutige Zeit hinein gesucht.

    Aribert HEIM (Ägypten) - Nach Presseberichten soll der als «Dr. Tod» berüchtigte frühere KZ-Arzt bereits 1992 im Alter von 78 Jahren in Kairo gestorben sein. Das Wiesenthal-Zentrum bezweifelt die Angaben, weil weder der Tod bestätigt noch die sterblichen Überreste gefunden worden sind. Im September 2012 erklärte ihn das Landgericht Baden-Baden aber offiziell für tot.

    Alois BRUNNER (Syrien) - Der wichtigste bislang strafrechtlich nicht verfolgte Nazi-Kriegsverbrecher ist möglicherweise nicht mehr am Leben. Der ehemalige SS-Hauptsturmführer soll als «Ingenieur der Endlösung» für den Tod von etwa 130 000 Juden aus mehreren Ländern verantwortlich sein. Brunner wurde zuletzt 2001 in Damaskus gesehen.

    Michail GORSCHKOW (Estland) - Laut Wiesenthal-Zentrum diente er der Gestapo als Übersetzer und war am Massenmord von Juden in Weißrussland beteiligt.

    Algimantas DAILIDE (Deutschland) - Er soll Juden festgenommen haben, die später von Nationalsozialisten getötet wurden. Von den USA ausgeliefert, wurde er in Litauen verurteilt, musste seine Haft aber wegen seines Gesundheitszustands nicht antreten und lebt heute in Sachsen.

    Ivan (John) KALYMON (USA) - Der gebürtige Ukrainer hat für die deutschen Besatzer in der Ukraine als Hilfspolizist gearbeitet und soll an der Deportation und Ermordung von Juden beteiligt gewesen sein. Er lebt im US-Bundesstaat Michigan.

    Soeren KAM (Deutschland) - Ehemaliges SS-Mitglied, wird beschuldigt, für den Tod eines dänischen Journalisten verantwortlich zu sein. Kam soll das Einwohnerverzeichnis der jüdischen Gemeinde in Dänemark gestohlen und damit die Deportation von dänischen Juden in deutsche Konzentrationslager ermöglicht haben. Dänemark hat 1999 die Ausweisung beantragt.

    Karoly (Charles) ZENTAI (Australien) - Nahm 1944 an der Verfolgung und dem Mord an Juden in Budapest teil. Ungarn hat 2005 die Auslieferung beantragt. Zentais letzter Einspruch wird derzeit vor Gericht in Perth verhandelt.

    Adam NAGORNY (Deutschland) - Als Wärter im Konzentrationslager Treblinka soll er mehrere Gefangene erschossen haben. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat zu Beginn des Jahres Ermittlungen aufgenommen.

    Gerhard SOMMER (Deutschland) - Der frühere SS-Untersturmführer soll 1944 an einem Massaker mit 560 Toten in der toskanischen Gemeinde Sant'Anna di Stazzema beteiligt gewesen sein. Im Juni 2005 war er von einem italienischen Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

    Klaas Carl FABER (Deutschland) - In den Niederlanden für den Tod von Gefangenen im Transitlager Westerbork und dem Gefängnis von Groningen 1944 zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde 1948 in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Flucht aus dem Gefängnis 1952. Im Mai 2012 gestorben.

    Milivoj ASNER (Österreich) - Der ehemalige Polizeichef in Kroatien soll an der Verfolgung und Deportation von Serben, Juden sowie Sinti und Roma beteiligt gewesen sein.

    Jörg Fischer vom Stadtarchiv in Amberg stört sich bei der Kritik vor allem an dem Begriff Gestapo-Gefängnis. "Die Gestapo war damals die staatliche Kriminalpolizei und die Fronfeste war als Landgerichts-Gefängnis die staatliche Vollzugseinrichtung." Es gebe jedoch keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass in der Fronfeste während der NS-Zeit Menschen gefoltert worden sind.

    Fischer glaubt, dass sich die Kritik vor allem auf das 1993 erschienene Buch von Norbert Flach "Spurensicherung - Amberg und der Landkreis unter dem Hakenkreuz" stützt. Dort heißt es: "Spricht man mit noch lebenden Widerstandskämpfern, so wird die Fronfeste als Gestapo-Gefängnis beschrieben". Weil in den Buch zu diesem Kapitel aber Quellennachweise fehlen, ist es für Fischer eine unwissenschaftliche Veröffentlichung.

    Trotz Kritik: Die Arbeiten am Gefängnis laufen weiter

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    Uli Hoeneß, RAF-Terrorist Ralf Pohle und bald Alfons Schuhbeck? Die JVA Landsberg hatte bereits berühmte Insassen, die nichts gemeinsam haben – außer die Gitterstäbe.

    Unterdessen laufen die Arbeiten in dem mehr als 300 Jahre alten Gemäuer unter Hochdruck weiter. Böden werden gedämmt und gefliest, hunderte Meter Leitungen verlegt, Toiletten und Duschen installiert sowie Heizungen angebracht. Gut eine Million Euro hat er bereits in das Projekt investiert. Bis Oktober will Gerald Stelzer 17 Einzel- und Doppelzimmer mit bis 30 Quadratmetern für die ersten Gäste anbieten, dazu gibt es einen großen Seminarraum für Firmen. Er hofft auf Tagesgäste und Radtouristen, die im Herzen der Altstadt Ambergs eine Rast im Knast einlegen. AZ, dpa-lby

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